Dienstag, 25. Oktober 2016

Das hätten sie nicht gedacht!

In einigen Kommentaren zu meinen Posts spüre ich ein Unbehagen: Du übersiehst das Bemühen von Eltern und Fachleuten, neue kinderfreundliche Wege zu erkunden, erste Schritte zu tun weg vom Oben-Unten hin zur Beziehung auf gleicher Augenhöhe. Du bist so pauschal und so schwarz-weiß: Nur Amication ist richtig, den Rest kann man vergessen. Irgendwie arrogant und kontraproduktiv, denn Du willst doch Menschen für die Amication gewinnen.

Also: Da überseh ich nichts. Auf meinen Veranstaltungen erlebe ich immer wieder Eltern und Fachleute, die sich zu lösen beginnen vom traditionellen Erziehungs-Oben-Unten. Intuitiv, ohne Theorie, mit dem Herzen fühlend, absprungbereit, erste Schritte wagend, oder schon voll im (nicht)pädagogischen Neuland unterwegs. Dies ist für mich anrührend zu sehen, und ich wünsch mir viele viele solcher Erwachsener.

Meine Texte und meine Vorträge und Seminare sind voll Klarheit und Wahrheit: Erziehung hier - Nicht-Erziehung/Amication/Postpädagogik dort. Mit intellektueller Kraft sehe ich den Unterschied, und ich trage diesen Erkenntnisimpuls gern und beschwingt weiter und male freudig meine Wortbilder. Ohne Intuitives herabzusetzen, ohne das Suchen, Fragen, Beginnen, Zweifeln abzutun!  Und bei all meiner intellektuellen Klarheit nehmen sie auch meine Herzenswärme wahr, aus der heraus ich all dies überhaupt erst hervorhole. Ich bin als Botschafter unterwegs, als Kind im Erwachsenenland. Meine intellektuelle Trennschärfe wird von den meisten Menschen, die mir zuhören, gern (!) angenommen, durchaus auch staunend, dass das, was sie spüren, bereits einen solchen fulminanten Überbau hat.

Das hätten sie nicht gedacht! Und sie sagen, dass ihnen das hilft, weiter auf ihrem Weg zu den Kindern zu gehen, dem Weg, den sie als für sich richtig erfühlt haben. Und sie bedanken sich für diese Hilfe beim Emanzipieren von all den Normen eines "richtigen" Umgangs mit Kindern, die in ihnen rumspuken und die so viel Macht in ihnen haben. Und die von so vielen einflußreichen bis renommierten Persönlichkeiten zustimmungsheischend daherkommen: von Aebli, Böhm, Bosco, Brezinka, Brunner, Cohn, Comenius, Dewey, Diesterweg, Dilthey, Flitner, Freinet, Fröbel, Ftenakis, Gagné, Gordon, Herbart, Humboldt, Jegge, Juul, Kant, Kerschensteiner, Klafki, Korczak, Hentig, Litt, Makarenko, Meves, Mollenhauer, Montessori, Neill, Nohl, Pestalozzi, Piaget, Pikler, Pawlow, Petersen, Platon, Prekop, Reich, Rousseau, Roth, Schleiermacher, Skinner, Sokrates, Spranger, Steiner, Uschinski, Wild, Wyneken, Ziller, Zulliger, Hinzius und Kunzius. Die in all den Fachbüchern und Erziehungsratgebern stecken, dass ihnen ganz schwindelig wird. Ganz abgesehen davon, was sich in ihnen angebraut hat, wie sie sein sollten, als ihr erstes Kind kam. Sie wollen sich davon lösen, weil sie das alles ungut finden. Und da komm ich ins Spiel und biete ihnen halt etwas Medizin an, damit sie ihr Gleichgewicht besser halten können. Eine spezielle Mixtur aus Intellekt und Emotion, Emanzipation und Gelassenheit, Selbstliebe und Empathie, Zweifellosigkeit und Überzeugtheit, Starkwirkung knapp vorm Eingebildetsein.

Diese amicative Medizin ist dem einen süß, dem anderen bitter. Ich aber freu mich, wenn sie hilft. Und biete heute gleich ein paar weitere Bronchi-Tropfen gegen den pädagogischen Husten an und poste flink noch einen Blog aus meiner Bücherkiste: "Echt jetzt?"