Montag, 26. Februar 2024

Deutscharbeit 10:03 Uhr



deutscharbeit in der klasse 8c. angespannte ruhe liegt über den jungen leuten. ein stuhl wird gerückt. der lehrer blickt auf. ein schüler ist aufgestanden. "was ist los, kilian?" alle sehen jetzt auf. der schüler sieht zufrieden aus. er schaut zur tafel, durch sie hindurch. "kilian, was ist?" leicht irritiert steht der lehrer auf. "ich schreibe nicht weiter. ich schreibe keine aufsätze mehr." nach einer sekunde absoluter stille wird es sehr unruhig. der lehrer wird energisch. "lass den quatsch und setz dich. schreib weiter."

kilian richtet sich ganz auf. er sieht den lehrer an. "sie haben kein recht dazu. meine gedanken gehören mir. niemand hat das recht, meine gedanken auf sein papier zu befehlen. ich werde keine aufsätze mehr schreiben. nie mehr." seine entschlossenheit bewirkt noch einmal absolute stille im klassenraum. dem lehrer gelingt keine antwort. zwei, drei andere junge leute stehen ebenfalls auf. sie sagen nichts, sie schließen ihre hefte. der lehrer ist fassungslos, sprachlos. alle stehen jetzt, alle hefte sind geschlossen. "wollen sie einen kaffee?" fragt freya, "ich hole einen".

tagesschau: "überall im land haben sich heute vormittag zahlreiche schüler geweigert, ihre klassenarbeiten zu schreiben. lehrer berichten, dass die schüler mitten im unterricht aufstanden und die fortsetzung ihrer arbeiten ablehnten. lehrer, pädagogen, psychologen und eltern können sich diesen vorgang nicht erklären, zumal es an sehr vielen orten gleichzeitig gegen 10:00 uhr vormittags geschah. die entschiedenheit der ablehnung, klassenarbeiten zu schreiben, kam umso unvermuteter, als es keine vorherigen anzeichen für ein solches phänomen gab."

 

Montag, 19. Februar 2024

Vorfrühlingstag

 



an diesem vorfrühlingstag

sind die kinder im wald.

als teil der natur,

versunken in ihr spiel,

handfest glücklich.




am waldrand fällt ihr blick

einen moment nach draußen:

hinter der großen eiche,

dem letzten schutz,

über dem fluss,

dem bürgen des lebens,

harrt der kasten aus stein,

das monument ihrer

menschwerdung,

die schule.




absurd,

wirklich und unwirklich

zugleich

steht sie da drüben,

wie ein alien.




„wozu ist das gut?“

„wozu könnte es gut sein?“

sie flüstern.




dann folgen die kinder

wieder ihrem spiel,

das leben heißt,

in dieser vertrauten umgebung,

der großen harmonie,

die sie liebt und lehrt,

wer sie wirklich sind. 

 

 

 

*

Prolog meines Buches "Schule mit menschlichem Antlitz", 2001


 



Montag, 12. Februar 2024

Herzinfarkt und Sternennächte

 


Eine gute Freundin ruft an, sie kann nächste Woche nicht zum Geburtstagsbesuch kommen. Na gut, denke ich, o.k., ringe mich aber durch, nachzufragen: "Warum?" "Na, weil ich im Krankenhaus bin." Spärliche Mitteilung. "Was gibt es denn?" "Herzinfarkt, gestern, aber jetzt ist alles gut."

Ich bin sprachlos und sehr berührt. Das sagt sie so nebenbei, und wenn ich nicht nachgefragt hätte... Wir reden dann eine ganze Weile darüber – aber erst am nächsten Tag, als ich mich berappelt habe und denke, dass ihr mein Nachfragen und mein Mitfühlen gut tun könnte. So war es dann auch. Ich wollte schon die drei Stunden hinfahren und Wiesenblumen mitbringen. Aber ich kenne sie ja und weiß, dass ihr soviel Aufhebens nicht gefällt. Das Gespräch kam aber gut.

"Das kann ruck-zuck vorbei sein. Das war es dann." Sie sieht das nüchtern. Und ich? Na ja, recht hat sie ja. So kann es schon sein. Ich blicke auf und in den Sommer, mein Joggen, die Wiesengänge, meine immer wieder neuen schönen Alltäglichkeiten. Meine Lieben. Mein Lebensprojekt Amication. Und meine Sternennächte.

Dahin wird die Reise gehen, ins Unendliche, zu den Sternen eben. Wenn es soweit ist. Ist es aber noch nicht! Kann aber passieren, jederzeit. Ja klar. Soll dann so sein. Jetzt aber eben nicht. Jetzt höre ich beim Schreiben die Amsel singen. Und sehe das nachlassende Sonnenlicht in der Abendzeit. Und weiß, dass der Vollmond gleich über den Wiesen stehen wird. Ich bin hier, in dieser bunten Welt, mit ihren Geheimnissen. Es ist halt so viel los und alles ist so voll. Es soll nicht zu Ende sein.

Das Ende all dieser Dinge kann dann kommen, wenn es denn zu kommen hat. Das sehe ich auch nüchtern. Aber schade ist es dann doch ...


Montag, 5. Februar 2024

Verantwortung und Durchsetzen

 


Ich kümmere mich um meine Kinder, das ist so selbstverständlich wie was. Aber nicht deswegen, weil ich für sie verantwortlich bin. Was bedeutet das? Und warum kümmere ich mich dann? Und was passiert in der inneren Welt, wenn ich mich in der äußeren durchsetze?

*

Amication bedeutet in der Kommunikation mit den Kindern einen radikalen Bruch mit der Tradition. Die Botschaften der Kinder werden anders verstanden. Die Kinder sagen den Erwachsenen in ihren Herzen:

»Liebe mich, aber nimm mir nicht meine Verantwortung für mich selbst. Denn ich bin ein selbstverantwortliches Wesen von Anfang an. Hilf mir, unterstütze mich, sage ehrlich, wenn Dir etwas zu viel wird. Und auch wenn Du Dich durchsetzt: Maße Dir nicht an, besser zu wissen als ich, was für mich wirklich gut ist. Deine subjektive Wahrheit ist mir willkommen oder nicht willkommen und stets meiner subjektiven Wahrheit gleichwertig. Niemals aber kann Deine Wahrheit über meiner stehen.«

Es geht dabei nicht um das Handeln, sondern um das Spüren der Wahrheit.

Die amicative Antwort ist: »Ich liebe Dich, und ich bin nicht für Dich verantwortlich – denn dies bist Du selbst von Anfang an, zu 100 Prozent. Ich handele so, wie es mir und meiner Wahrheit entspricht, ohne dabei meine Wahrheit über Deine zu stellen – auch wenn ich mich durchsetze und Du dann tun musst, was ich für richtig halte.“

Liebe ja – Verantwortung nein. Durchsetzen ohne Herabsetzen.