Montag, 5. Juni 2023

Handytime

 

 

Vor acht Jahren war ich mit den Handys meiner Kinder schwer beschäftigt. Wieviel lasse ich zu? Wann wird es mir zu viel? Was geht, was geht nicht? Bei einem Besuch bei Freunden in Polen hatte ich dann mein Aha-Erlebnis. 

Diese Woche war ich mit meinem Sohn wieder einmal bei den Freunden. Ich erinnere mich, klar und deutlich sehe ich die kleine Szene vor mir. Diese Szene - eingefangen in einem Post 2017:


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Wie viel Handy, Smartphon und Co. darf in Kinderhänden sein? 1, 2, 3 Stunden am Tag? 24 Stunden? Ich habe gelernt, dazugelernt. Am besten finde heute ich die Allezeit-Position: die und auch meine Kinder geben ihrem Handysein Raum, sie bestimmen selbst über ihre Handyzeit. Allezeit. Wenn mir unbehaglich ist, sag ich das. Wenn ich es nicht mehr sehen kann, sag ich das. Was dann passiert? Mal sehen, je nachdem wie alles so spielt. Dann wird es ausgeschaltet, oder auch nicht. Dann fühl ich mich missachtet oder auch nicht. Dann geht das Abendland unter oder auch nicht. Dann hau ich auf den Putz oder auch nicht. Situation, flexibel, wenn die Sonne scheint ist es anders als wenn es regnet. 

Statt Brandenburger Tor: Handy. Statt Amsel: Handy. Statt Stadt-Land-Fluss: Handy. Geht ja gar nicht! Aber wenn sie so leben? Anders: Sie leben so. Sind in ihrer Welt unterwegs. Das Tor, die Amsel, das Spiel: kommen nicht zur rechten Zeit. Jetzt kommt's: Wer bestimmt, wann rechte Zeit ist? Mein Ding? Hallo, wer bin ich denn! Die Kinder leben ihr Leben. Ich freu mich, dass sie da sind. Muss mehr sein? Mehr muss nicht sein. 

Osterbesuch. Anna ist 16, voll im Handywahn. Mittagessen. Gäste - wir - sind da. Alle sitzen am Tisch, es ist festlich. Anna: nicht da. Ihre Eltern: Voll entspannt. Absolut kein Thema, die Nicht-Anna. Wir beginnen. Anna kommt. Mit Handy. Setzt sich hin, Handytime. Drei Löffel Suppe, nebenbei. Hauptmahlzeit: Handy. Und jetzt, so fantastisch, so magisch, so alle Bedenken niederreißend, so herzanrührend: sie schmiegt ihren Kopf an den Arm ihres Vaters, er hält sie, er isst weiter, er unterhält sich weiter. Mehr Harmonie geht nicht. Nach drei weiteren Löffeln geht sie wieder. Es ist so ... gut einfach. 

"Es ist ihre Welt. Ihr Leben. Wir sehen ein bisschen in ihre Zukunft, 2030, 2040. Wir sind dabei. Sie gestaltet ihr Leben." Ihr Vater liebt sie, sie fühlt sich bei ihm wohl, er fühlt sich bei ihr wohl. Diese Familie hat absolut kein Handyproblem. "Macht sie auch noch mal was anderes?" frage ich. Brandenburger Tor, Amsel, Stadt-Land-Fluss. Meine Dunkelwelt reißt an mir. Ihr Vater erzählt mir, was sie alles macht: Tor, Amsel, Spiel. Sie ist kein Alien. Sie ist Anna. Ein ganz normales Kind.  

 

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Und Anna heute? Ist weltoffen, hat ihr Abitur gemacht und studiert. Ein ganz normales Kind.
 

Montag, 29. Mai 2023

Von Fischen und Wildschweinen

 

 

Ich bin mal wieder mit meiner Tochter und meinen Enkeln im Wildgehege unterwegs. Wir kommen zur Aussichtsplattform für die Wildschweine. Ich erinnere mich an das Erlebnis vor vier Jahren und stelle den Text von damals noch einmal in den Blog.

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Ich bin mit meiner Tochter und ihren Kindern im Wildgehege unterwegs. Nach einer Weile: "Spielst Du mit mir?" Mein dreijähriger Enkel will nicht die Tiere, nicht sein Laufrad, er will mich. Ich aber will mich grade ausruhen, ein bisschen herumgehen, ein bisschen Quatschen, ein bisschen Tiere, ein bisschen Family. Aber Spielen? Das braucht Konzentration, Aktion, Fantasie und Geduld. Was will ich?
 

Ich höre meinen Wunsch nach ruhiger Kugel, ich höre seinen Wunsch nach mir. Was Ende der Kugel heißt, was Kinderwelt heißt, irgendwie anstrengend. Ok, sage ich mir, na gut, und ich lass mich breitschlagen, fühl mich auch vom Kinderwunsch geehrt und vom Kind gemocht. Ich schließe meine Ruhetür und öffne die Spieltür. 

Erst gibts ein Versteckspiel. Hinter den Bäumen und Büschen. Das ist lustig. Dann sind wir oben auf der Aussichtplattform für die Wildschweine. Da liegt ein Stock rum, schon gibts Angelspiel. Fische werden an Land gezogen. Im Herd gebraten, mit Öl. Und gegessen, mit Zitrone und Petersilie. Mindestens 20 Fische werden geangelt. Dann nochmal Verstecken. Das Ganze dauert eine halbe Stunde, danach wandern wir alle zurück zum Parkplatz. 

"Spielst Du mit mir?" Das ist eine der schönen Fragen des Lebens. Wenn ich diesem Anruf folge, löst er mich aus meiner Ichwelt und bringt mich in die Wirwelt. Das ist zur richtigen Zeit, das ist zur falschen Zeit, das ist beglückend, das ist anstrengend - so, wie es gerade kommt. 

Es ist so was wie Zeitverschwendung dabei. Überflüssiges. Kinderkram eben. Und es ist Erhabenes dabei, Wahrheit, Sinn. Ist Spielen nicht wichtiger als meine ganzen Alltagsaktivitäten und Geschäftigkeiten? Es ist wichtiger, aber das Spielen hat nicht oft die Chance. Heute aber war sie da, diese Lebenschance, ergriffen, erlebt, erfüllt. 

"Spielst Du mit mir?" Wenn das Leben das an mich heranträgt und wenn ich das merke: dann ist es grandios. Dann beschwingt es mich, macht alles leicht, freundlich, unkompliziert. Ich lasse mich fallen in den Augenblick. 

Wie immer geht es um die Frage, wer ich sein will. Ich entscheide das. Aber ich will auch gefragt und gelockt sein. Wenn ich ernsthaft und denkgelähmt unterwegs bin, hat das Spielen es schwer. Doch die Leichtigkeit des Seins gibt nicht auf, sie ist ja da, und umgarnt mich, hält zu mir, fängt mich ein - und ihr nachzugeben ist himmlich. Ich muss nur den Schritt durch die Spieltür hinbekommen. Bei den Kindern. Bei den Freunden. In der Partnerschaft (!). 

Und das alles ist ja nicht "nur ein Spiel". Es ist Herz, Vertrauen und Liebe. Es sind die Momente, die in meinem Lebenstagebuch mit einem Stern versehen werden. Mein Enkel hat mich heute in diese Sternenwelt hineingezaubert.

 

Montag, 22. Mai 2023

Lichtpfad

 



Auf dem Vortrag letzte Woche ging es mal wieder um Bösewichte. Wo sind wir selbst, wenn wir über jemanden nachsinnen/urteilen, der irgendetwas Ungutes angestellt hat. Großes, nicht Kaffee verschütten, sondern Grusel, z.B. Missbrauch, Umbringen. Wird ja grad verhandelt. 

"Jeder - auch so ein Täter - ist ein Ebenbild Gottes". Einer meiner Standards zu Beginn des Diskutierens. Wobei klar ist, dass es jetzt nicht um das Opfer geht, dem mein Mitgefühl/Trauer gilt, sondern um den Täter. Und unsere eigene Position ihm gegenüber. 

Wo bin ich, wenn ich diesem Menschen gegenüber Position beziehe? Wer bin ich, wenn ich diesem Menschen gegenüber Position beziehe? 

Ich erlebe, dass die Leute vor mir in einem Raum der Verurteilung, des Entrüstens, des Entsetzens unterwegs sind. Der Täter ist ein Bösewicht, das ist klar. Ein Ebenbild Gottes? Absurd. Wenn ich das Ebenbild ins Spiel bringe, wird mir Durchgeknallt und Sympathie mit dem Teufel rübergereicht. 

Abgesehen davon, dass ich von der Ebenbildgeschichte überzeugt bin (und, um das gleich hinzuzufügen: was mich nicht hindert, so einen Täter - wenn ich das kann - auszuschalten, einzusperren etc.) - abgesehen also davon, dass der Täter für mich immer ein Ebenbild Gottes ist und bleibt: 

Die Leute vor mir sind in einem dunklen Raum unterwegs, eingefangen in Grusel, Böse, Rachegedanken. Ihr Mitgefühl und Schmerz vertrübt sie, lässt das Licht gehen, wirft Schatten. Kälte, Kochen vor Wut, Empörung. Wobei sie sich auf der guten Seite verorten. Und: von Friede keine Spur. Friede in mir, im Herzen, in der Begegnung, Auseinandersetzung, Positionsbeziehung dem Täter gegenüber: keine Spur. Sie sind die Guten, er ist der Böse. 

Und und Aber: sie werden dabei in Schatten versetzt. Und genau das ist nicht mein Ding. Ich lass mich nicht (mehr) in die Schattenwelt ziehen/treiben. Ich bin ein Sonnenwesen. Der Großraum, in dem ich unterwegs bin, ist voll Licht. 

Eingebildet! Obermoralisierer! Machtgeil durch Gutsein! Ja mei, was soll's. Keiner muss mich mögen. Und weiter: Was soll das, sich bei Gruseligkeiten auf die dunkle Seite zu begeben? Das macht doch krank im Herzen! Ich sage den Leuten vor mir so etwas. Manchmal kommt etwas über. Die Kraft des Lichts. 

Eine Brücke ist dann, dass ich sie frage, wie das mit der Verzeihung ist. Na ja, da wollen sie erst ordentlich verurteilt haben, das Ebenbild als Teufel entlarvt haben. Dann können sie über Verzeihung nachsinnen. Und dann können sie wieder ins Licht gehen. Mit diesem Umweg. 

Mein "Jeder ist ein Ebenbild Gottes, also auch der Täter" ist zu schwere Kost. Sie spüren das Böse, sie nehmen Witterung auf. Und sie misstrauen sich selbst, fürchten, dass das Böse aus ihnen hervorbrechen könnte, sind in existentieller Bösefurcht. Tja - ich kann sie ja nicht ändern. Aber so ein bisschen Heilerei find ich auch nicht schlecht. Wenn es dem einen oder anderen hilft und ihn auf den Licht- und Friedenspfad verlockt: da bin ich doch zufrieden. 

Montag, 15. Mai 2023

Wie spät ist es?

 



Ich bin zum Einkaufen in der Stadt unterwegs. Eine Mutter und ihre fünfjährige Tochter kommen mir entgegen. Die Mutter ist über irgendetwas schwer verärgert und schimpft laut auf das Mädchen ein. Die Kleine schaut mit dem typischen betroffenen und getroffenen Kinderblick nach unten. Sie ist schwer angefasst, im Verhexungsmodus. Das will ich nicht so passieren lassen.

Ich habe mir immer gesagt, wenn so eine Szene auf mich zurollt, dann tue ich etwas. Was? Die schimpfende Mutter oder den schimpfenden Vater darauf ansprechen … das geht gar nicht. „Was geht Sie das denn an!“ lauert und verbessert nichts. Ich habe mir schon lange überlegt, dass ich den Großen da anders rausholen muss. Meine Idee: Nach der Uhrzeit fragen. Die Leute sind immer höflich und nett, sehen auf die Uhr und sagen mir, wie spät es ist. Das kann doch auch in so einer Situation funktionieren. Dann sind die schimpfenden Eltern ein paar Sekunden raus aus der unguten Verstrickung mit ihrem Kind. Holen sozusagen Luft. Und dann gehen sie entspannter zusammen weiter. Vielleicht gar ohne Schimpfe. Soweit die Theorie.

Als die beiden nun auf mich zu kommen und ich das Gesicht das Kindes sehe, hole ich tief Luft. Darf ich in so eine private, intime Sphäre einbrechen? Wie übergriffig ist das denn? Aber: Ich bleibe vor den beiden stehen. „Haben Sie vielleicht die Uhrzeit? Wissen Sie, wie spät es ist?“ Die Mutter sieht von ihrer Tochter weg zu mir, ihr verspanntes Gesicht wird freundlich, sie sieht auf ihr Handgelenk, und: „Es ist viertel vor Fünf“. „Danke“, sage ich. Wir setzen unsere Wege fort.

Es hat funktioniert! Die Mutter – das merke ich, weil ich noch einen Moment stehen bleibe und zu den beiden sehe redet jetzt ruhig und ohne Schimpfe mit ihrer Tochter. Es hat funktioniert! Und gleichzeitig dabei, während ich mit der Mutter im Kontakt bin – der volle Lohn: Das Mädel sieh mich in der kleinen Szene erstaunt, ungläubig, von innen heraus an. Ich komme von einem anderen Stern. Ich bin ein Alien, der sie aus der Dunkelwelt herausholt. Ich bekomme einen Blick, der mein surreales Manöver herzinnig belohnt.

Ich habe Frieden gestiftet. Die Ärgerwolke weggeschoben, die Liebe der Mutter wieder hervorgelockt. Magie, die ich kann und die mich erfüllt.

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Ich bin im Kino, es gibt einen fast dreistündigen Actionfilm. Futuristisches Weltall, Heldentaten, ein verletzter Freund wird gerettet (Guardians of the Galacy). Die dunklen Mächte werden überwunden, Frieden und Liebe obsiegen. Als der gerettete Freund zum Schluss aufgefordert wird, Rache zu nehmen und den Oberschurken zu töten – da macht er das nicht, er lässt ihn leben: „Ich bin ein Wächter des Universums“, sagt er. Des Friedens und der Liebe, ergänze ich.

Der Film ist aus, es beginnt der Abspann. Im Kino ist junges Volk, Pärchen, Cliquen. Alle stehen auf, kaum dass der Film zu Ende ist. Zurück vom Fantasy in die Realität, Jacken und Mäntel an. Nur ich sehe mir immer noch den Abspann an, um die Filmzauberei ausklingen zu lassen. Normalerweise. Diesmal aber: Alle, wirklich alle, bleiben sitzen, bis auch der Abspann vorbei ist und die Kinobeleuchtung aufflammt. Und auch dann entsteht keine Unruhe, Eile. Sie sitzen noch, quatschen, stehen langsam auf.

Was ist das? Die Magie des Films spricht mit den jungen Leuten. Sie erleben, sie haben Momente heiler Welt. Die sie in den Sitzen lässt. Bei all dem Chaos – Ukrainekrieg, Corona, Klimakrise – hier holen sie Luft. Wie anders werden sie groß als unsereins, was alles lastet auf ihrer Lebensfreude. Hier nun: Magie des Friedens und der Liebe.

Ich denke an den Menschen, der hinter diesem Film steht. Ich fühle Verbundensein. Was ich auf der Straße geschaffen habe, das schafft er auf der Leinwand. 










 

Montag, 8. Mai 2023

"Ich bin lieb." - Garant/Garantin

 

 

Auf meinen  Vorträgen erzähle ich von der Souveränität der Kinder. Ich bin mir ihrer Souveränität sicher, habe sie vor Augen, bin dafür offen. Beim Einkaufen vorgestern warte ich vor der Kasse, eine Mutter ist mit ihrer dreijährigen Tochter hinter mir. Das Mädchen wuselt herum, ist lebhaft. Die Mutter, leicht angenervt: "Sei lieb!". So weit, so bekannt.

Jetzt aber, das Kind, mit selbstverständlcher Würde, nachdrücklich, unaufgeregt, klar und deutlich, kurz und knapp: "Ich bin lieb". Voll die Souveränität! Es war einfach faszinierend!

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Themenwechsel. Beim letzten Post habe ich vom schwer zu verstehenden "Leiter ohne Leiter" geschrieben. Und dabei auf den auch nicht leicht zu verstehenden "Garanten" beim Selbst-Verantwortungs-Training (SVT) verwiesen, den ich im nächsten, also diesem Post vorstellen wollte. Hier nur die Funktion des Garanten/der Garantin beim SVT.

Dem Selbst-Verantwortungs-Trainng, einem psychodynamischen amicativen Seminar, liegt ein sorgfältig ausgearbeitetes Konzept zu Grunde.* Es gibt dabei keinen Leiter, auch keinen "Leiter ohne Leiter", wie noch im letzten Post über meine Rolle als Schulleiter beschrieben. 

Das SVT ist es noch mehr "leiterfrei". Die Teilnehmenden sind gänzlich entlassen in ihre Eigenverantwortung, sie sind ohne vorgegebene Orientierung und ohne die schützende Hand eines Trainers/Leiters/Therapeuten/Coachs. Die Verantwortung für sich selbst wird ihnen nicht abgenommen, verringert oder aufgeweicht. Niemand kann sich hinter einen zuständigen Chef zurückziehen und ihm die Verantwortung für das, was (mit ihnen) geschieht, zuschreiben - weil es eine solche leitende Person beim SVT einfach nicht gibt, und wenn mann mit der Lupe Ausschau hält...

Garant/Grantin*

Niemand weiß mit Verbindlichkeit für einen anderen, was für ihn gut ist. Das Prinzip der Selbstverantwortung lässt keinen Besserwissenden für Wachstum und Entwicklung zu als den jeweils Betroffenen selbst. Jeder Teilnehmende ist also sein eigener Selbst-Verantwortungs-Trainer. Das schließt nicht aus, dass man sich von anderen helfen lassen kann, aber auch hierüber entscheidet ein jeder selbst. Und während des gesamten Hilfsprozesses bleibt jeder selbst am Regiepult, auch wenn er einem anderen grünes Licht gibt, hilfreiche Ideen einzubringen. Selbst-Verantwortungs-Training hat somit keinen Leiter, Moderator, Facilitator oder sonstigen Trainer.

Selbst-Verantwortungs-Training ist jedoch nicht nur eine Selbsthilfegruppe ohne Leiter. Beim Selbst-Verantwortungs-Training ist eine Person dabei, die das Selbstverantwortungsprinzip verinnerlicht hat. Sie wird „Garant“/„Garantin“ genannt. Der Garant fühlt die Selbstverantwortungsidee als existenzielle Größe in sich. Seine Anwesenheit bedeutet, dass durch eine (seine) Person das Selbstverantwortungsprinzip unter den hier zusammengekommenen Menschen präsent ist.

Der Garant ist nicht Garant in dem Sinn, dass er den anderen Teilnehmenden dafür einzustehen hätte, dass sie dies oder das lernen. Er ist nicht Garant für persönliches Wachstum und Entwicklung. Hierfür liegt die Kompetenz bei jedem einzelnen selbst. Er ist Garant für die Selbstverantwortungsidee: Wenn er teilnimmt, wird diese Idee verlässlich durch seine Person präsent sein. Auch andere Teilnehmende können sich als Garanten erweisen oder sich zu Garanten entwickeln.

Nur: Um ein Selbst-Verantwortungs-Training zu realisieren und nicht eine andere psychodynamische Gruppe, muss (mindestens) von einer Person, die Selbstverantwortungsidee verstanden und verinnerlicht worden sein.Hierbei ist es nicht von Bedeutung, wie sich diese psychische Disposition in konkretem Verhalten äußert. Der Garant wird das tun oder nicht tun, was er gerade tun oder nicht tun will – hier ist er ein Teilnehmender wie jeder andere. Entscheidend ist seine (Selbstverantwortungs)Haltung.

Es ist gänzlich die Sache der anderen Teilnehmenden, wie sie mit dem Garanten, seiner Haltung und seinem Verhalten umgehen wollen. So wie es auchseine subjektive Sache ist, wie er mit ihnen umgehen will. Er ist nicht der Leiter der Gruppe: er ist ein Teilnehmender! Aber eben ein Teilnehmender, der diese spezifische Haltung verinnerlicht hat und der damit das psychische Klima der Gruppe um diese Dimension erweitert.

Erfahrungsgemäß gibt es in der Gruppe Probleme mit der Funktion des Garanten. Immer wieder wird er doch als Leiter gesehen, als jemand, der den anderen zu mehr Selbstverantwortlichkeit verhelfen kann und soll. Es lässt sich jedoch ebenfalls immer wieder feststellen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt das Verständnis für die Funktion des Garanten spürbar vorhanden und damit die Sichtweise eines Leiters deutlich überwunden ist. Mal früher, mal später. Dies geht einher mit dem zunehmenden Gespür der Teilnehmenden für ihre Selbstverantwortung, die in Wirklichkeit ja niemals von einem anderen kommen kann, sondern nur in jedem selbst lebt und nur von jedem selbst erspürt werden kann.


* Konzept des Selbst-Verantwortungs-Trainings, zu beziehen beim Amication - Förderkreis e.V. Zu finden auch auf der Website/Homepage des Förderkreises www.amication.de.


 

 


Montag, 1. Mai 2023

Leiter sein ohne Leiter sein

 


 

Als ich vor einigen Jahren gefragt wurde, ob ich für kurze Zeit die Leitung einer Freien Schule übernehmen könnte, habe ich zugesagt und war ein halbes Jahr lang Schulleiter. Die Schule hatte sich nach riesigem Ärger mit dem bisherigen Schulleiter, dem schließlich gekündigt wurde, auf eine kollektive Schulleitung durch die Lehrerinnen und Lehrer verständigt. Aber sie brauchten einen offiziellen Schulleiter für die Behörde. Der Elternverein fragte mich an, und ich wusste, worauf es ankam:

Der neue Schulleiter, also ich, durfte die Eigenverantwortung der Lehrerinnen und Lehrer, die ja die Leitung ihrer Schule gemeinsam übernehmen und managen wollten, nicht beeinträchtigen, nicht gefährden. Auch nicht subtil gefährden. Ich durfte also gar kein Schulleiter sein, obwohl ich Schuleiter war. Wie das ging?

Ich war nicht vor Ort, nicht real präsent. Die Kommunikation lief über den Elternverein, keine Lehrerin und kein Lehrer kannte mich. Niemand wusste, wer ich war und wie ich aussah. Und ich tat keinen einzigen Schritt in diese Schule: denn allein meine Präsenz, und wenn es auch nur eine Stunde in der Woche wäre, hätte das Bewusstsein der Lehrenden, kollektiv die Schule zu leiten, beeinflusst und ihre Eigenverantwortlichkeit zum Einsturz gebacht. Denn: ein Leiter ist ein Leiter ist ein Leiter. Also blieb ich brav zu Hause, auch wenn meine Papiere bei der Behörde vorgelegt waren. Was formal unproblematisch war, weil die Satzung der Schule eine kollektive Schulleitung vorsah. Mit formalem Leiter. 

Das klappte sehr gut, die Schule funktionierte super. Eines Tages dann luden mich die Lehrerinnen und Lehrer zum Kennenlernen bei Kaffee und Kuchen ein. Sie waren neugierig auf mich geworden und wollten mich kennenlernen. Ich bestand auf neutralem Boden (kein Schritt in die Schule!), wir trafen uns in einem Versammlungsraum eines Restaurants. Da sahen wir uns dann zum ersten mal - und sie hielten schon die Luft an, als ich dann leibhaftig vor ihnen stand! 

Aber sie merkten schnell, dass ich sie wirklich nicht, auch nicht heimlich und subtil, als "Untergebene" eines Schulleiters sah. Obwohl ich ja der Schulleiter war! Es war ein bisschen Zauberei, Wu Wei - Tun ohne Tun. Und nach einiger Zeit konnte ich mich dann zurückziehen, die Lehrerinnen und Lehrer wählten aus ihren Reihen einen neuen formalen Schulleiter.

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Die Situation erinnerte mich an den Garanten des Selbst-VerantwortungsTrainings, von dem ich in den letzten Posts berichtet habe. Garant: auch so eine Funktion, die nicht leicht zu verstehen ist. Und die - besonders schwierig - gänzlich ohne Leitersein daherkommt. Dazu mehr beim nächsten Post!

 


Montag, 24. April 2023

Die Kümmer-Verantwortung und die Missions-Verantwortung

 


Auf dem Seminar vorige Woche ging es mal wieder um die Verantwortung, die Eltern für ihre Kinder haben. Mein „Ich bin nicht für Kinder verantwortlich“ kam nicht so gut. Ich stand als jemand da, der sich nicht um Kinder kümmert. Lieblosigkeit und unrealistisches Hängenlassen standen im Raum. Da habe ich dann klar gemacht, wie ich das meine und was es mit der Verantwortung und der Selbstverantwortung so auf sich hat.

Die Zuhörenden sind bei der Verantwortungsthematik in einem anderen Nachdenken unterwegs als ich, wenn ich vom „Ich bin nicht für Kinder verantwortlich“ spreche.

Zwei Nachdenk-Räume also. Das kann ich thematisieren, aussprechen, klarmachen, und das tue ich auch, damit das Gespräch überhaupt richtig funktioniert.

„Ich erziehe Kinder nicht“ – auch so ein Satz, der in die Irre führt, wenn ich seinen konstruktiven Hintergrund nicht gleich mit vermittele. „Unrealistisch, antiautoritär, der spinnt doch“ ist dann ein schnelles Urteil. Dabei ist es weder unrealistisch noch antiautoritär noch gesponnen, sondern etwas sehr Sinnvolles. Wie bei der Verantwortungsthematik.

Für eine Klarstellung gebrauche zwei verschiedene Vor-Worte:

 

Die Kümmer-Verantwortung

Die Kümmer-Verantwortung: Ich kümmere mich um alles möglich. Die Kinder, das Fahrrad, den Arzttermin, die Katze, endlos. Da passt das „Ich bin verantwortlich für“ gut: Ich bin für die Kinder verantwortlich (kümmere mich um sie), damit sie sich wohl fühlen. Ich bin für das Fahrrad verantwortlich (kümmere mich um es), damit es sicher fährt. Ich bin für den Arzttermin verantwortlich (kümmere mich um ihn), damit ich ihn nicht verpasse. Ich bin für die Katze verantwortlich (kümmere mich um sie), damit sie was zu futtern hat. Ich bin für Endlos verantwortlich (kümmere mich darum), damit es gut endet. – Hier gehen alle mit.


Die Missions-Verantwortung

Sie ist nicht leicht zu verstehen und zu erfühlen. Sie taucht nicht auf am Horizont der Wahrnehmung, wenn es um die Kinder geht. Sie enthält nämlich einen versteckten, untergründigen Machtwillen und einen gutgemeinten, gouvernantenmäßigen Herrschaftsanspruch, beide so selbstverständlich, dass sie nicht bemerkt werden. Es gibt keine Sensibilität dafür, dass im „Ich bin für Kinder verantwortlich“ etwas Übergriffiges, Verletzendes, Herabsetzendes stecken kann. Diese Missions-Verantwortung gehört in unserer Kultur ganz automatisch zu unseren Umgang mit Kindern, und sie wird nicht als Anmaßung erlebt – sondern als sinn- und liebevolle Fürsorge.

Was meine ich mit der Missions-Verantwortung? Ein Beispiel für eine solche Anmaßung und ihre Überwindung: „Männer sind für Frauen verantwortlich, weil die Frauen das nicht selbst sind. Männer sind in bester Absicht und voll Fürsorge für die Frauen unterwegs. Männer wissen, was für Frauen gut ist.“ Diese patriarchalische Missions-Position ist heute von den Männer erkannt und überwunden. Nicht bei allen, aber immerhin. Männer haben verstanden: Frauen sind selbstverantwortlich. Was ja ein Sorgen und Kümmern ohne Missionshaltung nicht ausschließt.

Wenn das „Ich weiß, was für Dich gut ist“ mit einem Macht-, Missions- und Herrschaftsimpuls daherkommt, wie richtig ein solches Wissen und Kümmern auch sein mag, dann ist so etwas vergiftet. „Ich weiß, was für Dich gut ist, denn ich bin für Dich verantwortlich und kümmere mich um Dich“ – wenn diese Denkwelt mit einem missionarischen Darüberstehen über dem anderen daherkommt, dann kann man sagen: das geht ja auch nicht anders. Jedenfalls in Bezug auf Kinder geht es nicht anders. Oder man kann sagen, und das sage ich: das geht sehr wohl anders, auch im Zusammensein mit Kindern. Und dann beginnt meine Argumentationswelt:

Jedes Lebewesen trägt für sich selbst Verantwortung, von Anfang bis Ende. Wer das nicht so sieht, wird von dem Lebewesen, von dem er das nicht sieht, als Übergriffiger, Mißachter, unguter Missionar, Herabsetzer und Unterdrücker erlebt. Wenn jedes Lebewesen eine solche Selbstverantwortung denn hat – was aber meine Position ist. Ich sage: Jedes Lebewesen hat diese Selbstverantwortung – mithin auch menschliche Lebewesen, von Beginn (Zeugung) bis Ende (Tod). Mithin auch Embryos, Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche, Heranwachsende, Erwachsene, Senioren, Pflegebedürftige, Sterbende.

Und von daher ist ein „Ich bin für Dich verantwortlich“, bei dem das „Du bist es nicht (noch nicht, nicht mehr)“ mitschwingt, ungut und destruktiv. Was ich nicht mitmache. Von daher kommen Respekt vor und Achtung für die Selbstverantwortung des Kindes. Ich bringe das mit dem Statement „Ich bin nicht für Kinder verantwortlich“ zum Ausdruck, und füge gleich zum Verstehen hinzu: „Weil die Kinder das selbst sind.“

Ich kümmere mich um Kinder, bei allem und jedem, was gekümmert sein will. Von der Windel bis zur Hustenmedizin. „Ich bin für Dich verantwortlich – Deine Windelhygiene, Deine Lungengesundheit.“ So weit, so klar: Die Kümmer-Verantwortung.

„Ich bin nicht für Dich verantwortlich – Deine Windelhygiene, Deine Lungengesundheit“. Auch klar. Die Missionsverantwortung wird mit diesem Statement abgelehnt. Somit: „Ich bin nicht für Kinder verantwortlich, weil die Kinder das selbst sind.“ Menschenkinder sind selbstverantwortliche Wesen wie alle lebenden Organismen, von Anfang an.

Wie sie das dann alles so hinbekommen, diese Selbstverantwortlichen? Sie nutzen – in ihrer Verantwortung – ihre Ressourcen: Plazenta, Mama, Papa, Gesellschaft. Und Plazenta, Mama, Papa, Gesellschaft geraten in Resonanz und geben den Kindern, was diese brauchen und einfordern. Oder verweigern, stoppen, begrenzen das, was die Kinder wollen. Sie kümmern sich, aus ihrer Kümmer-Verantwortung heraus. Und das können sie tun ohne Missions-Verantwortung. Wenn sie es denn schaffen … und diesen subtilen Adultismus überwinden.










Montag, 17. April 2023

Selbstverantwortung üben

 

 

Im letzten Post habe ich über das Selbst-Verantortung-Trainng geschrieben. Das zentrale Element dieser psychodynamischen Übung ist das "Selbstverantwortlich sein". Ich stelle es vor: 

 

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Die Entfaltung der Selbstverantwortung findet in den Gruppensitzungen statt. Hier sind Menschen zusammengekommen, die mit Hilfe einer speziellen Psychodynamik lernen möchten, ihre Selbstverantwortlichkeit neu anzuwenden. Das Zusammensein mit den anderen in der Gruppensitzung konfrontiert die einzelnen immer wieder mit diesen Fragen: Was will ich hier eigentlich – in diesem Kreis? Wie kann ich hier das tun, was ich will? Was will ich wirklich?

Die vielen kleinen und großen Geschehnisse einer Gruppensitzung setzen jede und jeden Teilnehmenden einem Ansturm von Entscheidungssituationen aus. Dabei erleben sie immer aufmerksamer, dass tatsächlich jede und jeder einzelne für alles und jedes, was sie hier tun oder lassen, selbst die Verantwortung tragen:

Soll ich auf dem Stuhl oder auf dem Kissen sitzen?

Will ich, dass das Fenster offen oder geschlossen ist?

Soll das Licht ein oder ausgeschaltet sein?

Soll ich diese Frage stellen?

Diese Antwort geben?

Diesen Wunsch äußern?

Diesem Vorschlag folgen?

Diesem Gespräch weiter zuhören?

Diesen Dialog unterbrechen?

Dieses Gefühl mitteilen?

Was will ich wirklich?

Die Gruppensitzung ist voller Chancen, sich selbst immer wieder als die und den eigentlich Verantwortlichen für das eigene Verhalten zu entdecken: So wird die Selbstverantwortung in kleinen und kleinsten Schritten nebenbei und unthematisiert trainiert.

Beim Selbst-Verantwortungs-Training gibt es neben den Gruppensitzungen sitzungsfreie Zeiten (Mahlzeiten, Pausen). Sie sind wichtige Zeiten für die Gesamterfahrung. Die Teilnehmenden können die Pausen so nutzen, wie sie es gern wollen. Spazierengehen, lesen, Musik hören, ausruhen, schlafen, sich austauschen. Gespräche und Begegnungen in den Pausen erfolgen nach Sympathie und Interesse.

Ein jeder ist auch in Bezug auf die Seminarzeiten selbstverantwortlich. Die Sitzungszeiten werden auf einem Zeitplan ausgehängt. Jede und jeder entscheiden für sich, ob sie überhaupt, pünktlich oder später kommen.

Das Verlassen einer Gruppensitzung wird ebenso selbstverantwortlich realisiert. Wer eine Unterbrechung benötigt, kann das jederzeit tun. Während beim Unterbrechen jemand seinen situativen Einfällen folgt, fahren die anderen in der Gruppensitzung mit dem psychodynamischen Lernen fort.

„Soll ich weiter an der Gruppe teilnehmen oder nicht?“ Jede und jeder legen den Umfang ihres Trainings selbst fest. Während die einen nicht genug von der Psychodynamik der Gruppe bekommen können und ihnen jede Sekunde wichtig ist, schätzen andere die Möglichkeit des Rückzugs und die Situation außerhalb der Gruppe. Und alle haben auch stets die Möglichkeit, das psychodynamische Lernen in der Gruppe wieder aufzunehmen.

 

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Selbst-Verantwortungs-Training, Wochenend-Seminar 17.-29. November 2023 in Sprockhövel bei Dortmund.

Leitung Hubertus von Schoenebeck

Information und ausführliches Konzept beim Amication – Förderkreis e.V.




 


 

Montag, 10. April 2023

Selbst-Verantwortungs-Training



Seit vielen Jahren führe ich das "Selbst-Verantwortungs-Training" durch. Jetzt habe ich das Konzept aktualisiert und stelle den Anfang des Textes vor. Das gesamte Konzept schicke ich gern auf Anfrage per E-Mail-Anhang (PDF) zu. Meine E-Mail-Adresse: amication@t-online.de


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Wie jeder Organismus hat auch der Mensch die Energie, sich in der Umwelt zu behaupten und sich für die eigenen Bedürfnisse einzusetzen. Und wie jedes Lebewesen spürt auch jeder Mensch selbst am besten, was für ihn gut ist und was ihm schadet. Diese Fähigkeiten werden dem Menschen von der Natur mitgegeben. Von Anfang an entfaltet sich die von innen kommende Kraft, das Leben nach den eigenen Kriterien zu gestalten und für sich selbst Verantwortung zu tragen. Selbst Verantwortung für sich zu tragen ist den Menschen als wichtige Voraussetzung für eine sinnvolle und glückliche Lebensführung mitgegeben. 

Doch die Tradition erkennt im Menschen nicht ein Wesen, das von Anfang an in der Lage ist, für sich verantwortlich zu sein. Die Wirklichkeit der Kinder ist voller Erwachsener, die sagen: „Ich weiß besser als Du, was für Dich gut ist!“ Das traditionelle „Ich bin für Dich verantwortlich“ verhindert die Entfaltung der mitgebrachten Selbstverantwortungsfähigkeit in der Kindheit. Den Menschen geht dadurch eine wichtige Zeit verloren, in der sie lernen können, diese innere Kraft wahrzunehmen und als Kompass für alle Situationen des Lebens zu benutzen.

 Dieser Erfahrungsverlust bleibt nicht ohne Folgen. Wer ein Kinderleben lang gelernt hat, dass nicht er selbst für sein Leben die Verantwortung tragen könne, sondern dass andere für sein Glück und Leid zuständig seien, trägt diese Abhängigkeit in sein Erwachsenenleben. Er wird leicht zum Spielball fremder Interessen, Werte und Normen, und es fehlt ihm die Kraft, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und durchzusetzen.

Über diesen Zusammenhang klärt die postpädagogische Weltsicht (Amication) auf. Jeder kann dadurch bemerken und erkennen, dass er in der Kindheit am eigenen Ich vorbeigeschleust wurde. Und jeder kann heute die Verantwortung für sich selbst wieder zur uneingeschränkten Basis seines Lebens machen.


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Das Selbst-Verantwortungs-Training unterstützt die Entfaltung der Selbstverantwortung durch eine besondere Form der psychodynamischen Gruppenarbeit und gehört zu den Hilfen, die es im Rahmen der Humanistischen Psychologie gibt.

Die postpädagogischen Aussagen zur Selbstverantwortung werden auf spezifische Art und Weise so in einen gruppendynamischen Prozess eingebracht, dass die Teilnehmenden intensiv erleben und fühlen können, was es bedeutet, für sich verantwortlich zu sein.

Durch das Selbst-Verantwortungs-Training gewinnen die Teilnehmenden ein klareres Bewusstsein davon, was ihnen tatsächlich wichtig ist und wie sie es Wirklichkeit werden lassen können.

Die Selbstverantwortung wurde in der Kindheit unterdrückt. Beim Selbst-Verantwortungs-Training wird dieser negativen Erfahrung entgegengewirkt. Die Teilnehmenden erleben, wie sie mit gleichgestellten, gleichwertigen Personen im Kreis sitzen – wie in ihrer Kindheit. Damals trafen sie sich als Kinder im Versteck, verschworen und verborgen vor den Erwachsenen, um den eigenen Gefühlen und den eigenen Wahrheiten zu folgen. Heute kommen sie zusammen, um das Gefühl für die eigenen Wichtigkeiten gemeinsam wieder zu beleben und zu trainieren.

Die Teilnehmenden erleben sich in ähnlicher Weise als grundlegend loyale und solidarische Gefährten wie damals. Gemeinsam wehren sie sich gegen Behinderungen, die längst verinnerlicht sind.

„Du kannst für Dich nicht selbst die Verantwortung tragen – Wir sind für Dich verantwortlich – Wir wissen, was für Dich gut ist – Wir sagen, was Du tun und lassen musst – Wir haben recht – Sieh das ein“: Diese Grundposition der Eltern und Erzieher zersetzte damals das eigene Selbstverantwortungsgefühl und verfestigte sich zum Misstrauen sich selbst und den anderen gegenüber. Minderwertigkeitsgefühle und Ohnmacht gegenüber dem Herrschaftsanspruch anderer wurden die Folgen für den Erwachsenen.

Beim Selbst-Verantwortungs-Training wird gemeinsam gegen diese tief wirkenden Strukturen Front gemacht und mit Hilfe der anderen eine befreiende Gegenerfahrung gewonnen: die Teilnehmenden beginnen ihrer Selbstverantwortung mehr und mehr zu folgen und den damals aufgegebenen Glauben an sich selbst zurückzuerobern.


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Selbst-Verantwortungs-Training, Wochenend-Seminar 17.-29. November 2023 in Sprockhövel bei Dortmund.

Leitung Hubertus von Schoenebeck

Information und ausführliches Konzept beim Amication – Förderkreis e.V.













 

Montag, 3. April 2023

Mein neues Buch ist da! * Prolog

 

 

Mein neues Buch "Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen" ist erschienen. Vor 10 Jahren hatte ich zum ersten Mal die Idee, meinen Vortrag über das "Unterstützen statt erziehen" zu Papier zu bringen und erste Texte geschrieben. Dann blieb das Buchprojekt liegen, bis ich es vor drei Jahren wieder aufgriff. Ich hatte verschiedene Konzepte, wie ich das in Angriff nehmen sollte, es gab viele Versionen. Nach und nach schälte sich dann die Fsssung heraus, in der jetzt vorliegt.

Das letzte Jahr war vom Feinschliff gekennzeichnet, und nach der ersten Druckversion vor sechs Monaten kamen die Rechtschreibkorrekturen und die inhaltlichen Verbesserungen dran. Der letzte Fehler, der erwischt wurde, war ein fehlendes "d": Da stand doch tatsächlich "leuchtenviolett" statt "leuchtendviolett". Wie oft habe ich das überlesen!  

Auf der Website des Amication - Förderkreises www.amication.de wird das Buch ausführlich beschrieben. Es wird auch das Inhaltsverzeichnis vorgestellt und es gibt eine Leseprobe. Bei Medien/Literatur der Website. 

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"Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen"

Taschenbuch, 296 Seiten, ISBN 978-3-88739-034-1, 16.- EUR

E-Book, 296 Seiten, ISBN 978-3-88739-035-8, 3,99 EUR

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In meinen Buch geht es um die Erwachsenenperspektive und die Kinderperspektive. Der Prolog fängt dies ein:


Prolog 

Honig, pures Glück

»Hast Du genascht?«

Das Honigglas steht auf dem Tisch vor mir, es ist offen, der Deckel liegt auf dem Tisch. Der Finger, der eben noch süß im Mund war, ist blitzschnell verborgen in der anderen Hand. Ich bin gelähmt, erstarrt. Die Sonne, das Licht, die Bienen, der Garten draußen mit all den Blumen und den Düften, die klangvolle Sommerwelt: aus. Eine dunkle Wolke dringt von der Stimme des Großen hinter mir in die Küche.

»Ich sehe doch, dass Du genascht hast!«

Ich will all das schützen, bewahren, bergen. All das, was gut, heilig, schön, prächtig, liebevoll ist. Den Honig im Glas, die zigtausend Bienen, die mir ihr Geschenk gemacht haben, die Freude, die vom Mund aus in mich hineinzieht, der erfüllte Wunsch, die Verheißung: Du kannst glücklich sein. Honig, pures Glück.

»Nein.«

Ich will mir das nicht entreißen lassen, wegstehlen lassen, schlechtreden lassen. Ich bin im Rosenland unterwegs, im Honigland, im Lichtland. Diese verhexende Dunkelheit in meinem Rücken, ich spüre ja, wie sie stärker wird, der Schicksalstornado rast heran. Ich kenne das ja, ich werde mitgerissen werden, zerschellt irgendwo stranden, zerschlagen, gedemütigt, herabgesetzt, vertrieben.

»Zeig her!«

Die Finger der Bergehand werden aufgestemmt, der Honigfinger triumphierend hochgerissen, Beweis meiner Unartigkeit, Türöffner für die folgende Seelenfingerei. Grenzüberschreitung, Willkür, Gehirnwäsche. Ich bin chancenlos, ich bin ausgeliefert, mein Herz, meine Seele, meine Liebe: beiseite gestoßen, Pech und Schwefel über mich.

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»Hast Du genascht?«

Ich fahre erschrocken hoch … und weiß mich doch geborgen. Klar habe ich genascht, wie die Großen das nennen. Ich bin dem Honig gefolgt, der Einladung der Bienen, des Lichts und des Lebens, des Sommers und der Blumen. Er steht uns Kindern zu, dieser Honig, ein Finger voll, viele Finger, das ganze Glas. Die Wucht der Richtigkeit meines Seins und die Wahrheit des Honigs tragen mich. Die Stimme des Mädchens hinter mir schwingt ein, sie ist so süß wie der Honig im Glas.

»Willst Du auch?«

Schnelle Schritte, Einverständnis der Herzen, leuchtende Augen, wir lachen, und es tut gut. So viel Friede, so viel Freude. So viel Vertrauen, so viel In-die-Seele-Sehen. Ja, wir sind auch verschmitzt. Wir wissen schon, was die Großen davon halten. Aber sie sind fern, wir sind geschützt durch die Macht des Honigs und durch unseren Glauben an uns selbst. Wir schließen das Glas, klettern durchs Fenster und laufen in unser Glück.