Ich bin in den Sommerferien, der nächste Post kommt Mitte September. Habt alle eine schöne Zeit!
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Ferienlektüre? Mein aktuelles Buch:
Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen. 296 Seiten. EUR 16,-, E-Book EUR 3,99
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Ferienlektüre? Mein aktuelles Buch:
Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen. 296 Seiten. EUR 16,-, E-Book EUR 3,99
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Ich war Lehrer – und ich habe selbstverständlich! auch Noten gegeben. Ohne Notengebung kein Lehrersein. Klarer Fall, kein Pardon: Ich war genauso anmaßend und unterdrückend wie jeder andere Lehrer. Ich war mir aber darüber klar, welches Unrecht da von mir ausgeht. (Warum ich dann überhaupt als Lehrer gearbeitet habe, ist eine andere Frage.) Und mit diesem Bewusstsein konnte ich etwas erkennen, was "normalen" Lehrern verborgen ist. Und ich habe auch anders gehandelt, ein bisschen wenigstens... Aus meinem Schultagebuch*:
Große Debatte mit einer Gruppe von zehn Kindern (6a) die ganze Stunde über. Es geht um meine Notengebung. "Warum gibst Du Elisabeth keine Zwei, wo sie doch Zwei steht, wie Du selbst sagst?". Ich erkläre, dass es nicht gestattet ist, jemandem eine Zwei zu geben, wenn er auf dem letzten Zeugnis eine Fünf hatte. Und dass die Note am Ende des Schuljahres eine Gesamtnote für das ganze Schuljahr ist, dass also die Frühjahrsnote mit berücksichtigt werden muss. Aber das interessiert sie nicht.
Sie lassen sich nichts vormachen, wenn es um ihre Interessen geht. "Wenn Du meinst, dass sie eine Zwei kriegen kann, dann steht ihr das zu." Sie haben ihre eigenen Bezugsgrößen und Relevanzkriterien, die ihnen Auskunft darüber geben, was gut für sie ist und was nicht.
Ich trickse dann, um ihr die Zwei doch geben zu können. "Ja, da gibt es eine andere Regel, die sagt, dass man die bei einer Konferenz eingereichten Zensuren nicht mehr ändern darf." Die Begründung interessiert sie nicht, sie sind zufrieden, dass Elisabeth ihre Zwei bekommt. Mir aber ist sauunwohl dabei, der so nicht gültigen Vorschrift und der Kollegen wegen. Ich tröste mich damit, dass es nicht an die große Glocke kommen muss.
Und in mir kommt Wut über diesen ganzen Notenquatsch hoch. Selbstverständlich sind die Noten, die ich ihnen verpasst habe, von mir subjektiv zusammengebraut. Diese blödsinnigen Ansichten über "objektive" Notengebung! Derartige Beurteilungen sind Herrschaftsausübung, Kommunikationsvernichter, schlicht widerliche Angelegenheiten, inhuman. Wer anders darüber denkt, weiß nicht, was Sache ist bei denen, die das alles ertragen müssen. Und natürlich bin ich dafür, überhaupt keine Noten zu geben, all das "Ich weiß was über Dich" schleunigst sein zu lassen und statt dessen in ehrliche und gleichwertige Kommunikation einzutreten.
Mit der 5c bespreche ich die Noten auf dem Rasen. Ich gehe deswegen extra nach draußen. Es ist eine abgesicherte Gelegenheit, rauszugehen.
Mit vielen geht es schnell. Ich setze die Noten nach Gefühl fest und mit Hilfe von Notizen, wer mitgemacht hat. Ich gebe keine Fünf. Das mache ich sowieso nur dort, wo ich wegen schriftlicher Arbeiten nicht anders kann, also in Mathe. Aber in Bio und Physik, wie hier in der 5c, denke ich nicht daran, diesen Superirrsinn mit den Fünfen mitzumachen. Da habe ich keinerlei Skrupel, hier kann ich echt mal etwas machen. Denn in Fächern ohne schriftliche Arbeiten kann es sich jeder Lehrer sparen, Fünfen zu geben. Wer nie mitgemacht hat, kriegt eben eine Vier und Schluss.
Bei einigen schwanke ich, sie wünschen eine bessere Zensur. Sie sollen sie haben. Bei zwei anderen bleibe ich hart. Die akzeptieren. Insgesamt bin ich mit der Sache zufrieden und denke, dass ich mit meiner Notengebung fair bin.
Zum Schluss sind sie dann besessen von der Notengeberei. Sie hängen so davon ab. Das geht mir durch und durch. Sie leben mir vor: Gute Note heißt gut sein. Oh Mann!
Letzter Schultag vor den
Ferien. In den Klassen werden die Zeugnisse verteilt. Ich denke
daran, dass dies jetzt überall im Land passiert. Noten, deren
Wirkung entweder heimlich, hinterrücks ist: Zerstörung des
Selbstvertrauens, des Setzens auf sich selbst, durch die "guten"
Noten der Erwachsenen. Oder brutal offen: Schlechte Note = schlechtes
Kind.
* H.v.S., Kinderkreis im Mai, Die Revolution der Schule, 258 Seiten, Nienhagen 2006, EUR 14,80, ISBN 978-3-88739-028-0
(Erstausgabe 1980,
Fischer-TB: „Der Versuch, ein kinderfreundlicher Lehrer zu sein“)
Ich bin beim Babysitten. Ich hole Bilderbücher zum Anschauen. Als ich ein Tierbuch aufblättere, schiebt es der Zweijährige weg. Vorher hat er genickt, als ich Bücheransehen vorschlug. Er schiebt das Buch zweimal weg, dreimal, viermal. Ärger, in mir?
Das Rad eines Neunjährigen ist platt und muss repariert werden. "Ich will fahren" - klar. "Hilfst Du?" "Ja." Er hilft auch mit. Fünf Minuten. Dann hat er keine Lust mehr. Ich soll allein weitermachen. Ärger, in mir?
Ich besuche einen Freund. Wir quatschen. Auf einmal nimmt er sein Handy und tippt drauflos. Meine letzte Frage - hat er nicht mitbekommen. Ärger, in mir?
Heute habe ich drei
Situationen erlebt, bei denen auf einmal Ärger in der Luft lag. Es
ist etwas abgemacht (Buch anschauen, Rad reparieren, Quatschen), aber
das, worauf man sich einstellt, sich einlässt, sich drauf freut,
wird gekippt. Wie geht es mir mit
solchen Geschichten?
Klar gibt es Gründe,
Zusagen nicht einzuhalten und Pläne zu ändern. In diesen drei
Geschichten hat das aber eine besondere Qualität: Ich bin in die
Änderung nicht eingebunden, sie wird mir vorgesetzt. Ich komm mir
als Spielfigur im Spiel des
anderen vor, hin- und hergeschoben.
Respektlos, würdelos.
Ärger steht vor der Tür. Klar kann ich das thematisieren, klar kann ich mich wehren. Die Bücher wegräumen, das Rad Rad sein lassen, nach Hause gehen. Mach ich auch, wenn ich mich würdelos behandelt fühle.
Ich kann aber auch anders. Also: ohne Ärger, ohne Würdekratzer. Ich kann auch gelassen, so wie ich Ärger kann. Kommt ganz drauf an, wie ich drauf bin. Gelassen: Ich weiß ja, dass jeder in seiner Welt unterwegs ist. Die ich nicht verstehen muss. Die ich aber gelten lassen kann. Kein Buch lesen - ja mei. Keine Reparaturhilfe mehr - ja mei. Keine Antwort, das Handy wird mir bevorzugt - ja mei.
Ich bin eigentlich immer angefasst, wenn ich hängen gelassen werde. Wenig Prozent oder viel Prozent. Aber Null gibt es nicht. Ich ziehe mich zurück und lass dem anderen seinen Kram. Ich kann es auch thematisieren, muss aber nicht sein. Bei dieser Handygeschichte bin ich längst im Humor: dieser Freund, wie viele andere, können gar nicht mehr anders. Irgendwie eine Zeitkrankheit.
Wenn mir etwas widerfährt, was ja gar nicht geht, was der andere aber so nicht mitkriegt: was soll ich davon halten? Will ich mit solchen Menschen zu tun haben? Soll ich mich äußern? Beschweren? Poltern oder den rechten Ton treffen? Einen Kurs in "Wie äußere ich verständnisvoll und effektiv mein Unbehagen" buchen?
Ich bin mir oft sicher,
dass die anderen genau wissen, was los ist. Vordrängeln an der
Kasse, Vorfahrt nehmen, Weggekicktwerden beim Gespräch. Sie wollen
sich nicht – ja was? Benehmen? Achtungsvoll sein? Mich ernst
nehmen? Ein weites Feld. Und ich habe keine Lust, da herumzustochern
und ein Fass aufzumachen, das mir dann um die
Ohren fliegt.
Ärger - in mir? Bei
einem Zweijährigen? Bei einem Neunjährigen? Bei einem Vertrauten?
Heute ging es für mich ohne Ärger aus. Klar, bei dem schönen
Wetter...
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Ich bin grade dabei, Zeitungen und Zeitschriften ein Ansichts- und Rezensionsexemplar meines Buches "Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen" zu schicken. Dafür habe ich einen Informationstext gechrieben: Worum geht es in dem Buch?
Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen
Intention und Zielgruppe
In meinem Buch geht es um die Würde des Kindes. Ich bin seit vielen Jahren hier engagiert, habe 2000 Vorträge und Seminare durchgeführt und etliche Bücher zu dieser Thematik publiziert. Dieses jetzt geschriebene Buch ist die Quintessenz all der Jahre. Ich möchte Eltern, aber auch pädagogische Fachleute für die Würde des Kindes sensibilisieren und die Empathie im Kinderzimmer fördern. Mein Buch soll Eltern helfen, sich vom Erziehungsdruck zu entlasten und dadurch der Erziehungstraumatisierung des Kindes entgegenwirken.
Inhalt
Es geht um das Projekt „Unterstützen statt erziehen“. Es unterscheidet sich vom traditionellen erzieherisch geprägten Umgang mit Kindern: Kinder sind vollwertige Menschen von Anfang an, sie müssen nicht erst durch Erziehung dazu gemacht werden. Ich nenne das den „postpädagogischen“ Ansatz und habe über diese Thematik zum Dr. phil. promoviert (Universität Osnabrück, 1980). Ich komme nicht antiautoritär daher, ein Nein ist ein Nein, aber das verletzende „Sieh das ein, ich habe recht“ gibt es bei mir nicht. Ich handle so wie alle Eltern – nur der seelische Grundton ist von einer spezifischen, im Buch erfahrbar vorgestellten achtungsvollen Art. „Ich bin ein vollwertiger Mensch, kein Erziehungswesen – ich brauche keine pädagogische Missionierung“: So verstehe ich Kinder, und wenn das eine freundliche Revolution im Kinderzimmer sein sollte – so ist mir das recht!
Geist, Stil, Leseabenteuer
Ich habe mit Esprit und Verve, persönlich und humorvoll geschrieben und viele, auch verblüffende Sprachbilder und manchmal surreale Erlebnis-Sequenzen geschaffen. So lasse ich auch Kinder, Babys und Embryos zu Wort kommen. Ich erzähle viel vom Erziehungshandeln, auch vom Klein-Klein des Alltags mit Kindern. Der Text hat eine eigene Dynamik und ist voller Überraschungen. Abschnitt für Abschnitt nehme ich die Leserin und den Leser behutsam mit in eine neuartige Welt des Umgangs mit Kindern – leicht zu lesen, unterhaltsam, mit Tiefgang und sehr anspruchsvoll in seiner Humandimension. Auch anrührend, aber nie übergriffig oder besserwisserisch. Ich präsentiere einen fulminanten phantasievollen Flug ins Kinderland. Doch trotz aller Märchenhaftigkeit bleibt es ein (persönlich geschriebenes) Sachbuch.
Aufbau
Das Buch besteht aus zwei Teilen. Ich beginne mit dem Wiederfinden der Kinder in meinem Lehrerstudium, berichte von meiner Verblüffung über den selbstverständlichen Umgangsmodus „Erziehung“ und führe nach und nach mit grundsätzlichen Gedanken und vielen Praxisbeispielen zu meinem Konzept „Unterstützen statt erziehen“ und seinen Implikationen. Ich runde mit Überlegungen darüber ab, dass die vorgestellten Ausführungen zum Umgang mit Kindern auch für die Erwachsenen selbst eine spezifische und emanzipatorische Bedeutung haben.
Im etwa gleich umfangreichen zweiten Teil gehe ich auf die Umsetzung und Praxis ein, die sich aus meiner Ideenwelt ergeben. Ich beantworte Praxisfragen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Vorträge. Danach berichte ich von meiner eigenen Praxis mit meinen Kindern und Enkeln und von Erlebnissen mit Kindern aus meiner Dissertation. Details aus meiner Kindheit bilden den Abschluss des Buches. Im Anhang gehe ich auf die Postmoderne und die Frage nach Gut und Böse ein.
Vor acht Jahren war ich mit den Handys meiner Kinder schwer beschäftigt. Wieviel lasse ich zu? Wann wird es mir zu viel? Was geht, was geht nicht? Bei einem Besuch bei Freunden in Polen hatte ich dann mein Aha-Erlebnis.
Diese Woche war ich mit meinem Sohn wieder einmal bei den Freunden. Ich erinnere mich, klar und deutlich sehe ich die kleine Szene vor mir. Diese Szene - eingefangen in einem Post 2017:
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Wie viel Handy, Smartphon und Co. darf in Kinderhänden sein? 1, 2, 3 Stunden am Tag? 24 Stunden? Ich habe gelernt, dazugelernt. Am besten finde heute ich die Allezeit-Position: die und auch meine Kinder geben ihrem Handysein Raum, sie bestimmen selbst über ihre Handyzeit. Allezeit. Wenn mir unbehaglich ist, sag ich das. Wenn ich es nicht mehr sehen kann, sag ich das. Was dann passiert? Mal sehen, je nachdem wie alles so spielt. Dann wird es ausgeschaltet, oder auch nicht. Dann fühl ich mich missachtet oder auch nicht. Dann geht das Abendland unter oder auch nicht. Dann hau ich auf den Putz oder auch nicht. Situation, flexibel, wenn die Sonne scheint ist es anders als wenn es regnet.
Statt Brandenburger Tor: Handy. Statt Amsel: Handy. Statt Stadt-Land-Fluss: Handy. Geht ja gar nicht! Aber wenn sie so leben? Anders: Sie leben so. Sind in ihrer Welt unterwegs. Das Tor, die Amsel, das Spiel: kommen nicht zur rechten Zeit. Jetzt kommt's: Wer bestimmt, wann rechte Zeit ist? Mein Ding? Hallo, wer bin ich denn! Die Kinder leben ihr Leben. Ich freu mich, dass sie da sind. Muss mehr sein? Mehr muss nicht sein.
Osterbesuch. Anna ist 16, voll im Handywahn. Mittagessen. Gäste - wir - sind da. Alle sitzen am Tisch, es ist festlich. Anna: nicht da. Ihre Eltern: Voll entspannt. Absolut kein Thema, die Nicht-Anna. Wir beginnen. Anna kommt. Mit Handy. Setzt sich hin, Handytime. Drei Löffel Suppe, nebenbei. Hauptmahlzeit: Handy. Und jetzt, so fantastisch, so magisch, so alle Bedenken niederreißend, so herzanrührend: sie schmiegt ihren Kopf an den Arm ihres Vaters, er hält sie, er isst weiter, er unterhält sich weiter. Mehr Harmonie geht nicht. Nach drei weiteren Löffeln geht sie wieder. Es ist so ... gut einfach.
"Es ist ihre Welt. Ihr Leben. Wir sehen ein bisschen in ihre Zukunft, 2030, 2040. Wir sind dabei. Sie gestaltet ihr Leben." Ihr Vater liebt sie, sie fühlt sich bei ihm wohl, er fühlt sich bei ihr wohl. Diese Familie hat absolut kein Handyproblem. "Macht sie auch noch mal was anderes?" frage ich. Brandenburger Tor, Amsel, Stadt-Land-Fluss. Meine Dunkelwelt reißt an mir. Ihr Vater erzählt mir, was sie alles macht: Tor, Amsel, Spiel. Sie ist kein Alien. Sie ist Anna. Ein ganz normales Kind.
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Und Anna heute? Ist weltoffen, hat ihr Abitur gemacht und studiert. Ein ganz normales Kind.
Ich bin mal wieder mit meiner Tochter und meinen Enkeln im Wildgehege unterwegs. Wir kommen zur Aussichtsplattform für die Wildschweine. Ich erinnere mich an das Erlebnis vor vier Jahren und stelle den Text von damals noch einmal in den Blog.
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Ich bin mit meiner Tochter und ihren Kindern im Wildgehege unterwegs.
Nach einer Weile: "Spielst Du mit mir?" Mein dreijähriger Enkel will
nicht die Tiere, nicht sein Laufrad, er will mich. Ich aber will mich
grade ausruhen, ein bisschen herumgehen, ein bisschen Quatschen, ein
bisschen Tiere, ein bisschen Family. Aber Spielen? Das braucht
Konzentration, Aktion, Fantasie und Geduld. Was will ich?
Ich höre meinen Wunsch nach ruhiger Kugel, ich höre seinen Wunsch nach mir. Was Ende der Kugel heißt, was Kinderwelt heißt, irgendwie anstrengend. Ok, sage ich mir, na gut, und ich lass mich breitschlagen, fühl mich auch vom Kinderwunsch geehrt und vom Kind gemocht. Ich schließe meine Ruhetür und öffne die Spieltür.
Erst gibts ein Versteckspiel. Hinter den Bäumen und Büschen. Das ist lustig. Dann sind wir oben auf der Aussichtplattform für die Wildschweine. Da liegt ein Stock rum, schon gibts Angelspiel. Fische werden an Land gezogen. Im Herd gebraten, mit Öl. Und gegessen, mit Zitrone und Petersilie. Mindestens 20 Fische werden geangelt. Dann nochmal Verstecken. Das Ganze dauert eine halbe Stunde, danach wandern wir alle zurück zum Parkplatz.
"Spielst Du mit mir?" Das ist eine der schönen Fragen des Lebens. Wenn ich diesem Anruf folge, löst er mich aus meiner Ichwelt und bringt mich in die Wirwelt. Das ist zur richtigen Zeit, das ist zur falschen Zeit, das ist beglückend, das ist anstrengend - so, wie es gerade kommt.
Es ist so was wie Zeitverschwendung dabei. Überflüssiges. Kinderkram eben. Und es ist Erhabenes dabei, Wahrheit, Sinn. Ist Spielen nicht wichtiger als meine ganzen Alltagsaktivitäten und Geschäftigkeiten? Es ist wichtiger, aber das Spielen hat nicht oft die Chance. Heute aber war sie da, diese Lebenschance, ergriffen, erlebt, erfüllt.
"Spielst Du mit mir?" Wenn das Leben das an mich heranträgt und wenn ich das merke: dann ist es grandios. Dann beschwingt es mich, macht alles leicht, freundlich, unkompliziert. Ich lasse mich fallen in den Augenblick.
Wie immer geht es um die Frage, wer ich sein will. Ich entscheide das. Aber ich will auch gefragt und gelockt sein. Wenn ich ernsthaft und denkgelähmt unterwegs bin, hat das Spielen es schwer. Doch die Leichtigkeit des Seins gibt nicht auf, sie ist ja da, und umgarnt mich, hält zu mir, fängt mich ein - und ihr nachzugeben ist himmlich. Ich muss nur den Schritt durch die Spieltür hinbekommen. Bei den Kindern. Bei den Freunden. In der Partnerschaft (!).
Und das alles ist ja nicht "nur ein Spiel". Es ist Herz, Vertrauen und Liebe. Es sind die Momente, die in meinem Lebenstagebuch mit einem Stern versehen werden. Mein Enkel hat mich heute in diese Sternenwelt hineingezaubert.
"Jeder - auch so ein Täter - ist ein Ebenbild Gottes". Einer meiner Standards zu Beginn des Diskutierens. Wobei klar ist, dass es jetzt nicht um das Opfer geht, dem mein Mitgefühl/Trauer gilt, sondern um den Täter. Und unsere eigene Position ihm gegenüber.
Wo bin ich, wenn ich diesem Menschen gegenüber Position beziehe? Wer bin ich, wenn ich diesem Menschen gegenüber Position beziehe?
Ich erlebe, dass die Leute vor mir in einem Raum der Verurteilung, des Entrüstens, des Entsetzens unterwegs sind. Der Täter ist ein Bösewicht, das ist klar. Ein Ebenbild Gottes? Absurd. Wenn ich das Ebenbild ins Spiel bringe, wird mir Durchgeknallt und Sympathie mit dem Teufel rübergereicht.
Abgesehen davon, dass ich von der Ebenbildgeschichte überzeugt bin (und, um das gleich hinzuzufügen: was mich nicht hindert, so einen Täter - wenn ich das kann - auszuschalten, einzusperren etc.) - abgesehen also davon, dass der Täter für mich immer ein Ebenbild Gottes ist und bleibt:
Die Leute vor mir sind in einem dunklen Raum unterwegs, eingefangen in Grusel, Böse, Rachegedanken. Ihr Mitgefühl und Schmerz vertrübt sie, lässt das Licht gehen, wirft Schatten. Kälte, Kochen vor Wut, Empörung. Wobei sie sich auf der guten Seite verorten. Und: von Friede keine Spur. Friede in mir, im Herzen, in der Begegnung, Auseinandersetzung, Positionsbeziehung dem Täter gegenüber: keine Spur. Sie sind die Guten, er ist der Böse.
Und und Aber: sie werden dabei in Schatten versetzt. Und genau das ist nicht mein Ding. Ich lass mich nicht (mehr) in die Schattenwelt ziehen/treiben. Ich bin ein Sonnenwesen. Der Großraum, in dem ich unterwegs bin, ist voll Licht.
Eingebildet! Obermoralisierer! Machtgeil durch Gutsein! Ja mei, was soll's. Keiner muss mich mögen. Und weiter: Was soll das, sich bei Gruseligkeiten auf die dunkle Seite zu begeben? Das macht doch krank im Herzen! Ich sage den Leuten vor mir so etwas. Manchmal kommt etwas über. Die Kraft des Lichts.
Eine Brücke ist dann, dass ich sie frage, wie das mit der Verzeihung ist. Na ja, da wollen sie erst ordentlich verurteilt haben, das Ebenbild als Teufel entlarvt haben. Dann können sie über Verzeihung nachsinnen. Und dann können sie wieder ins Licht gehen. Mit diesem Umweg.
Mein "Jeder ist ein Ebenbild Gottes, also auch der Täter" ist zu schwere
Kost. Sie spüren das Böse, sie nehmen Witterung auf. Und sie misstrauen
sich selbst, fürchten, dass das Böse aus ihnen hervorbrechen könnte,
sind in existentieller Bösefurcht. Tja - ich kann sie ja nicht ändern.
Aber so ein bisschen Heilerei find ich auch nicht schlecht. Wenn es dem
einen oder anderen hilft und ihn auf den Licht- und Friedenspfad
verlockt: da bin ich doch zufrieden.