Eine Studentin schrieb nach ihrem Besuch unseres Familienseminars:
Amication hat viel mit Vertrauen zu tun, eine wirkliche amicative Beziehung – und nicht nur zu Kindern – braucht eine wirkliche Vertrauensbasis.
Joschas Augen dürfen nicht zu viel der Sonne ausgesetzt sein, deswegen trägt er eine Schirmmütze. Im Laufe des Nachmittags beobachte ich einige Male, wie seine Mutter ihm die Mütze, die er im Spieleifer verloren hat, wieder aufsetzt. Sie tut es beiläufig, ohne den Unterton „Kannst Du nicht aufpassen!“, und Joscha setzt sie ebenso beiläufig wieder auf, die Angelegenheit wird nicht zum angstvollen Problem.
Vertrauen darauf, dass die Mütze ihm wirklich nur aus Versehen herunterfällt, und vertrauen darauf, dass seine Mutter einen Grund hat, sie ihm wieder aufzusetzen.
Wenn ich Kindern aber plötzlich etwas zutrauen muss, was ich ihnen in Wirklichkeit gar nicht zutraue, dann wird es anstrengend – und unecht. Sich in gegenseitigem Wechselspiel „Ich tue nur, was ich will, Du musst nur das Gleiche tun“ zuzurufen, scheint nicht auszureichen. Amication hat ebenso viel mit Sensibilität zu tun, Situationen müssen immer wieder neu erspürt werden – ganz subjektiv und ohne aufgesetzten Maßstab.
Ich kann amicatives Verhalten nicht inszenieren und nicht darstellen, nicht zeigen, dann wird es zum Zwang. Ich kann den amicativen Anspruch intellektuell formulieren ohne ihn intuitiv begriffen zu haben.
Jeder Mensch weiß, was für ihn das Beste ist, und ist auch in der Lage, dies zu signalisieren – wenn wir darauf hören. Darauf hören können – und wollen.
Am Tisch sitzt Norbert mit seinem Baby, unterhält sich mit einer weiteren Teilnehmerin, sie blättert im Buch „Unterstützen statt erziehen“. Das Baby hält in der einen Hand seine Flasche und trinkt genüsslich, während es mit der anderen über sich greift, Norberts Gesicht streichelt, durch seine Haare fährt und dem Gespräch zu lauschen scheint, ohne es zu stören. Es herrscht auch hier diese entspannte, zärtliche Beiläufigkeit.
Man spürt das gegenseitige Vertrauen. Eigenverantwortung nicht in Frage stellen, sich nicht mit erzieherischem Zeigefinger und einem „Ich weiß besser als Du, was gut für Dich ist“-Unterton über das Kind stellen – es ist wirklich eine Gefühlssache.