Montag, 29. Mai 2023

Von Fischen und Wildschweinen

 

 

Ich bin mal wieder mit meiner Tochter und meinen Enkeln im Wildgehege unterwegs. Wir kommen zur Aussichtsplattform für die Wildschweine. Ich erinnere mich an das Erlebnis vor vier Jahren und stelle den Text von damals noch einmal in den Blog.

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Ich bin mit meiner Tochter und ihren Kindern im Wildgehege unterwegs. Nach einer Weile: "Spielst Du mit mir?" Mein dreijähriger Enkel will nicht die Tiere, nicht sein Laufrad, er will mich. Ich aber will mich grade ausruhen, ein bisschen herumgehen, ein bisschen Quatschen, ein bisschen Tiere, ein bisschen Family. Aber Spielen? Das braucht Konzentration, Aktion, Fantasie und Geduld. Was will ich?
 

Ich höre meinen Wunsch nach ruhiger Kugel, ich höre seinen Wunsch nach mir. Was Ende der Kugel heißt, was Kinderwelt heißt, irgendwie anstrengend. Ok, sage ich mir, na gut, und ich lass mich breitschlagen, fühl mich auch vom Kinderwunsch geehrt und vom Kind gemocht. Ich schließe meine Ruhetür und öffne die Spieltür. 

Erst gibts ein Versteckspiel. Hinter den Bäumen und Büschen. Das ist lustig. Dann sind wir oben auf der Aussichtplattform für die Wildschweine. Da liegt ein Stock rum, schon gibts Angelspiel. Fische werden an Land gezogen. Im Herd gebraten, mit Öl. Und gegessen, mit Zitrone und Petersilie. Mindestens 20 Fische werden geangelt. Dann nochmal Verstecken. Das Ganze dauert eine halbe Stunde, danach wandern wir alle zurück zum Parkplatz. 

"Spielst Du mit mir?" Das ist eine der schönen Fragen des Lebens. Wenn ich diesem Anruf folge, löst er mich aus meiner Ichwelt und bringt mich in die Wirwelt. Das ist zur richtigen Zeit, das ist zur falschen Zeit, das ist beglückend, das ist anstrengend - so, wie es gerade kommt. 

Es ist so was wie Zeitverschwendung dabei. Überflüssiges. Kinderkram eben. Und es ist Erhabenes dabei, Wahrheit, Sinn. Ist Spielen nicht wichtiger als meine ganzen Alltagsaktivitäten und Geschäftigkeiten? Es ist wichtiger, aber das Spielen hat nicht oft die Chance. Heute aber war sie da, diese Lebenschance, ergriffen, erlebt, erfüllt. 

"Spielst Du mit mir?" Wenn das Leben das an mich heranträgt und wenn ich das merke: dann ist es grandios. Dann beschwingt es mich, macht alles leicht, freundlich, unkompliziert. Ich lasse mich fallen in den Augenblick. 

Wie immer geht es um die Frage, wer ich sein will. Ich entscheide das. Aber ich will auch gefragt und gelockt sein. Wenn ich ernsthaft und denkgelähmt unterwegs bin, hat das Spielen es schwer. Doch die Leichtigkeit des Seins gibt nicht auf, sie ist ja da, und umgarnt mich, hält zu mir, fängt mich ein - und ihr nachzugeben ist himmlich. Ich muss nur den Schritt durch die Spieltür hinbekommen. Bei den Kindern. Bei den Freunden. In der Partnerschaft (!). 

Und das alles ist ja nicht "nur ein Spiel". Es ist Herz, Vertrauen und Liebe. Es sind die Momente, die in meinem Lebenstagebuch mit einem Stern versehen werden. Mein Enkel hat mich heute in diese Sternenwelt hineingezaubert.

 

Montag, 22. Mai 2023

Lichtpfad

 



Auf dem Vortrag letzte Woche ging es mal wieder um Bösewichte. Wo sind wir selbst, wenn wir über jemanden nachsinnen/urteilen, der irgendetwas Ungutes angestellt hat. Großes, nicht Kaffee verschütten, sondern Grusel, z.B. Missbrauch, Umbringen. Wird ja grad verhandelt. 

"Jeder - auch so ein Täter - ist ein Ebenbild Gottes". Einer meiner Standards zu Beginn des Diskutierens. Wobei klar ist, dass es jetzt nicht um das Opfer geht, dem mein Mitgefühl/Trauer gilt, sondern um den Täter. Und unsere eigene Position ihm gegenüber. 

Wo bin ich, wenn ich diesem Menschen gegenüber Position beziehe? Wer bin ich, wenn ich diesem Menschen gegenüber Position beziehe? 

Ich erlebe, dass die Leute vor mir in einem Raum der Verurteilung, des Entrüstens, des Entsetzens unterwegs sind. Der Täter ist ein Bösewicht, das ist klar. Ein Ebenbild Gottes? Absurd. Wenn ich das Ebenbild ins Spiel bringe, wird mir Durchgeknallt und Sympathie mit dem Teufel rübergereicht. 

Abgesehen davon, dass ich von der Ebenbildgeschichte überzeugt bin (und, um das gleich hinzuzufügen: was mich nicht hindert, so einen Täter - wenn ich das kann - auszuschalten, einzusperren etc.) - abgesehen also davon, dass der Täter für mich immer ein Ebenbild Gottes ist und bleibt: 

Die Leute vor mir sind in einem dunklen Raum unterwegs, eingefangen in Grusel, Böse, Rachegedanken. Ihr Mitgefühl und Schmerz vertrübt sie, lässt das Licht gehen, wirft Schatten. Kälte, Kochen vor Wut, Empörung. Wobei sie sich auf der guten Seite verorten. Und: von Friede keine Spur. Friede in mir, im Herzen, in der Begegnung, Auseinandersetzung, Positionsbeziehung dem Täter gegenüber: keine Spur. Sie sind die Guten, er ist der Böse. 

Und und Aber: sie werden dabei in Schatten versetzt. Und genau das ist nicht mein Ding. Ich lass mich nicht (mehr) in die Schattenwelt ziehen/treiben. Ich bin ein Sonnenwesen. Der Großraum, in dem ich unterwegs bin, ist voll Licht. 

Eingebildet! Obermoralisierer! Machtgeil durch Gutsein! Ja mei, was soll's. Keiner muss mich mögen. Und weiter: Was soll das, sich bei Gruseligkeiten auf die dunkle Seite zu begeben? Das macht doch krank im Herzen! Ich sage den Leuten vor mir so etwas. Manchmal kommt etwas über. Die Kraft des Lichts. 

Eine Brücke ist dann, dass ich sie frage, wie das mit der Verzeihung ist. Na ja, da wollen sie erst ordentlich verurteilt haben, das Ebenbild als Teufel entlarvt haben. Dann können sie über Verzeihung nachsinnen. Und dann können sie wieder ins Licht gehen. Mit diesem Umweg. 

Mein "Jeder ist ein Ebenbild Gottes, also auch der Täter" ist zu schwere Kost. Sie spüren das Böse, sie nehmen Witterung auf. Und sie misstrauen sich selbst, fürchten, dass das Böse aus ihnen hervorbrechen könnte, sind in existentieller Bösefurcht. Tja - ich kann sie ja nicht ändern. Aber so ein bisschen Heilerei find ich auch nicht schlecht. Wenn es dem einen oder anderen hilft und ihn auf den Licht- und Friedenspfad verlockt: da bin ich doch zufrieden. 

Montag, 15. Mai 2023

Wie spät ist es?

 



Ich bin zum Einkaufen in der Stadt unterwegs. Eine Mutter und ihre fünfjährige Tochter kommen mir entgegen. Die Mutter ist über irgendetwas schwer verärgert und schimpft laut auf das Mädchen ein. Die Kleine schaut mit dem typischen betroffenen und getroffenen Kinderblick nach unten. Sie ist schwer angefasst, im Verhexungsmodus. Das will ich nicht so passieren lassen.

Ich habe mir immer gesagt, wenn so eine Szene auf mich zurollt, dann tue ich etwas. Was? Die schimpfende Mutter oder den schimpfenden Vater darauf ansprechen … das geht gar nicht. „Was geht Sie das denn an!“ lauert und verbessert nichts. Ich habe mir schon lange überlegt, dass ich den Großen da anders rausholen muss. Meine Idee: Nach der Uhrzeit fragen. Die Leute sind immer höflich und nett, sehen auf die Uhr und sagen mir, wie spät es ist. Das kann doch auch in so einer Situation funktionieren. Dann sind die schimpfenden Eltern ein paar Sekunden raus aus der unguten Verstrickung mit ihrem Kind. Holen sozusagen Luft. Und dann gehen sie entspannter zusammen weiter. Vielleicht gar ohne Schimpfe. Soweit die Theorie.

Als die beiden nun auf mich zu kommen und ich das Gesicht das Kindes sehe, hole ich tief Luft. Darf ich in so eine private, intime Sphäre einbrechen? Wie übergriffig ist das denn? Aber: Ich bleibe vor den beiden stehen. „Haben Sie vielleicht die Uhrzeit? Wissen Sie, wie spät es ist?“ Die Mutter sieht von ihrer Tochter weg zu mir, ihr verspanntes Gesicht wird freundlich, sie sieht auf ihr Handgelenk, und: „Es ist viertel vor Fünf“. „Danke“, sage ich. Wir setzen unsere Wege fort.

Es hat funktioniert! Die Mutter – das merke ich, weil ich noch einen Moment stehen bleibe und zu den beiden sehe redet jetzt ruhig und ohne Schimpfe mit ihrer Tochter. Es hat funktioniert! Und gleichzeitig dabei, während ich mit der Mutter im Kontakt bin – der volle Lohn: Das Mädel sieh mich in der kleinen Szene erstaunt, ungläubig, von innen heraus an. Ich komme von einem anderen Stern. Ich bin ein Alien, der sie aus der Dunkelwelt herausholt. Ich bekomme einen Blick, der mein surreales Manöver herzinnig belohnt.

Ich habe Frieden gestiftet. Die Ärgerwolke weggeschoben, die Liebe der Mutter wieder hervorgelockt. Magie, die ich kann und die mich erfüllt.

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Ich bin im Kino, es gibt einen fast dreistündigen Actionfilm. Futuristisches Weltall, Heldentaten, ein verletzter Freund wird gerettet (Guardians of the Galacy). Die dunklen Mächte werden überwunden, Frieden und Liebe obsiegen. Als der gerettete Freund zum Schluss aufgefordert wird, Rache zu nehmen und den Oberschurken zu töten – da macht er das nicht, er lässt ihn leben: „Ich bin ein Wächter des Universums“, sagt er. Des Friedens und der Liebe, ergänze ich.

Der Film ist aus, es beginnt der Abspann. Im Kino ist junges Volk, Pärchen, Cliquen. Alle stehen auf, kaum dass der Film zu Ende ist. Zurück vom Fantasy in die Realität, Jacken und Mäntel an. Nur ich sehe mir immer noch den Abspann an, um die Filmzauberei ausklingen zu lassen. Normalerweise. Diesmal aber: Alle, wirklich alle, bleiben sitzen, bis auch der Abspann vorbei ist und die Kinobeleuchtung aufflammt. Und auch dann entsteht keine Unruhe, Eile. Sie sitzen noch, quatschen, stehen langsam auf.

Was ist das? Die Magie des Films spricht mit den jungen Leuten. Sie erleben, sie haben Momente heiler Welt. Die sie in den Sitzen lässt. Bei all dem Chaos – Ukrainekrieg, Corona, Klimakrise – hier holen sie Luft. Wie anders werden sie groß als unsereins, was alles lastet auf ihrer Lebensfreude. Hier nun: Magie des Friedens und der Liebe.

Ich denke an den Menschen, der hinter diesem Film steht. Ich fühle Verbundensein. Was ich auf der Straße geschaffen habe, das schafft er auf der Leinwand. 










 

Montag, 8. Mai 2023

"Ich bin lieb." - Garant/Garantin

 

 

Auf meinen  Vorträgen erzähle ich von der Souveränität der Kinder. Ich bin mir ihrer Souveränität sicher, habe sie vor Augen, bin dafür offen. Beim Einkaufen vorgestern warte ich vor der Kasse, eine Mutter ist mit ihrer dreijährigen Tochter hinter mir. Das Mädchen wuselt herum, ist lebhaft. Die Mutter, leicht angenervt: "Sei lieb!". So weit, so bekannt.

Jetzt aber, das Kind, mit selbstverständlcher Würde, nachdrücklich, unaufgeregt, klar und deutlich, kurz und knapp: "Ich bin lieb". Voll die Souveränität! Es war einfach faszinierend!

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Themenwechsel. Beim letzten Post habe ich vom schwer zu verstehenden "Leiter ohne Leiter" geschrieben. Und dabei auf den auch nicht leicht zu verstehenden "Garanten" beim Selbst-Verantwortungs-Training (SVT) verwiesen, den ich im nächsten, also diesem Post vorstellen wollte. Hier nur die Funktion des Garanten/der Garantin beim SVT.

Dem Selbst-Verantwortungs-Trainng, einem psychodynamischen amicativen Seminar, liegt ein sorgfältig ausgearbeitetes Konzept zu Grunde.* Es gibt dabei keinen Leiter, auch keinen "Leiter ohne Leiter", wie noch im letzten Post über meine Rolle als Schulleiter beschrieben. 

Das SVT ist es noch mehr "leiterfrei". Die Teilnehmenden sind gänzlich entlassen in ihre Eigenverantwortung, sie sind ohne vorgegebene Orientierung und ohne die schützende Hand eines Trainers/Leiters/Therapeuten/Coachs. Die Verantwortung für sich selbst wird ihnen nicht abgenommen, verringert oder aufgeweicht. Niemand kann sich hinter einen zuständigen Chef zurückziehen und ihm die Verantwortung für das, was (mit ihnen) geschieht, zuschreiben - weil es eine solche leitende Person beim SVT einfach nicht gibt, und wenn mann mit der Lupe Ausschau hält...

Garant/Grantin*

Niemand weiß mit Verbindlichkeit für einen anderen, was für ihn gut ist. Das Prinzip der Selbstverantwortung lässt keinen Besserwissenden für Wachstum und Entwicklung zu als den jeweils Betroffenen selbst. Jeder Teilnehmende ist also sein eigener Selbst-Verantwortungs-Trainer. Das schließt nicht aus, dass man sich von anderen helfen lassen kann, aber auch hierüber entscheidet ein jeder selbst. Und während des gesamten Hilfsprozesses bleibt jeder selbst am Regiepult, auch wenn er einem anderen grünes Licht gibt, hilfreiche Ideen einzubringen. Selbst-Verantwortungs-Training hat somit keinen Leiter, Moderator, Facilitator oder sonstigen Trainer.

Selbst-Verantwortungs-Training ist jedoch nicht nur eine Selbsthilfegruppe ohne Leiter. Beim Selbst-Verantwortungs-Training ist eine Person dabei, die das Selbstverantwortungsprinzip verinnerlicht hat. Sie wird „Garant“/„Garantin“ genannt. Der Garant fühlt die Selbstverantwortungsidee als existenzielle Größe in sich. Seine Anwesenheit bedeutet, dass durch eine (seine) Person das Selbstverantwortungsprinzip unter den hier zusammengekommenen Menschen präsent ist.

Der Garant ist nicht Garant in dem Sinn, dass er den anderen Teilnehmenden dafür einzustehen hätte, dass sie dies oder das lernen. Er ist nicht Garant für persönliches Wachstum und Entwicklung. Hierfür liegt die Kompetenz bei jedem einzelnen selbst. Er ist Garant für die Selbstverantwortungsidee: Wenn er teilnimmt, wird diese Idee verlässlich durch seine Person präsent sein. Auch andere Teilnehmende können sich als Garanten erweisen oder sich zu Garanten entwickeln.

Nur: Um ein Selbst-Verantwortungs-Training zu realisieren und nicht eine andere psychodynamische Gruppe, muss (mindestens) von einer Person, die Selbstverantwortungsidee verstanden und verinnerlicht worden sein.Hierbei ist es nicht von Bedeutung, wie sich diese psychische Disposition in konkretem Verhalten äußert. Der Garant wird das tun oder nicht tun, was er gerade tun oder nicht tun will – hier ist er ein Teilnehmender wie jeder andere. Entscheidend ist seine (Selbstverantwortungs)Haltung.

Es ist gänzlich die Sache der anderen Teilnehmenden, wie sie mit dem Garanten, seiner Haltung und seinem Verhalten umgehen wollen. So wie es auchseine subjektive Sache ist, wie er mit ihnen umgehen will. Er ist nicht der Leiter der Gruppe: er ist ein Teilnehmender! Aber eben ein Teilnehmender, der diese spezifische Haltung verinnerlicht hat und der damit das psychische Klima der Gruppe um diese Dimension erweitert.

Erfahrungsgemäß gibt es in der Gruppe Probleme mit der Funktion des Garanten. Immer wieder wird er doch als Leiter gesehen, als jemand, der den anderen zu mehr Selbstverantwortlichkeit verhelfen kann und soll. Es lässt sich jedoch ebenfalls immer wieder feststellen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt das Verständnis für die Funktion des Garanten spürbar vorhanden und damit die Sichtweise eines Leiters deutlich überwunden ist. Mal früher, mal später. Dies geht einher mit dem zunehmenden Gespür der Teilnehmenden für ihre Selbstverantwortung, die in Wirklichkeit ja niemals von einem anderen kommen kann, sondern nur in jedem selbst lebt und nur von jedem selbst erspürt werden kann.


* Konzept des Selbst-Verantwortungs-Trainings, zu beziehen beim Amication - Förderkreis e.V. Zu finden auch auf der Website/Homepage des Förderkreises www.amication.de.


 

 


Montag, 1. Mai 2023

Leiter sein ohne Leiter sein

 


 

Als ich vor einigen Jahren gefragt wurde, ob ich für kurze Zeit die Leitung einer Freien Schule übernehmen könnte, habe ich zugesagt und war ein halbes Jahr lang Schulleiter. Die Schule hatte sich nach riesigem Ärger mit dem bisherigen Schulleiter, dem schließlich gekündigt wurde, auf eine kollektive Schulleitung durch die Lehrerinnen und Lehrer verständigt. Aber sie brauchten einen offiziellen Schulleiter für die Behörde. Der Elternverein fragte mich an, und ich wusste, worauf es ankam:

Der neue Schulleiter, also ich, durfte die Eigenverantwortung der Lehrerinnen und Lehrer, die ja die Leitung ihrer Schule gemeinsam übernehmen und managen wollten, nicht beeinträchtigen, nicht gefährden. Auch nicht subtil gefährden. Ich durfte also gar kein Schulleiter sein, obwohl ich Schuleiter war. Wie das ging?

Ich war nicht vor Ort, nicht real präsent. Die Kommunikation lief über den Elternverein, keine Lehrerin und kein Lehrer kannte mich. Niemand wusste, wer ich war und wie ich aussah. Und ich tat keinen einzigen Schritt in diese Schule: denn allein meine Präsenz, und wenn es auch nur eine Stunde in der Woche wäre, hätte das Bewusstsein der Lehrenden, kollektiv die Schule zu leiten, beeinflusst und ihre Eigenverantwortlichkeit zum Einsturz gebacht. Denn: ein Leiter ist ein Leiter ist ein Leiter. Also blieb ich brav zu Hause, auch wenn meine Papiere bei der Behörde vorgelegt waren. Was formal unproblematisch war, weil die Satzung der Schule eine kollektive Schulleitung vorsah. Mit formalem Leiter. 

Das klappte sehr gut, die Schule funktionierte super. Eines Tages dann luden mich die Lehrerinnen und Lehrer zum Kennenlernen bei Kaffee und Kuchen ein. Sie waren neugierig auf mich geworden und wollten mich kennenlernen. Ich bestand auf neutralem Boden (kein Schritt in die Schule!), wir trafen uns in einem Versammlungsraum eines Restaurants. Da sahen wir uns dann zum ersten mal - und sie hielten schon die Luft an, als ich dann leibhaftig vor ihnen stand! 

Aber sie merkten schnell, dass ich sie wirklich nicht, auch nicht heimlich und subtil, als "Untergebene" eines Schulleiters sah. Obwohl ich ja der Schulleiter war! Es war ein bisschen Zauberei, Wu Wei - Tun ohne Tun. Und nach einiger Zeit konnte ich mich dann zurückziehen, die Lehrerinnen und Lehrer wählten aus ihren Reihen einen neuen formalen Schulleiter.

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Die Situation erinnerte mich an den Garanten des Selbst-VerantwortungsTrainings, von dem ich in den letzten Posts berichtet habe. Garant: auch so eine Funktion, die nicht leicht zu verstehen ist. Und die - besonders schwierig - gänzlich ohne Leitersein daherkommt. Dazu mehr beim nächsten Post!