Montag, 27. März 2023

Verheiraten

 


Als ich Lehrer war, geschah es einmal, dass die Kinder zu mir als Person durchdrangen, dass der Lehrer aus der Klasse verschwand und ich verzaubert wurde. Die Mathestunde habe ich dafür gern geopfert. Sie wollten "Verheiraten" spielen und sie vertrauten mir, in meiner Gegenwart so sein zu können, wie sie sich selbst sehen. Einer war Pastor, zwei andere Trauzeugen, und die Pärchen meldeten sich. Sie wurden an die Tafel geschrieben.

Es war eine Zeremonie, mit viel Lachen, Spaß und Beifall. Ich war eingeladen, ihnen zuzusehen, ich war ihr Gast. Es war, als ob ich am Fest eines fremden Volkes teilnehmen konnte. Sie hatten mich in ihren Kreis aufgenommen, ich störte sie nicht.

Ich spürte die Mischung von Spaß und Ernst, von Spiel und Leben, und ich merkte, wie befreiend es ist, wenn man auf dieser von damals so wohlbekannten Basis miteinander umgeht.

 

Montag, 20. März 2023

Misthaufen

 


 

Wenn wir mit Menschen zu tun haben, die von diesen ganzen Ideen nichts halten – da kann man offensiv sein, da kann man zurückhaltend sein. Es kann durchaus gute Gespräche mit denen geben, die anderer Meinung sind.

Aber man muss das alles niemandem auf die Nase binden, der das nicht hören will. Und kommt den Freunden nicht schon wieder mit »Unterstützen statt erziehen«, wenn die dafür nicht offen sind. Das bringt nur Ärger und provoziert. Man wartet auf eine bessere Gelegenheit.

Und dann gibt es noch die Menschen, die das alles unsinnig finden und sich entrüsten. Die Entrüster tun uns nicht gut. Sie sind wie Misthaufen, die stinken. Dann ist Achtsamkeit angesagt, und zwar sich selbst gegenüber.

Man mutet sich nicht jeden Misthaufen zu: Man muss nichts von dem erzählen, was einem wichtig und heilig ist, wenn es nur schlecht geredet und verunglimpft wird. Wir passen auf uns auf.

Damit das nicht falsch verstanden wird: Misthaufen sind wichtig. Sie düngen das Feld und sind große Hilfen für die Mistkäfer. Misthaufen sind wichtig: Nur nicht für uns und unsere Nase. Wir lassen sie in Ruhe und wenden uns von ihnen ab, aber wir setzen sie nicht herab. Ich möchte an Rosen riechen. Ich suche Menschen, die meine Ideen interessant finden und wertschätzen.

 

Montag, 13. März 2023

Iris, Schmetterling, Tiger, Menschenkind

 

 
 

Auf dem Spielplatz habe ich sie vor Augen, die Kinder. Ich bin mit meinem Enkel (4) dort, eine ganze Weile. Die Kinder ringsum sind auch im Vorschulalter. Dann: Eine Mutter will nach Hause, aber ihre Tochter nicht, Iris (3). Sie hat neben uns mit Sandförmchen gespielt. Ich sehe hin und ich höre hin.

Schon Iris' erster Impuls auf die Botschaft ihrer Mutter war eine klare Ansage: Iris will weiter im Sand spielen. Sie hat nichts gesagt, nur kurz hoch und gleich wieder runter geblickt. Wortlos dabei: "Ich will spielen, hier, mit dem Sand." Und: "Hier ist es richtig, hier will ich sein, hier tut es gut, hier bin ich eins mit mir und der Welt, hier ist meine Harmonie, hier bin ich, Iris, zeitlos." Ich sehe ihre Würde, ihre Selbstkraft: "Ich gehe diesen Weg, und ich will ihn gehen. Diesen Sandweg."

Sie wird ihn nicht gehen können. Die Ungeduld ihrer Mutter wächst, die Worte werden härter. Es braut sich Ungutes zusammen. Iris sagt noch immer nichts, aber sie klammert sich an den Sandkörnern fest und ruft sie um Hilfe. Sie ist sich ihres Weges sicher, sehr sicher, so sicher. Es rührt mich an.

Ich interveniere nicht, habe kein gutes Gefühl. Iris wird sich nicht mit mir gegen ihre Mutter wenden, das ist nicht vorgesehen, ja absurd. Und führt zu Eskalation mit Beschämung oder Demütigung von Iris.

Ich sehe zu meinem Enkel. Auch er ist sich sicher, immer wieder sicher. Was seins ist. Wohin sein Weg geht, gehen soll. Auch er hat diese Selbstkraft. Alle Kinder haben diese Kraft.

"Ich kann meinen ersten Atemzug selbst tun" - Leboyer hat diese Kraft erkannt. In der Amication habe ich das so ausgedrückt: "Menschen sind selbstverantwortlich von Anfang an" und "Jeder spürt selbst, was für ihn da Beste ist". Das aber übersetzen in Alltag - das wird unrealistisch. Man sieht sofort die Kinderfinger in der Streckdose. Ja schon, aber: Übersetzungsfehler! So ist das nicht zu lesen, dieses "Selbstverantwortlich von Anfang an".

Es ist immer die Schwierigkeit, diesen zentralen Punkt der Amication anderen Menschen nahezubringen. Die Steckdose aus der Assoziation herauszubekommen. Den Blick des Nachdenkens, den inneren Blick von der Alltagsmauer hin zur Innenwelt zu bekommen. Zu der Selbstkraft. Zu der überwältigenden Energie, die ein Lebewesen - jedes Lebewesen, Schmetterlinge, Tiger, Menschenkinder - in sich trägt: Ich bin. Ich gehe diesen Weg. Und ich will diesen Weg gehen.

Natürlich lassen sich Wege andersrichten, abbiegen, umkehren, auflösen. Die ganze Wegewelt ist zauberbar. Wobei klar ist: Ich - Schmetterling, Tiger, Menschenkind - entscheide, will entscheiden. Wegändern: jeder nimmt einen anderen Weg, wenn die Steine zu spitz sind. Und speziell Menschenkinder folgen durchaus auch Wegvorschlägen und Wegänderungen, die sich auftun, die an sie herangetragen werden, um die sie gebeten werden. Die Selbstkraft - die Selbstverantwortung, das Ichgehöremir - ist ja nicht blöd!

Ich finde diese Kraft grandios, sie ist so einzigartig. Die Kinder sind dermaßen voll davon, dass es eine Wucht und Freude ist. Aber... und da beginnt das traurige Desaster: "Normale" Erwachsene (und wer ist das nicht?) haben keinen Freudekontakt, keinen Achtungskontakt zu dieser Kraft. Sondern einen Störkontakt. Dieser göttliche Funke wird in Steckdose und Co übersetzt, das klare Licht wird gebrochen (am Leid der eigenen Kindheit) und als Trotz und Ungehorsam gelesen.

Iris' Mutter ist eine normale Mutter. Nach "achtsamen Eingehen" (Hinhocken, Augenhöhe) auf ihr Sandkind ist dann klar, wie es ausgeht. Iris stemmt sich gegen das Sandkastenbrett. Die Körpermacht ihrer Mutter legt sich dabei auch mit Iris' Selbstkraft an. Da sind zwei nicht passende Dimensionen im Konflikt. Natürlich ist die Mutter stärker, sie hat Iris in den Kinderwagen "gesetzt". Auf der Selbstkraftebene dröhnt es heftig. Da ist Iris einfach nur "unkooperativ" bis "biestig".

Ich habe mitbekommen, dass Iris' Mutter den Bruder vorn am Parkende, an der Straße treffen will. "Ich kann auf Iris aufpassen, bis Sie wieder da sind. Dann kann sie noch ein bisschen spielen. Ich bin mit meinem Enkel hier und habe Zeit, das wäre kein Problem." Erwachsenenwelt, Erwachsenensprech. Ich blicke dabei die Mutter und dann auch Iris an. Ob das was wird? In der Erwachsenenwelt? In der Kinderwelt?

"Willst Du mit dem Opa noch hierbleiben?" Iris nickt, springt aus dem Kinderwagen und ihre Mutter lächelt mich erleichtert an.



 

 

Montag, 6. März 2023

Mein neues Buch - Autor



 

Mein neues Buch "Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen" erscheint in drei Wochen. Vorn gibt es üblicherweise eine kurze Information über das Buch, diese habe ich im letzten Post vorgestellt. Dann gibt es immer auch eine kurze Vorstellung des Autors. Ich habe mich dabei an der hier rechts nebenan stehenden Autorenbeschreibung "Über mich" orientiert:

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Autor

Ich – Dr. phil. Hubertus von Schoenebeck – wurde 1947 geboren und bin Vater und Großvater.

Ich war Mitte zwanzig, als ich nach einem Jurastudium Kindern im Zuge der Lehrerausbildung wieder begegnete. Ich ging auf sie zu wie früher in meiner Kindheit – auf gleicher Augenhöhe. Das sollte aber nicht sein: Erziehung und Menschenbildung waren die selbstverständliche Norm. Nach einem Jahr Lehrersein war mir klar geworden, was die traditionelle Erziehung bei den Kindern, in ihrem Herzen und in ihrer Seele anrichtet.

Ich suchte nach einem neuen Weg, verließ die Schule und führte eine wissenschaftliche Studie mit Kindern über »erziehungsfreie Kommunikation« durch. Ich diskutierte in Kalifornien mit Carl R. Rogers meine Forschungsergebnisse und promovierte darüber 1980 an der Universität Osnabrück zum Dr. phil.

Ich wusste nun, dass »Unterstützen statt erziehen« gelingt, dass es konstruktiv ist und Eltern und Kindern hilft. Ich ging in die Erwachsenenbildung, um Eltern und pädagogischen Fachleuten davon zu berichten. Seit über 40 Jahren bin ich als Referent an Universitäten, Bildungsstätten, Kindergärten und Schulen im In- und Ausland mit bisher über 2000 Veranstaltungen tätig und habe zahlreiche Bücher publiziert.


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"Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen"

In drei Wochen zu beziehen im Buchhandel oder beim Amication - Förderkreis e.V.

Taschenbuch, 296 Seiten, ISBN 978-3-88739-034-1, 16.- EUR

E-Book, 296 Seiten, ISBN 978-3-88739-035-8, 3,99 EUR