Montag, 28. November 2022

Vom Wickeln und Kindermachen

 

 


Aus meinen Vorträgen.

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»Papa, warum wickelst Du mich?«, fragt mich mein Baby. »Was willst Du denn da hören?«, antworte ich. »Na, die Mama von meinem Freund hat gesagt, dass sie wegen der Verantwortung wickelt, die sie für ihn hat.« »Du weißt, dass ich nicht für Dich verantwortlich bin und dass ich Dich nicht aus Verantwortung wickle. Du bist selbstverantwortlich.«

Warum wickle ich? Ich weiß, was passiert, wenn ich nicht wickle. Dann tut der Po weh, nach drei Tagen kommen die Würmer und nach einer Woche ist mein Kind tot. Will ich das? Nein, das will ich nicht. Ich will ein gesundes und fröhliches Kind.

Ich wickle, weil ich mein Kind liebe und weil ich das will. Ich trenne die Verantwortung von der Liebe: »Ich wickle Dich, weil ich Dich liebe, nicht weil ich für Dich verantwortlich bin – das bist Du selbst.«

»Du musst mich also gar nicht wickeln?« »Nein, das muss ich nicht. Niemand kann mir zu Recht sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.« »Wenn Du das nicht musst und es nicht tust, dann geht es mir schlecht.« »Das stimmt, und genau das will ich nicht. Ich bin nicht so jemand, der ein Baby leiden oder gar sterben lässt.«

»Habe ich da Glück gehabt?« »Na ja, alle Eltern lieben ihre Kinder und alle wollen sie froh und munter sehen. So sind die Menschen nun mal. Dass es Ausnahmen gibt, ist leider so. Aber mit einem ›Muss‹ kriegt man die auch nicht zum Wickeln.«

Ich kümmere mich um mein Kind, weil ich das will, weil ich das wirklich will. Eltern stehen oft mit dem Rücken zur Wand und können nicht mehr – weil »ich muss doch«. Nein, Sie müssen nicht. Niemand steht über uns und hat das Recht, uns zu zwingen.

Auch Gesetze sind keine Götter, sondern sie wollen von uns akzeptiert und dann befolgt sein. Ich entscheide, ob ich bei Rot an der Ampel stehen bleibe und ob ich Steuern zahle. Was passiert, wenn ich die Regeln nicht einhalte, ist klar. Bußgeld, und ohne Wickeln gibt es kranke Kinder.

Aber sind wir nicht dafür verantwortlich, dass die Kinder da sind? Wir haben sie schließlich gezeugt, »gemacht«. Das sehe ich anders. Können Menschen Leben machen? Nein. Andersrum ist es richtig: das Leben macht uns! Das Leben komponiert und dirigiert! Wir sind Teil des Lebenskreislaufs. Das Leben packt uns und gibt sich durch uns weiter.

Klar, da machen wir schon mit. Wir sind Mitspieler und können immer wieder ja oder nein sagen, aber wir sind nicht der Spielleiter, das Leben wurde vor uns und ohne uns erfunden.

Kein Papa und keine Mama haben ein Baby gemacht, sie sind nicht dafür verantwortlich, dass das Baby da ist. Ist das Baby dann selbst dafür verantwortlich? So kann man das sehen. Oder lässt diese Verantwortung bei Gott, Natur, Universum.




Montag, 21. November 2022

Frisch gelogen - trotzdem wahr!

 


Etwas vom Schluss meines Vortrag "Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen":

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Ich habe Sie auf eine Wanderung in ein ungewohntes und für viele auch ganz neues Land mitgenommen. Diese Wanderung hat viel berührt, im Nachdenken, in Ihrem Gefühl und Ihren Kindheitserinnerungen. 

Vergleichbar mit einer Waldwanderung, bei der ich Ihnen nicht nur Bäume, Sträucher, Blumen und Tiere gezeigt habe. Sondern auch etwas von der Seele und dem Geheimnis des Waldes. Gehen Sie behutsam damit um, es ist ein Schatz. Krone, Matschstiefel, Schweineschnauze, Büffel... das Wissen aus unserer Kindheit. 

Ich schenke Ihnen gleich ein kleines Fläschchen mit einem besonderen Elixier. Wenn Sie einen Schluck nehmen – es wird nicht weniger. Es ist ein Zaubertrank wie bei Asterix und Obelix. Aus der Quelle „Ich liebe mich so wie ich bin“. Wird nie alle, gibt es gratis und hilft immer! 

Als handfeste kleine Maßnahme habe ich aber auch etwas. Sie können sich aus dem Schneewittchen-Märchen einen wohlbekannten Spruch nehmen und für sich umdeuten. Sie schreiben diesen goldenen Satz auf einen kleinen Zettel und kleben ihn nachher zu Hause mit Klebefilm auf den Badezimmer-Spiegel. 

Und wenn Sie morgen früh müde ins Bad kommen und lesen, dass da steht „Ich bin die/der Schönste im ganzen Land“ – dann ist das zwar frisch gelogen, aber trotzdem wahr!

Montag, 14. November 2022

Hintergrundmusik



Die Hintergrundmusik der Gleichwertigkeit, mit der ich in der Kindheit mit den anderen Kindern unterwegs war, ist nie verschwunden. Ich spüre sie auch heute in mir. Sie hat mich nie verlassen. So gesehen bin ich Kind unter Kindern, wobei die anderen Kinder zig Jahre jünger oder gleich alt oder älter als ich sind.

Die Rufe der Kinder

Wir wohnten im Wald, und 100 Meter neben unserem Haus, auf der anderen Seite der kleinen Straße, lag eine große Villa. Sie war von den Briten beschlagnahmt und wurde als Schule für die Grundschulkinder der englischen Soldaten genutzt. Mehrmals am Tag gab es einen Riesenlärm: Die Kinder hatten Pause und sausten und tobten draußen vor der Schule. Es schallte und hallte zu uns und umtoste zwanzig, dreißig Minutenlang meine Welt. Eine grandiose Botschaft, unvergessene Musik, nachhallender Ruf: „Das sind wir.“

Und ich war dabei, schwang mit, eine tiefe Resonanz. Rufe aus einer demokratischen Welt, in der Gleichwertigkeit Basiswert ist. Ich wurde gefüttert und geimpft mit dieser Nahrung: Wir sind von gleicher Art! Ich war dabei, ich fühlte mich wohl, wenn sie so lauf riefen. Es war ein Heimatgefühl. Und wenn ich gelegentlich hinüberlief und unter ihnen war, war ich willkommen.

Der Wald

Wir wohnten im Wald. Ich war mit meinen Geschwistern und Freunden jeden Tag draußen, nach der Schule bis zum Abendessen. Unterwegs in der grandiosen Kulisse der Natur, Teil und Akteur. Ich war täglich für viele Stunden umgeben von Wesen, die sind, die nicht über und nicht unter mir stehen. Die einfach existieren, stattfinden, ohne Belehrung, Besserwisserei, pädagogischen Impuls. Mit denen ich mich auseinandersetzte und im Austausch war, von Gleich zu Gleich:

Bäume, Sträucher, Blumen, Erde, Wasser, Steine, Sand, Vögel, Hasen, Rehe, Wolken, Regen, Sonne, Nachtdunkel, Dämmerung, Schnee, Eis, Hagel, Hitze, Tannennadeln, Himbeeren, Brombeerstacheln, Farnkraut, Brennnesseln, Borke, Käfer, Wespen, Ameisen, Zapfen, Wurzeln, Äste. - Äste: Als ich einmal einen Baum raufkletterte und der Ast brach, sagte er nicht: „Siehst Du, pass besser auf!“ Ein Baum macht so etwas nicht. Er schwang sich nicht über mich empor. Er brach einfach und fertig. Ich atmete und bewegte mich in einer Welt ohne Vorwurf, in einer Welt der Gleichwertigkeit. Jeden Nachmittag.

Die Gleichen

Beim Spielen mit den Gleichaltrigen war nichts außer Gleichwertigkeit. Wenn wir in der Scheune balancierten: jeder auf seine Weise, mit mehr oder weniger Mut, aufrecht, robbend, sitzend, unter uns der gefährliche Bulle. Wir waren verschworen, solidarisch, von gleicher Art. Was immer wir anstellten. Und wir wussten um uns, wenn ein Erwachsener in unsere Welt einbrach, freundlich oder feindlich: er war anders, oben, maß uns das Unten zu. Aber er erreichte uns nicht wirklich, denn in unserem Land gab es kein Oben und kein Unten.



 

Montag, 7. November 2022

Der Schwarze Fleck

 

  

Das Baby ist geboren, Mama und Papa stehen an der Wiege. »Du weißt, dass er da ist«, sagt er. »Ich weiß«, sagt sie, »der Schwarze Fleck.« »Ja«, sagt er, »der Schwarze Fleck.« 

Alle Kinder werden mit einem dunklen Fleck geboren. Er sitzt in der Achsel unter dem linken Arm in der Nähe des Herzens. Er ist drei Tage zu sehen, dann wandert das Dunkle nach innen. Das ist das Böse, das in jedem Menschen wohnt. 

Als ich vor meinem Kind stand, sollte ich das mit dem Bösen – entsprechend unserer Kultur und Tradition – glauben. Das Böse war geerbt aus uralten Zeiten. Doch was für ein grandiose Zumutung! Ich sehe keinen dunklen Fleck! 

Nicht bei meinem Baby und nicht bei anderen Babys. Ich sehe ihn bei niemandem auf der Welt. Menschen werden nicht mit dem Schwarzen Fleck geboren. Das Böse ist eine Sicht auf Menschen, die ich nicht habe. 

In meinem Kinderzimmer habe ich die Macht. Ich sehe keinen Schwarzen Fleck, es gibt das Böse nicht. Das Böse ist eine destruktive Fantasie. Und sie macht Menschen schwach, bricht ihren Glauben an sich und an ihre Konstruktivität. 

Ich sage meinen Kindern, dass sie Liebe sind und dass sie an sich glauben können.