Niemand, auch ein Kind nicht, hat es gern mit jemandem zu tun, der einem belehrend, missionarisch oder erzieherisch daherkommt. Und das ist auch gar nicht nötig. Man kann als Vater oder Mutter den Kindern ohne erzieherischen Anspruch sagen, was zu sagen ist. Kinder orientieren sich an solchen authentischen Botschaften, setzen sich damit auseinander und wachsen daran. Erziehung wirkt viel zu aufgesetzt und wird von den Kindern nicht wirklich ernst genommen. Man läuft dann gegen eine Wand stiller oder lauter Ablehnung. Mit dem Modell „Unterstützen statt erziehen“ vermeidet man dieses ungute Theater und bringt Leichtigkeit ins Spiel. Man kann hier eine neuartige Verantwortung den Kindern gegenüber übernehmen und einfach viel Erfolg haben.
Können Sie Beispiele für Situationen nennen, in denen Eltern ihren Kindern besser auf gleicher Augenhöhe begegnen?
Dass man sich bei aller Überlegenheit nicht über den anderen emporschwingt, ist immer möglich. Das gilt für den Arzt oder Werkstattmeister ebenso wie für Eltern. Patienten, Kunden oder Kinder reagieren auf diese Gleichwertigkeit trotz Überlegenheit positiv, sie fühlen sich geachtet und können dann auch Ratschlägen leicht folgen. Die Oben-Unten-Ausstrahlung, wie sie in der traditionellen Erziehung in bester Absicht gang und gäbe ist, kann man ablegen. Das ist kein Verlust an Autorität, sondern eine neuartige Autorität, die in der Würde aller Beteiligten gründet. Und gilt für alle Situationen des Alltags mit Kindern.
Wo liegen die Grenzen dieser Methode und besteht nicht die Gefahr, daß die Kinder sie zu ihren Gunsten ausnutzen?
Es geht nicht um antiautoritäres Zurückweichen. Vater und Mutter stehen zu ihren Werten und Grenzen und setzen sie durch, ohne Zimperlichkeiten. Ein Nein ist ein Nein. Man muß den Kindern dabei aber nicht mit oder ohne Worten vermitteln, dass man dann der bessere Mensch ist. „Sieh ein, ich habe recht!“ bedeutet einen seelischen Übergriff auf das Kind. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“ ist kraftvoll und ohne eine solche Verletzung. „Unterstützen statt erziehen“ geht in jeder Lebenslage, niemand läßt sich dabei ausnutzen.
Warum denken Sie, dass sich die Liebe zu seinem Kind nur wirklich entfalten kann, wenn man sich selbst so liebt, wie man ist?
Wir haben damals als Kinder gelernt, daß wir erst zu richtigen Menschen erzogen werden müßten. Davon, daß wir uns selbst akzeptieren und lieben dürften, war nicht die Rede. Das war schlimm genug. Muss aber nicht das letzte Wort sein. Jeder kann, darf und sollte sich lieben, wie immer er ist und was immer er tut oder denkt! Das ist eine Grundentscheidung für das eigene Leben, und ich persönlich bin davon überzeugt, Liebe und Ebenbild Gottes zu sein. Diesen Glauben an sich selbst und seine Konstruktivität kann sich jeder zurückholen. Und dann sieht man kraftvoll, erfüllt und dankbar auf die Kinder, die einem anvertraut sind. Sie sind Teil der unendlichen Liebe wie wir selbst.