Sonntag, 14. Mai 2017

Was bedeutet Selbstverantwortung? II



Der Post vom 12.5. zur Selbstverantwortung endete mit dieser Passage:

Wenn das Thema aber "Selbstverantwortung" heißt, und wenn zum Ausdruck
gebracht wird, dass damit eine ganze kulturelle Ebene (die der Erziehung/ des
Patriarchats/ der Hierarchie/ der Moderne) verlassen wird, wie kann da eine
einfache Antwort helfen?

Hier nun die Fortsetzung:

Wie kann man über Amication ins Gespräch kommen, in ein Gespräch, das
fruchtbar ist? Fruchtbar für wen? Für mich, für Dich. Wollen wir über die
Thematik von Existenz (meiner) und Existenz (Deiner) ins Gespräch kommen?
Wollen wir uns überhaupt als Personen begegnen oder als Verstandescomputer,
personenneutral? Und geht so was überhaupt ...?

Was willst Du von mir, wenn Du mich fragst: "Was bedeutet eigentlich Selbst-
verantwortung?" Auf welchen Pfaden wandelst Du? Sachlich - gibt es nicht,
jedenfalls nicht so, nicht bei dieser Frage, die ja mit der gesamten postmodernen
und amicativen Sicht zu tun hat. Willst Du mit mir ein Stück gemeinsame
Lebenswegstrecke gehen, und wir teilen uns mit, was wir rechts und links sehen?
Oder willst Du sagen, was wirklich ist, und ich sollte das einsehen?

"Selbstverantwortung" ist ein praller Begriff, prall voll Leben. Er ist ein sehr
gutes Eingangstor in die amicative Welt. Niemand muss ihn nutzen. Niemand
muss zu diesem Tor gehen, niemand es durchschreiten. Aber man kann all das
tun. Sich entscheiden im Unendlichen: Ich bin.

Es geht mir, wenn ich mit einem anderen Menschen zu tun habe, um Kommuni-
kation. Um Ich-Du. Um Existentielles. Die Sachfragen, die wir erörtern (z. B.:
Was ist Selbstverantwortung?), sind auch interessant. Auch. Wie lassen sich Sach-
fragen erörtern? Viele Antworten. "Sachlich" ist eine. Eine! Von vielen. Die
richtige? Für Dich richtig? Was ist für mich richtig? Steht die Sache über der
Person? Gibt es Sachen unabhängig von Personen? Gibt es die Welt unabhängig
von mir? Gibt es draußen, außerhalb von mir, Wirklichkeit? Wer sagt das? Gibt
es nur Wirklichkeit in mir? Mache ich - wie jeder Mensch - die Wirklichkeit?
Wer sagt, dass das richtig (was ist das?) ist?

Es gibt Bilder, die das einfangen, was ich sagen will: das Bild vom Mosaik,
vom Mandala, von der Kontingenz. Wenn ich mit jemandem über Amication
ins Gespräch komme, entwickelt sich ein feines Gewebe im Hin und Her. Ich
zeige dem Neugierigen etwas von meiner Sicht der Dinge. Mal versteht er, mal
nicht, mal ist Nähe, mal Distanz spürbar. Kommunikation, auf vielen Ebenen.
Unweigerlich kommt dann die Frage "Was verstehst Du eigentlich unter Selbst-
verantwortung?"

Antwort und die Nachfrage und die Nachantwort und alle dann folgenden Hin
und Her sind wie eine Wasserscheide: "Kommst Du mit? Was willst Du? Du
kannst jederzeit wieder gehen. Hier bin ich: Ich bin auch auf Dich neugierig.
Was Du dazu meinst, zu dem, was mir wichtig ist - zu dem, der ich bin - zu mir.
Und zu meiner Art, die Welt zu sehen und mich darin zurechtzufinden. Und zu
Dir, wer Du bist, und zu Deiner Art."

Eine klare, knappe Definition zu "Selbstverantwortung" wäre schal, dürr, leblos,
chancenlos, etwas von dem zu vermitteln, was mir wichtig ist. Also: Auf ins
Gespräch! In die Begegnung! In das Abenteuer Ich-Du. Unsere Beziehungen
zu Kindern sind Abenteuer-Beziehungen. Ich-Du-Beziehungen. Personale
Begegnungen. Voll Authentizität, Kongruenz, Ehrlichkeit. Eben: Existentiell.
Sie sind fruchtbar, konstruktiv, hilfreich. Genau so sind die Gespräche, die
vor, am und hinter dem Tor "Selbstverantwortung" stattfinden.








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