Freitag, 19. Mai 2017
Kindheitsgefühle I
Aus meiner Schatzkiste, vor etlichen Jahren geschrieben,
zusammen mit Jans.
*
Als wir selbst Kinder waren, haben wir Tag für Tag gelernt,
dass die Erwachsenen im Recht zu sein beanspruchten. Von
Anfang an lebten wir in einer Umgebung, die am Oben-
Unten ausgerichtet war und in der unsere Selbstverantwor-
tung nicht wahrgenommen wurde. Und als Erwachsene wen-
den wir diese tief eingeprägte Strategie im Umgang mit den
eigenen Kindern an, getreu den "Erfolgen", die wir den
damaligen Erwachsenen abgeguckt haben.
Aber wir können uns neu orientieren. Arnication macht be-
wusst, dass es auch ganz andere Erfahrungen aus unserer Kind-
heit gibt. Kíndheitsgefühle, die aus uns selbst kommen, die wir
niemandem abgesehen haben, die ursprünglich zu uns gehö-
ren: Das Gefühl der eigenen Würde, das Gefühl des eigenen
Werts, das Gefühl, über sich selbst bestimmen zu können, das
Gefühl, für sich selbst Verantwortung tragen zu können, das
Gefühl, o.k. zu sein und sich lieben zu können, und viele
andere dieser machtvollen und konstruktiven Gefühle noch.
Diese Lebenswelt musste zwar stets gegen die Erwachsenen
und ihre "Erziehungsnotwendigkeiten" verteidigt werden,
doch zum Glück gab es Erwachsene und Erziehung nicht
rund um die Uhr. Wir hatten unsere gleichaltrigen Freunde,
auch als "Kinder" definierte Menschen. Bei ihnen konnten
wir authentisch sein, wirklich leben, voller Ideen und mit uns
selbst im reinen. Es war ein Raum ohne die Verwirrung und
die Absonderlichkeiten, in die uns die Erwachsenenwelt mit
ihren Werten und Gefühlen verstrickte.
Diese Momente des erwachsenen- und erziehungsfreien
Erlebens mit den Gleichaltrigen gaben uns die Kraft, lange
Zeit Widerstand gegen alle möglichen Erziehungsansprüche
zu leisten. Doch schließich holte uns das demoralisierende
Gift "Ich weiß besser als Du, was für Dich gut ist" nach und
nach ein. Und der Glaube an uns und unsere eigene Kraft,
Würde und Selbstliebe wurde nachhaltig gestört oder gar
zerstört.
Aber wir haben überlebt! Denn der Kern unseres Selbst und
unsere Kindheitsgefühle sind unzerstörbar. Und wir können
uns mit der amicativen Sichtweise wieder so sehen lernen,
wie es unserer eigenen uralten und liebevollen Selbstwahr-
nehmung entspricht.
Fortsetzung folgt.