Mittwoch, 10. Mai 2017
Kinderland: Pferde, Hunde und Co.
Als ich mit den Kindern meines Forschungsprojekts über
postpädagogische Beziehungen unterwegs war, habe ich
ab und zu etwas von unseren Erlebnissen aufgeschrieben.
Hier sind drei Situationen mit Claudia, sie ist 12 Jahre alt.
*
Claudia liebt Pferde. "Ich will dort zu den Pferden."
"Aber nicht über den Zaun." Wenn sie so einfach in die
Koppel geht, das könnte gefährlich werden, denke ich. Am
Zaun gibt es Krach. Sie will rüber, ich habe Angst. "Mir
wäre lieber, wenn Du nicht rübergehst." Beginne ich, Clau-
dia zu beherrschen? Ich merke, dass ich damit anfange. Mir
fällt etwas ein: Ich kann ja weggehen und muss nicht dabei
sein, wenn sie über den Zaun klettert. Sie weiß, wie ich
darüber denke, und die anderen, die dabei sind, können es
bestätigen, wenn etwas passiert. Ich mauschel mich irgend-
wie aus der Affäre, aber ich habe Machtkämpfe satt. Und
ich überlege mir, dass ich mich beim nächsten Mal nicht
mehr so anstellen werde. Claudia kommt dann rasch nach,
wir kommen ins Gespräch über Pferde. Ich erfahre, dass sie
Turniere reitet. Na bitte - wieso muß ich immer Angst
haben?
*
Claudia muss heute auf einen Hund aufpassen. Wir fahren
zu meiner Wohnung, und ich sage: "Der Hund bleibt im
Auto. Er ist mir zu schmutzig, und ich habe keine Lust,
nachher extra sauber zu machen." Er starrt wirklich vor
Dreck! Nach einer Weile schleppt Claudia den Hund in die
Wohnung. Ich bin sauer und fühle mich nicht akzeptiert.
"Ach, der tut doch nichts", sagen die anderen. Sie verstehen
nicht, wieso ich gegen den Hund bin. Aber sie bekommen
mit, dass ich nicht will. Sie reden auf Claudia ein, den Hund
wieder rauszubringen. Aber sie will nicht. Ich ärgere mich.
Erst als wir wieder zurückfahren, nach zwei Stunden, werde
ich gelassener. Sie hat eben gewonnen, sage ich mir. Das
kommt vor. Ich kann die Niederlage jetzt annehmen und
habe zu Claudia wieder gute Gefühle. Und ich denke listig,
dass wir nicht wieder zu meiner Wohnung fahren, wenn "so
ein süßer Hund" dabei ist.
*
Claudia hat wieder den Hund dabei. "Der kommt nicht
in die Wohnung." Das steht fest. "Wir können ja auch
woanders hinfahren", biete ich an. "Ist gut, er kann im Auto
bleiben", Claudia ist einverstanden. Dann aber, in meiner
Wohnung: "Der ist doch so allein im Auto." Dass sie mit ihm
im Auto bleiben kann oder dass wir alle woanders hinfahren,
will sie nicht. "Lass ihn doch rein." Als ich dann mal nicht
aufpasse, ist der Hund da. Ich kommandiere ihn auf den
Balkon und lasse mich auf nichts ein. Claudia ist wütend. Sie
geht mit auf den Balkon. Sie redet nicht mehr mit mir. Ich
habe blöde Gefühle, aber auch keine Lust, mich schon wie-
der unterbuttern zu lassen. "Claudi friert", sagen die anderen.
Sie sind auf ihrer Seite. Bin ich zu kleinkariert? Ich will eben
nicht. Wir hatten schließlich ein Abkommen, und wir hätten
ja auch woanders hinfahren können. "Dann bringt ihr doch
eine Jacke", reagiere ich, Auf der Rückfahrt sagt mir Claudia,
wie gemein ich bin. Ich lasse ihr ihre Meinung und denke
nicht daran, sie "umzustimmen". "Ich hatte keine Lust auf
den Hund in meiner Wohnung" ist alles, was ich sage. Und:
"Letztes Mal hast Du gewonnen, heute Hubertus. Ihr könnt
Euch wieder vertragen" sagt Moni (11). "Besser, Du bringst
den Hund nicht mehr mit", sagt Jürgen (13). Beim nächsten
Treffen verstehen wir uns wieder. Über die Hundegeschichte
wird nicht mehr geredet.