Dienstag, 27. Juni 2017

Klartext, amicativ. III



















Fortsetzung vom 26.6.

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Das Leben jenseits der Erziehung beginnt der Erwachsene,
weil dies für ihn selbst wichtig ist. Er trifft seine Entscheidung
für sich und nicht für die Kinder. Amicativ durchs Leben zu
gehen ist für ihn ein unverzichtbarer Wert geworden. Die
Wirkung dieser inneren Veränderung auf andere - den Part-
ner und die Kinder - ist vielfältig und von Hoffnungen und
Ängsten begleitet. Solche Erfahrungen mit grundlegenden Ver-
änderungen werden in vielen Bereichen gemacht, so z.B. in
weltanschaulichen, moralischen, religiösen, politischen.

Zwischen beiden Positionen ist kein Kompromiß möglich. Man
kann entweder der Auffassung sein, Menschen seien zu 100 Pro-
zent selbstverantwortlich von Anfang an, oder man ist nicht
dieser Meinung. Wer etwa auf 99,5 Prozent Selbstverantwortung
setzt, behält sich einen Rest Verantwortung für andere vor, sein
Gleichwertigkeitsgefühl ist in dieser Frage um ein entscheidendes
Element anders, mit einem Vorbehalt versehen.Heute sind viele
Erwachsene großzügige demokratisch-partnerschaftliche Erzieher,
die die Verantwortungsleine, an der sie ihre Kinder halten, recht
lang machen. Aber sie halten die Leine letzlich doch in der Hand,
während amicative Menschen diese Ich-bin-für-dich-verantwortlich-
Leine endgültig durchgeschnitten haben. Der Gegensatz von Ami-
cation und Pädagogik ist ein Radikalismus.
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