Freitag, 23. Juni 2017

Pädagogische Augen - pädagogischer Mensch



















Die amicative Analyse hat offen gelegt, dass alle pädagogischen
Theoretiker und Praktiker eine gemeinsame Basis haben – so
verschieden ihre Positionen auch sein mögen. Diese übergreifende
Basis ist das pädagogische Bild vom (jungen) Menschen, das sich
in den Büchern und Konzeptionen der pädagogischen Autoren,
Wissenschaftler und Theoretiker findet und in jeder Handlung
eines pädagogischen Menschen lebt.

Die pädagogische Welt hat eine einheitliche Basis. Über die Frage
aber, wie man den Umgang mit Kindern von dieser Grundlage aus
gestalten soll, wird gestritten. Da gibt es viele Richtungen: antiauto-
ritäre Erziehung, autoritäre Erziehung, demokratisch-partnerschaft-
liche Erziehung, sozialistische Erziehung, christliche Erziehung,
Montessoripädagogik, Waldorfpädagogik, permissive Erziehung,
emanzipatorische Erziehung, Laissez-faire-Erziehung, Situations-
pädagogik, usw.

Wie ist das pädagogische, das traditionelle Bild vom jungen
Menschen? Es geht um das Fühlen der Gleichwertigkeit, jedoch
nicht um ein allgemeines Gleichwertigkeitsgefühl. Dass Kinder
gleiche Würde wie Erwachsene haben – dies wird sicher von
pädagogischen Erwachsenen ebenso gefühlt wie von amicativen.
Es geht um etwas Spezielles im Bereich des Gleichwertigkeits-
gefühls.

Es geht um die folgende traditionelle, die pädagogische Grund-
position:

Menschen können nicht von Geburt an das eigene Beste selbst 
spüren.

Diese Fähigkeit haben Menschen nicht. Sie können nicht von
Anfang an für sich selbst verantwortlich sein. Andere können
und müssen an ihrer Stelle entscheiden, was ihnen wirklich nutzt
und was ihnen wirklich schadet. Andere müssen für sie die Ver-
antwortung tragen. In Bezug auf die Selbstverantwortung besteht
keine Gleichwertigkeit von Erwachsenen und Kindern.

Die Mutter ist für ihr Kind verantwortlich, der Vater ist für sein
Kind verantwortlich, der Lehrer ist für seine Schüler verantwort-
lich. Allgemein ist die Erwachsenenwelt für die Kinder verant-
wortlich. Es gilt: »Ich, der Erwachsene, weiß besser als Du, das
Kind, was für Dich gut ist«. Dieser Unterschied wird nicht nur
theoretisch behauptet, er wird gefühlt und gelebt. Es ist eindeutig
und anders ist es nicht vorstellbar: Erwachsene sind für die Kinder
verantwortlich.

Wer diese Position teilt, wird aus amicativer Sicht ein »pädago-
gischer« Mensch genannt. Er stellt seine Beziehung zum Kind auf
die Grundlage, die auch für die Pädagogik maßgebend ist: dass
Erwachsene für Kinder die Verantwortung tragen, weil diese das
eigene Beste nicht selbst spüren können.

Und genau dies wird in der Amication gänzlich anders gesehen.