Montag, 26. Juni 2017
Klartext, amicativ. II
Fortsetzung vom 24.6.
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Selbstverantwortlich zu sein bedeutet zweierlei:
- zum einen: die Welt zu deuten und zu bewerten nach der je
eigenen, subjektiven Perspektive - und hier gibt
es so viele Realitäten, wie es Lebewesen auf die-
sem Planeten gibt, und Menschenkinder bilden
in dieser Fähigkeit keine Ausnahme.
- zum anderen: entsprechend der jeweiligen Perspektive zu
handeln.
Selbstverständlich gibt es sowohl in der Erkenntnisebene als
auch in der Handlungsebene zwischen Erwachsenen und Kindern
immer wieder Unterschiede und Konflikte, und sie werden auf
die víelfältigste Art und Weise bewältigt.
Beispielsweise wird sich kein Erwachsener der Sicht, Deutung
und den Gefühlen eines Kindes anschließen, wenn es das Fenster
öffnet und sagt: "Ich bin eine Taube, ich kann fliegenl" und
Anstalten macht, hinauszuspringen. Der Erwachsene wird zu
seiner Sicht und Deutung und seinen Gefühlen stehen: "Es gibt
die Schwerkraft, ich will kein totes Kindl" und er wird das Kind
vom Fensterbrett holen.
Doch bei aller Unterschiedlichkeit im Erkennen, Deuten und
Fühlen und bei allem verstellten Weg im Handeln: Die Fähig-
keit der Lebewesen - auch jedes einzelnen Kindes - eine eigene
Perspektive zu haben und ihr entsprechend handeln zu wollen,
wird als zu 100 Prozent vorhanden eingestuft. Was nicht bedeutet,
den Perspektiven anderer zustimmen und sich ihren Handlungen
unterordnen zu müssen!
Menschen sind selbstverantwortlich von Anfang an: Auch dies
ist eine Hypothese, eine anthropologische Prämisse, eine Ver-
mutung von Menschen über Menschen, kein Naturgesetz. Diese
Hypothese ist der pädagogischen Hypothese gleichrangig, sie
ist nicht übergeordnet, sie ist nicht untergeordnet. Sie existiert
heute als mögliche Sicht vom Menschen und wird subjektiv
vom einen akzeptiert, vom anderen abgelehnt - wie dies stets
bei Menschenbildern ist.
Die amicative Auffassung (Menschen können von Geburt an
das eigene Beste selbst spüren, sie brauchen keine Stellver-
treter-Verantworter) ist für die Menschen, die entsprechend
denken, fühlen und handeln, zu einer persönlichen, subjektiv
richtigen Wahrheit und Grundüberzeugung geworden. Sie haben
diese Position aus einer Vielzahl von Erkenntnissen und emotio-
nalen Erfahrungen gewonnen, für die sie in ihrer gegenwärtigen
Lebenssituation gerade offen sind. Die Botschaft des Kindes
"Ich bin für mich selbst verantwortlich" hat sie erreicht. Dabei
sind diese Menschen nicht nur davon überzeugt, dass so das
Wesen des Menschen realistisch erfasst wird, sondern vor allem
fühlen sie es, und sie leben danach.
Fortsetzung folgt.
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