Sonntag, 20. November 2016
Schoolwatch, I
Es gibt an vielen Schulen Elterninitiativen, die "School-
watch" heißen. Die Eltern dieser Initiativen haben sich
zusammengefunden, um gemeinsam etwas gegen das
Schulleid ihrer Kinder und die Schultraumatisierung zu
tun.
Die Schoolwatch-Idee hat sich herumgesprochen, die
Medien haben darüber berichtet, in Fachzeitschriften
wurden Artikel geschrieben, an den Hochschulen gibt
es hierüber Seminare, kurz: aus einer Idee ist eine Bewe-
gung geworden. Es gibt inzwischen Schoolwatch-Lan-
desverbände und den Schoolwatch-Bundesverband und
auch im Ausland existieren seit einiger Zeit Schoolwatch-
Initiativen. Alle Lehrer kennen Schoolwatch, sie werden
bereits in ihrer Ausbildung damit befasst, und die mei-
sten Eltern wissen, dass es so etwas wie Schoolwatch
gibt, und viele engagieren sich darin. Und selbstver-
ständlich weiß auch jedes Schulkind von Schoolwatch.
Der Einfluß, der von einer Schoolwatch-Initiative vor
Ort auf das Geschehen einer Schule ausgeht, ist unter-
schiedlich groß und hängt von den jeweiligen Gegeben-
heiten ab. Oft wird die Arbeit von Schoolwatch von den
Lehrern eines Kollegiums abgelehnt, aber es gibt auch
immer wieder Zustimmung und Kooperation. Nichts ist
mehr so, wie es einmal war - als es Schoolwatch noch
nicht gab. Allen Lehrern ist bewusst, dass sie durch diese
Elterninitiativen unter Beobachtung stehen, ob sie es
wollen oder nicht. Und auch die Kinder wissen darum,
dass Ungerechtigkeiten und Demütigungen im Klassen-
zimmer nicht mehr als Selbstverständlichkeit des Schul-
alltags hingenommen werden müssen.
Angefangen hatte es vor 16 Jahren am 29. Januar 2000 - als
eine Mutter in einer kleinen Stadt in Deutschland eine
besonders drastische Herabsetzung ihres Kindes durch ei-
nen Lehrer nicht auf sich beruhen lassen will. Nachdem ein
Gespräch mit dem Lehrer und dem Schulleiter nichts be-
wirkt, bringen die Eltern den Vorfall im Freundeskreis zur
Sprache, und man ist sich einig, dass etwas getan werden
muss. Die Freunde treffen sich wiederholt, sie diskutieren,
machen Vorschläge und verwerfen sie wieder, aber sie sind
entschlossen, etwas in Gang zu setzen. Sie entwerfen ein
Konzept und gründen eine Initiative gegen die Traumati-
sierung durch schulische Demütigungen.
Sie überlegen lange, welcher Name für ihre Initiative
passt, er soll prägnant und aussagefahig sein. Diskutiert
werden "Eltern vor Or" und "Aktion Schule ohne Angst"
und "Verein zur Förderung von Kinderfreundlichkeit an
der Schule" und andere Namen. Letztlich entscheiden sie
sich für einen Begriff, der von den Kindern, die sie um
Rat gefragt haben, bevorzugt wird - denn sie wollen vor
allem die Akzeptanz ihrer Initiative durch die Kinder. Sie
nennen sich also "Schoolwatch", in durchaus gewollter
Anlehnung an das renommierte Worldwatch-Institut und
an Human Rights Watch. Und sie tragen ihre Idee in die
Elternabende und werben urn Mitstreiter.
Die Eltern erleben vielfaltige Widerstände von allen Seiten
(die Schultraumatisierung sitzt bei den Menschen tief und
fest). Sie bekommen zu hören, dass sie den Schulfrieden
stören, dass ihre Arbeit destruktiv sei, dass ein "gläsernes
Klassenzimmer" die Persönlichkeitsrechte des Lehrers miss-
achte. Viele Eltern stimmen in den Chor der Kritik ein,
befürchten, dass durch diese Ideen das effektive Arbeiten
in der Schule behindert wird und sehen den schulischen
Erfolg ihrer Kinder gefährdet. Die Eltern der Initiative
werden von vielen geschnitten und angefeindet. Aber sie
lassen sich nicht beirren. Sie machen sich weiter bekannt
und verteilen ihr inzwischen ausformuliertes Schoolwatch-
Konzept.
Fortsetzung folgt