Samstag, 7. Oktober 2017

Lautkinder und Hundescheiße























Frage beim Vortrag: „Ich bin mit meinem Mann in der Pizzeria,
am Nachbartisch sind Kinder. Sie sind laut, rennen rum, gucken
auf die Teller. Es ist ungemütlich. Was soll ich machen? Ich will
ja nicht kinderfeindlich sein.“

Können Kinder ungemütlich sein? Sind nicht viel zu wenig Kinder
in der Öffentlichkeit? Gibt es da einen kinderfeindlichen Anspruch
auf kinderlärmfreie Zonen? Kuschkinder in der Pizzeria ja, Laut-
kinder nein?

Ich kenne das natürlich auch. Und ich bin not amused, wenn diese
Eltern ihre Kinder im Lokal von der Leine lassen. Und wenn sie
das mit so einem superavantgardistischerm Blick tun: nervt extra.
Diese Eltern ansprechen bringt gar nichts. Macht nur noch mehr
ungute Stimmung. Den Wirt um Ruhe bitten, absurd. Nur: ich will
mich entspannen und bin auf dem Spielplatz gelandet. Nichts gegen
Spielplätze, passt nur grade nicht zusammen.

Tja. Die Kinder sind am falschen Ort, wenn sie hier spielen wollen.
Gibt es falsche Orte für Kinder? Für Menschen? Na ja: Im OP-Saal
wird außer dem Arzt auch niemand sonst akzeptiert, im Cockpit nicht.
Im Konzert tollen Kinder nicht herum, beim Fußballderby nicht auf
dem Rasen, bei einer Beerdigung nicht hopphopp über den Sarg, und
aufs Klo geh ich auch alleine. Es gibt sie schon, die kinderfreien Räume.

Aber die Pizzeria? Italien scheint auf, die Kinder dort in ihrer beiläu-
figen Öffentlichkeit. Hier ist aber nicht Italien. Wie kinderfeindlich
ist das denn, die Kinder hier bei uns in der Pizzeria ruhigzustellen?
Vitalität her! Aber im Museum? Und bei der Adlervorführung? Und
und und.

Ich überlege, was ich der Mutter sagen soll. Dann blätter ich das ganze
Szenario auf. Irgendwie haben die Eltern auch recht, ihre Kinder in der
Pizzeria loszulassen, und solange sie nicht die Salami von der Pizza
klauen...Und irgendwie ist es einfach nur rücksichtslos. Da sehe ich
beides.

„Wenn Sie einen gemütlichen Pizzaabend mit Ihrem Mann machen
wollen, dann sollten sie aufstehen und in einen andere Pizzeria gehen.
Ohne Kommentar, so was bringt nur noch mehr Ungemütlichkeit, die
Antworten der Eltern können Sie sich sparen.“ „Und wenn ich schon
bestellt habe?“ „Einpacken lassen und morgen essen. Erst mal gehen
und gemütlich woanders essen. Es geht um Achtsamkeit für sich selbst:
Diese Pizzeria tut ihnen nicht gut, also weg hier. Gelassen."

"Wenn man in Hundescheiße tritt, kann man gelassen bleiben. Und den
Schuh sauber machen. Man kann sich auch aufregen über seine Miß-
geschicke. Diese lauten Kinder in der Pizzeria sind ein Mißgeschick.
Sie müssen sich nicht aufregen. Sie können gehen und fertig.“

„Die Alternative ist natürlich, diese Lautkinder ins eigene Pizzerialeben
einzubeziehen. Sie ansprechen. Ins Gespräch kommen. Sie zeigen den
Kindern, was sie bestellt haben. Wollt ihr nachher ein Eis? Sowas geht
auch. Schaun Sie, wie sie drauf sind. Aber nicht als Pflicht kindernett
sein. Andere Menschen, auch Kinder, können stinken oder duften.
Trauen Sie ihrer Nase und folgen sie ihr.“