Ich bin zu Besuch. Charlotte, 4 Jahre
alt, stürmt bei der Begrüßung
auf mich zu. „Baust Du mit mir
einen Zoo?“ Ich will erst mal an-
kommen, ein wenig mit ihrer Mutter
plaudern, einen Tee trinken.
Das Kind ist für mich noch nicht dran,
sie wird mir übergriffig, ich
bin nicht ihr Spielroboter. Ich weise
sie ab: „Nein, später. Erst trinke
ich Tee.“
„Was soll ich machen, wenn ich merke,
dass mein Sohn anderen
Erwachsenen auf den Zeiger geht?“ Frage beim
Vortrag neulich.
Dieselbe Problematik, diesmal von der Elternseite
her
„Nach Gefühl“, sage ich auf die
Frage, „je nachdem, wie der Er-
wachsene reagiert. Wenn Sie merken,
dass der andere sich unwohl
fühlt, könnten Sie Ihr Kind
zurückhlalten.Wenn er den Abstand,
den er will, selbst herstellt,
müssen sie nichts tun. Sie können ihn
auch ganz sich selbst
überlassen. Wenn sich dann in ihm etwas auf-
staut und er auf einmal
heftig reagiert und Ihr Kind anharscht, sollten
Sie ihm das nicht
übel nehmen. Vielleicht wartet er auch auf Ihre Hilfe.
Vielleicht
hat er auch so einen unguten Anspruch, dass Sie als Mutter
eingreifen
sollen. Müssen Sie nicht machen, können Sie machen.“
Wie gelassen können wir sein, wenn
unsere Kinder die Grenzen der
anderen überschreiten? Wenn deutlich
wird, dass sie anderen zur Last
fallen? Ist es Sache der anderen,
sich zu wehren? Wie viel Ärger
kommt in mir hoch, wenn von den
anderen der Anspruch kommt,
ich hätte für das richtige (was immer das ist) Benehmen der Kinder
zu sorgen? Ein „Ist doch nicht mein Problem“ ist zwar wahr aber
unfreundlich. Nur, will ich mir das Problem eines anderen aufladen?
Charlottes Mutter fragt mich: „Wird
es Dir zu viel?“ Sie will eingreifen.
„Laß mal“, sage ich.
„Das krieg ich schon hin.“ „Ok“, sagt sie. Wir
plaudern und
trinken Tee.
Ich weise Charlotte eine halbe Stunde
ab, viermal kommt sie. Sie
spielt allein, kommt immer wieder zu mir.
Dann setz ich mich auf
den Boden, und wir haben eine sehr schöne
entspannte Stunde
miteinander.