Samstag, 28. Oktober 2017
Gutsehen
Eine Mutter berichtet, dass ihr Sohn einen kleinen Führer-
schein machen will. Er musste zum Sehtest, und es wurde
eine starke Sehschwäche festgestellt. Jetzt muss er eine
Brille tragen, eine starke, und kann gut sehen. Ihr Sohn ist
15 Jahre alt - und sieht zum ersten Mal in seinem Leben
die Welt so, wie sie ist. So wie wir sie sehen, klar und
deutlich. Er ist fasziniert und überwältigt.
Mich hat das richtig angefasst. Da ist ein Kind - und seine
Eltern bekommen nicht mit, dass er die Welt nur ver-
schwommen wahrnimmt. Klar, er hat dadurch eine ganz
andere Welt erlebt, was auch seinen Wert hat. Aber bitte-
schön: das kann es doch nicht sein! Und nur durch so
einen äußeren Umstand kommt es, dass er richtig sieht.
Es passiert immer wieder, dass wir nicht bemerken, was
mit den anderen ist. Dass etwas nicht so ist, wie es sein
sollte. Ich denke nicht schlecht über seine Mutter, aber
ein "Wie kann denn so etwas passieren?" ist schon da. Nur:
Wie viele Beschwer meiner Kinder habe ich nicht bemerkt?
Keine Ahnung. Ich wünsche mir aber, dass ich sie alle
bemerkt hätte und noch bemerken werde und dafür sorgen
kann, dass sie gehen, diese Beschwernisse.
Und wenn ein Beschwer direkt mit mir zu tun hat? Wenn
die Menschen um mich herum beschwert sind durch
etwas, das von mir verursacht wird? Nicht von einem
Augenfehler oder anderem Umstand, sondern von mir,
meiner Art, meinem Tun, einem Wort oder Satz? Dann
wünsche ich auch, dass ich sie auflösen kann - die Be-
schwernisse und das Leid, das sie enthalten.
Aber wie schwer wird das dann für mich? Kann ich meine
Art ändern, damit andere nicht von mir beschwert sind?
Meine Worte anders wählen? Sätze anders sagen? Dieses
unterlassen, anderes tun?
Wieviel soll/will/werde ich von mir aufgeben, damit es
den anderen gutgeht? Wenn sie durch mich trüb werden,
wieviel operiere ich da von mir weg, damit sie wieder
hell werden? Ich bin kein fehlerhaftes Auge, das zu
operieren oder zu brillisieren ist. Ich bin ein Ebenbild
Gottes und ich liebe mich. Dennoch aber kann und
wird es sein, dass andere an mir leiden.
Muss ich mich ändern für das Glück der anderen? Oder
ist es besser, ihnen zu helfen, mich anders zu sehen,
auf dass sie nicht mehr an mir leiden? Woher kommt
ihre trübe Sicht auf mich? Kann man mich nicht dauernd
hellsehen? Hat ihr trüber Sinn mit mir oder mit ihnen
selbst zu tun?
Ich werde rasch zum beflissenen Selbstveränderer,
wenn an mich heranschwappt "Wegen Dir geht es
mir schlecht!" Aber das ist nur die erste Reaktion.
Dann besinne ich mich darauf, dass ich wie jeder
Mensch Liebe bin und dass von mir kein wirkliches
Leid ausgehen kann. Sondern dass das Leiden an
mir die Erfahrung der anderen ist.
Es ist ja nicht so, dass ich solche Beschwernisse nicht
zu würdigen weiß. Und ich kann - kann - auch helfen,
dass sie sich auflösen und die Leidwunden heilen. Nur:
nicht über die Maßen. Nicht so, dass mein Würdegefühl
dabei weniger wird. Ich stehe zu mir, meinen Taten und
Wortenn, und schau mal, ob ich helfen kann. Ob ich die
Sehhilfe für den anderen finde, mit der er mich wieder
lieben kann. Oder ob ich mich ändere - weil ich das so
will und es dem anderen dann gutgeht und mich sein
Lächeln glücklich macht.
das leiden des anderen berührt mich sehr und bleibt dennoch "seins/ihres " ... und dieses mitgefühl lässt mich erleben dass ich trotz aller individuellen einzigartigkeit und getrenntheit zugleich teil des ganzen unermesslichen phänomens L e b e n bin und somit verbunden ... und all-ein-s ... und diese sowohl-als-auch-realität des existentiellen körperlich-emotionalenen alleinseins und der tiefen seelisch-geistigen verbundenheit .. auch mit euch die ihr das lest .. ist für mich m/ein menschliches dilemma ... schaurig-schön ....
Zitat:
"... doch dieser schmerz ist wie der stockschlag des zen-meisters der mich wieder in die achtsamkeit und damit ins selbstbewusstsein des : ich bin liebe und zitat hubi : "... dass ich wie jeder Mensch Liebe bin und dass von mir kein wirkliches Leid ausgehen kann... " zurückschwingen lässt ..."
Zitat-Ende
Hmmm, komische Leute (stockschlagende Zen-Meister) kennst du, christa.
Und dann noch:
Ich würde mich (auf meine Mitmenschen bezogen) nicht als "Liebe" bezeichnen, sondern bestenfalls auf mich bezogen bleiben und meinen: Ich bin Selbstliebe.
LG HaJo51
Zitat:
"Es ist ja nicht so, dass ich solche Beschwernisse nicht
zu würdigen weiß. Und ich kann - kann - auch helfen,
dass sie sich auflösen und die Leidwunden heilen. Nur:
nicht über die Maßen. Nicht so, dass mein Würdegefühl
dabei weniger wird. Ich stehe zu mir, meinen Taten und
Wortenn, und schau mal, ob ich helfen kann. Ob ich die
Sehhilfe für den anderen finde, mit der er mich wieder
lieben kann."
Nun, Hubertus, ich habe inzwischen viele Jahre lang öfter mal deine Büchertexte (und seit ca- 13 Monaten deine Blog-Beiträge regelmäßig) gelesen, um mir damit selbst zu helfen, in mir entstandene Leidgefühle zu verarbeiten.
Aber ... LIEBEN werde ich dich wegen dieser deiner Selbsthilfe-Aktionen (Bücher schreiben und zum Kauf anbieten, Blog-Beiträge zur Kenntnisnahme anbieten) wohl eher nicht.
Weil ... ich "stehe" nicht auf Männer. *augezwinker*
Gruß vom (schon lange stark kurzsichtigen) HaJo51