Mittwoch, 1. Februar 2017

Der pädagogische Automatismus


Wer für sich selbst verantwortlich ist und sich selbst liebt, den erfüllt es, nach dem
anderen zu suchen. Selbstverantwortung und Selbstliebe enthalten einen sozialen 
Automatismus: 
Nächstenliebe ist deswegen in den Menschen, weil ihnen das selbst gut tut.

Aus amicativer Sicht stört die pädagogische Welt diesen sinnvollen Zusammen-
hang: Die pädagogische Welt spricht den Kindern die Selbstverantwortung ab.
Sie stößt damit die Selbstliebe der Kinder, die immer auch eine soziale Dimension
hat, aus dem Gleichgewicht. Die Kinder verlieren nach und nach die feine Balance,
sich selbst und zugleich die anderen zu lieben. Sie verlernen, dass es für sie selbst
von Nutzen ist, wenn sie sich um das Lächeln der anderen kümmern. Sie erkennen
nicht mehr den Weg, für den eigenen Vorteil so zu sorgen, dass ihnen daraus kein
Nachteil entsteht.

Kinder, die in einer pädagogischen Umgebung großwerden, überhören - verwirrt
und belastet durch die psychische Aggression der pädagogischen Einstellung -
die leisen und lauten Warnsignale der anderen. Sie beginnen, die Grenzen der
anderen zu überschreiten - so, wie die pädagogischen Erwachsenen es ihnen
gegenüber vorleben. Sie geraten in egoistische Bahnen, die ihnen selbst und den
anderen schaden. Aus amicativer Sicht erleben sie ihr Selbst nicht mehr als Teil
des Ganzen, sondern als Gegensatz zu den anderen und der Welt: ihre Harmonie
zerbricht.

Die pädagogische Welt reagiert auf diese von ihr selbst hervorgerufenen Verän-
derungen der Kinder mit um so intensiverer pädagogischer Einflußnahme, mit
dem pädagogischen Automatismus: Erziehung zur Selbstverantwortung, Erzie-
hung zur Mündigkeit, Erziehung zur sozialen Verantwortung, Erziehung zur
Nächstenliebe, usw. Die pädagogische Welt erkennt nicht, dass sie den Unfrie-
den des Menschen mit sich, den anderen und der Welt selbst ausgelöst hat.