In diesem Doppelpost geht es um zwei Aspekte von Herrschaft: Im vorigen Post um den Herrschaftsanspruch, jetzt um die Herrschafts-
ausübung.
Teil 2: ... und wissen, was für andere gut ist
Ich mache mir durchaus Gedanken darüber, was für andere gut ist.
Mir ist dabei aber stets klar, dass dies einzig meine eigenen
Überlegungen sind und dass sie nur in meinen Zuständigkeitsbereich
fallen. Dass sie nicht über den Auffassungen des anderen stehen und
dass sie nicht irgendwie »objektiv« richtig sind. Wenn ich mir
überlege, was für einen anderen gut ist, dann ist dies meine
Überlegung und sie hat keinen Anspruch, wirklich das Maßgebende
für den anderen zu sein, oder gar, dass dieser einsehen müsse, dass
ich recht habe.
»Auf der Mauer balancier lieber nicht, die ist zu rutschig vom
Regen.« – »Lass die kaputte Flasche liegen, da schneidest Du Dich
nur.« – »Bloß kein Eis mehr, Du verdirbst Dir den Magen.« –
»Nicht so wild, das Rad geht kaputt und Du tust Dir weh.« – »Wenn
Du weiterkletterst und runterfällst, brichst Du Dir noch etwas.«
Ich teile mit, was meiner Meinung nach
für den anderen gut ist. Und ich habe auch kein Problem damit,
dies dann als »Ich weiß, was für Dich gut ist« zu bezeichnen.
Oder genauer: »Ich weiß, was für Dich gut sein könnte«.
Aber es kommt nicht auf die Wahl der Worte an, sondern auf die
innere Haltung. Wenn jemand sagt »Ich weiß, was für Dich gut ist«
und dabei die innere Haltung hat »Und richte Dich danach, tu, was
ich sage, denn ich weiß es schließlich
besser als Du«, dann schwingt da etwas Herabsetzendes
mit, und dies lehne ich ab.
Mein Gefühl, meine Einsicht, meine Erfahrung zu dem, was für Kinder
gut ist – sein könnte! – verberge ich nicht. Diese Dinge sind
schließlich in mir. Ich gebe dies an die Kinder weiter, so wie ich
auch meinen erwachsenen Freunden Rat gebe und ihnen Vorschläge
mache. Im Unterschied zur erzieherischen Haltung lasse ich es aber
beim Informieren und bestehe nicht darauf, dass ich recht habe, und
dass die Kinder meine Auffassung teilen und mir innerlich
zustimmen sollen.
Ob sich ein Kind im Handeln nach
dem richten wird, was ich sage, hängt von vielen Faktoren ab. Sicher
folgen die Kinder oft meinen Vorgaben, und ebenso sicher ist, dass
sie dies oft nicht tun. Aus den vielfältigsten Gründen heraus kann
ich ihr Nein häufig akzeptieren. Aber es kann genauso gut vorkommen,
dass ich eine Ablehnung meines »Ich weiß, was für Dich gut ist«
nicht vertragen kann und dann durchsetze, dass gemacht wird, was ich
will. Dann bin ich zu ungeduldig, zu ängstlich, zu verärgert, zu
überzeugt, zu informiert oder sonst irgendwie »klüger«.
Ich übe dann Herrschaft aus, damit geschieht, was ich will. Das ist
klar, und das kann ich dann gerade nicht vermeiden, obwohl ich es ja
eigentlich nicht will. Doch es gibt einen großen Unterschied
zwischen meinem »Tu, was ich als gut für Dich ansehe« und dem
erzieherischen »Tu, was ich als gut für Dich ansehe.« Wenn ich
Herrschaft ausübe und mich durchsetze, schwingt nicht der Anspruch
mit, dass das Kind sich auch meiner Bewertung unterwerfen soll. Ich
beschränke mich auf das Ausüben von Herrschaft, auf das
Durchsetzen, und lasse es in Ruhe damit, ob es das nun einsehen wird
oder nicht.
Bei aller Herrschaft, die immer wieder von mir ausgeht – es ist kein erzieherischer Anspruch dabei, kein Angriff auf das Selbstwertgefühl und die Identität des Kindes. Ich unterwerfe nicht auch noch seine Gesinnung, wenn ich es schon zu einem bestimmten Verhalten zwingen sollte. Und die Kinder können das, wozu ich sie zwinge, für völlig unmöglich halten. Das fordert mich nicht heraus und macht mich nicht aggressiv. Sie können ihre Meinung über mich zurückhalten oder offen aussprechen. Und oft ist es so, dass ihr freimütiger Protest mein Herrschen unterbricht und beendet.
Bei aller Herrschaft, die immer wieder von mir ausgeht – es ist kein erzieherischer Anspruch dabei, kein Angriff auf das Selbstwertgefühl und die Identität des Kindes. Ich unterwerfe nicht auch noch seine Gesinnung, wenn ich es schon zu einem bestimmten Verhalten zwingen sollte. Und die Kinder können das, wozu ich sie zwinge, für völlig unmöglich halten. Das fordert mich nicht heraus und macht mich nicht aggressiv. Sie können ihre Meinung über mich zurückhalten oder offen aussprechen. Und oft ist es so, dass ihr freimütiger Protest mein Herrschen unterbricht und beendet.
Als Arnd einmal bei mir übernachten wollte, sagte ich, es wäre
sicher gut für ihn, zu Hause anzurufen und Bescheid zu sagen. Sonst
würde er morgen Schwierigkeiten bekommen. Seine Eltern müssten
wissen, wo er ist. »Ach, das ist doch nicht so wichtig.« »Du
kriegst aber bestimmt riesigen Ärger.« »Macht nichts.« »Wenn ich
für Dich anrufe, sieht es blöd aus.« »Ist doch nicht mein
Problem.« Er wollte nicht tun, was für ihn das Beste war! Und ich
begann zu herrschen: »Dann kannst Du nicht hier bleiben.« »Na gut,
wenn es sein muss. Aber ich finde es total überflüssig. Du stellst
Dich ganz schön an.« Er tat dann, was ich wollte, aber er behielt
seine eigene Bewertung. Da ich nicht den Anspruch hatte, wirklich
recht zu haben und dass er dies einsehen müsse, griff ich ihn in
seinem Selbstwertgefühl nicht an. Und nur deswegen blieb er
überhaupt noch.