Ich bin in einer großen Buchhandlung und sehe mir an, was es grade so gibt an pädagogischen Fachbüchern und Erziehungsratgebern. Ich bin auf der Suche nach Verlagen solcher Bücher, um ihnen das Manuskript meines neuen Buches vorzustellen. Die ungewohnte Konfrontation mit all den Experten erinnert mich an eine spezielle Kritik an meinen Vorträgen.
„Du übersiehst das Bemühen von
Eltern und Fachleuten, neue kinderfreundliche Wege zu erkunden, erste
Schritte zu tun weg vom Oben-Unten hin zur Beziehung auf gleicher
Augenhöhe. Du bist so pauschal und so schwarz-weiß: Nur Amication
ist richtig. Irgendwie arrogant und
kontraproduktiv, denn Du willst doch Menschen für die Amication
gewinnen.“
Also: Da übersehe ich nichts. Auf meinen Veranstaltungen erlebe ich immer wieder Eltern und Fachleute, die sich zu lösen beginnen vom traditionellen Erziehungs-Oben-Unten. Intuitiv, ohne Theorie, mit dem Herzen fühlend, absprungbereit, erste Schritte wagend, oder schon voll im (nicht)pädagogischen Neuland unterwegs. Dies ist für mich anrührend zu sehen, und ich wünsche mir viele viele solcher Erwachsener.
Meine Texte und meine Vorträge und Seminare sind voll Klarheit und Wahrheit: Erziehung hier - Nicht-Erziehung/Amication/Postpädagogik dort. Mit intellektueller Kraft sehe ich den Unterschied, und ich trage diesen Erkenntnisimpuls gern und beschwingt weiter und male freudig meine Wortbilder. Ohne Intuitives herabzusetzen, ohne das Suchen, Fragen, Beginnen, Zweifeln abzutun!
Und bei all meiner intellektuellen
Klarheit nehmen meine Zuhörerinnen und Zuhörer auch meine
Herzenswärme wahr, aus der heraus ich all dies überhaupt erst
hervorhole. Ich bin als Botschafter unterwegs, als Kind im
Erwachsenenland. Meine intellektuelle Trennschärfe wird von den
meisten Menschen, die mir zuhören, gern angenommen, durchaus auch
staunend, dass das, was sie spüren, bereits einen solchen
fulminanten Überbau hat.
Das hätten sie nicht gedacht! Und sie sagen, dass ihnen das hilft, weiter auf ihrem Weg zu den Kindern zu gehen, dem Weg, den sie als für sich richtig erfühlt haben. Und sie bedanken sich für diese Hilfe beim Emanzipieren von all den Normen eines „richtigen“ Umgangs mit Kindern, die in ihnen rumspuken und die so viel Macht über sie haben. Und die von so vielen einflussreichen und renommierten Persönlichkeiten zustimmungsfordernd daherkommen, von
Aebli, Böhm, Bosco, Brezinka, Brunner, Cohn, Comenius, Dewey, Diesterweg, Dilthey, Flitner, Freinet, Fröbel, Ftenakis, Gagné, Gordon, Herbart, Humboldt, Jegge, Juul, Kant, Kerschensteiner, Klafki, Korczak, Hentig, Litt, Makarenko, Meves, Mollenhauer, Montessori, Neill, Nohl, Pestalozzi, Piaget, Pikler, Pawlow, Petersen, Platon, Prekop, Reich, Rousseau, Roth, Schleiermacher, Skinner, Sokrates, Spranger, Steiner, Uschinski, Wild, Wyneken, Ziller, Zulliger, Hinzius und Kunzius.
Forderungen, die in all den Fachbüchern
und Erziehungsratgebern stecken, dass den Müttern und Vätern ganz
schwindelig wird. Ganz abgesehen davon, was sich in ihnen angebraut
hat, wie sie sein sollten, als ihr erstes Kind kam. Sie wollen sich
davon lösen, weil sie das alles ungut finden. Und da komm ich ins
Spiel und biete ihnen halt etwas Medizin an, damit sie ihr
Gleichgewicht besser halten können. Eine spezielle Mixtur aus
Intellekt und Emotion, Emanzipation und Gelassenheit, Selbstliebe und
Empathie, Zweifellosigkeit und Überzeugtheit.
Diese amicative Medizin ist dem einen süß, dem anderen bitter. Ich aber freue mich, wenn sie hilft.