„Ich warte.“ Die
Kinder sollen bitte sehr aus dem Auto steigen, es geht zum Einkaufen.
Aber sie spielen weiter mit einem alten Handy rum. Ich bin
ausgestiegen und warte. Ungern. Ungerner. Noch ungerner. Ich öffne
unsanft ihre Aussteigetür. Dann kommt endlich Bewegung ins Feld.
Einer steigt aus. Der andere noch nicht. Mein Warten wird schwer,
explosiv. Dann kommt auch der zweite. Der Weg zum Geschäft ist
lastig, wartelastig. Jedenfalls nicht unbeschwert und heiter. Die
Sonne scheint zwar, aber nur am Himmel.
Wieso kann ich nicht
warten? Einfach da sein und warten? Was bremst mich aus? Ich bin
heute Vormittag gern mit den Kindern in der Stadt. Wir haben etwas
vor, Einkaufen und mal sehen. Doch ihr Nichtaussteigen vertreibt die
Leichtigkeit des Seins.
Warten - welch grandioses Thema. Eine
Lebensthema. Auf alles und jedes und jede und jeden wird gewartet.
Dass er/sie/es kommen möge. Nicht kommen möge. Dass es vorbei ist.
Dass es nicht vorbei ist. Endlos, uferlos. Und immer wieder mit
diesem unangenehmen Ton dabei.
Wenn ich gut bei mir bin, mit
den Wolken fliege oder die Sonne genieße, dann gelingt das Warten.
Dann könnte ich die Kinder in ihrem Spiel sehen, auch jetzt, wo sie
nicht aussteigen. Sie sind doch in der Freude, in ihrem Spiel eben.
Was muss ich das stören, zerstören durch meine Pläne, meine Eile,
meine Ungeduld? Warum muss es jetzt nach mir gehen („raus jetzt,
sofort“) und nicht nach ihnen („gleich, wir sind noch nicht
fertig“)?
Ich bin da irgendwie auf ein ungutes Gleis
geraten. Wirklich eilig ist es nämlich natürlich sowieso und
niemals nicht. Ich sinne nach. Und merke, dass ich mich nicht ernst
genommen fühle. Dass ich mich von ihrem Spiel herabgesetzt fühle.
Ausgebremst fühle. Blöd dastehe. So neben der offenen Autotür, mit
dem Einkaufsbeutel in der Hand. Das ist ganz schön absurd, skurril,
grotesk. Was macht sich da in mir breit?
Alte selbst
erlittene Kindersachen. Gedrängt zu werden. Dauernd gedrängt zu
werden. Von den Wichtigkeiten und Notwendigkeiten und Sowiesoigkeiten
der Erwachsenen. Alles hatte aufzuhören, wenn die Großen am Zug
waren. Sie warteten nicht. Sie erwarteten. Dass ich nämlich in die
Spur komme. So, wie sie sich das wünschten, so ganz
selbstverständlich, als Umgangsform von Groß und Klein. Wenn die
Großen sagten, was zu passieren hatte, dann war ich am Zug, das auch
zu tun. Sofort.
So gingen und gehen Erwachsene mit Kindern
eben um, als banale Basis. Erwachsene warten nicht auf Kinder. Es ist
der Grundstandard. Ohne Worte. Wenn das Auto anhält, ich aussteige,
dann steigen die Kinder auch aus. Handy aus und raus. Jedes Warten
ist da unpassend, öffnet die Tür zum Unterordnen der eigenen
Wichtigkeiten unter den Kram der Kinder. Kann man nicht durchgehen
lassen. Führt ins Chaos. Ist völlig alltagsuntauglich.
Ich
bin immerhin heute auf einer Zwischenstation angekommen. Ich kann es
aushalten, bis sie kommen. Werde nicht massiv und so. Aber es ist
sehr schwer. Immerhin kann ich sehen, was sie tun: sie spielen, sie
spielen ja. Sie sind nicht irgendwie aufsässig. Sie spielen ja nur.
Und genau dieses Merken erreicht mich dann beim Gehen zum Geschäft,
wie der Zauberglanz der Sonne.
Es kommt an. Die Freude des
Spielens, die Schmetterlinge aus dem Auto, das Glück des
Handyspiels. Die Melodie des Lebens dringt bis zu mir vor, lacht mich
an. Ich beruhige mich. Und dann kann ich stehen bleiben, als sie sich
einem Bettler zuwenden, der am Boden sitzt. Ich warte. Er spricht sie
an, sie sehen zu mir, und ich gebe ihnen etwas für ihn. Sie freuen
sich über sein „Danke“ und seinen freundlichen Blick.
Habe
ich es nicht eilig? Das hat sich erledigt. Ich warte. Und genieße
die drei Menschen vor mir, wie sie miteinander zu tun haben, die
Kinder und der Bettler. Ich werde beschenkt. Das Warten öffnet
Zwischentore für Orte, die nicht vorgesehen aber dennoch da sind,
voller Wunder und Geschenke.