Donnerstag, 21. Juni 2018
Friedenskraut ins Chaos!
Die Weltläufte sind grade mal wieder anstrengend. Bei all dem
verrückten Zeug, was zur Zeit abläuft, hat mir das mit dem Weg-
reißen der Babys und Kinder von ihren Eltern echt gereicht. Trump,
spinnst Du endgülig? Schlauerweise hat er diese monströse Gruselig-
keit ja jetzt selbst kassiert - aber es war sein Ding und das geht gar
nicht. Über 2000 Babys und Kinder ...
Nur: Immer nur aufregen ist mir da zu wenig. Ich hab mich angefasst
gefühlt, bei meiner Ehre/Anstand/Wertigkeit gepackt gefühlt: Da muss
ich was tun, das kann ich nicht mehr nur mit ansehen. Einfach nur das
alles blöd/daneben/ungehörig finden ist mir zu wenig. Also was tun.
Aber wie und wo und was?
Ich könnte an die us-mexikanisch Grenze fahren und ... Blödsinn. Ich
mache hier etwas. Etwas, das geht. Etwas, das ich als meinen kleinen
oder großen Beitrag in dieses Chaos werfen kann. Mein Beitrag ist der
Tropfen oder Funken Konstruktivität/Engagement/Liebe, den ich habe
und wachrufen und abrufen kann.
Ich laufe also aufmerksam durch die Gegend und den Tag und lass
meinen Einsatz auf mich zukommen. Keine Hektik, keine überkandi-
delten Aktionen, kein heldenhaftes Gutmenschentum. Einfach mal
sehen, was kommt und was ich kann. Also Mitmischen beim Großen-
ganzen und Meinemkleinen, Friedenskraut in die Chaossuppe!
Vorzeiten habe ich mal so etwas erlebt, es hat mir viel gesagt und
mich begleitet. Ich hols hervor und machs auch so. Da gab es einmal
in einem Geschäft eine lautstarke agressive Aktion des Geschäftsin-
habers gegenüber einem Kunden. Der Kunde schlich irgendwie still
aber auffällig durch den Laden, und das passte dem Inhaber nicht.
Keine Ahnung, ob der eine Klauerei befürchtete oder sonstwas. Jeden-
falls warf er den sich nicht wehrenden Mann mit Theater, deftigem Ge-
schubse lautstark aus dem Laden, blaue Flecken garantiert. Ich war
gebannt, starrte auf die Szene, mir verschlugs die Sprache. Es war
so unangenehm. Nichts wie raus hier!
"Das hätten Sie doch nicht tun müssen. Das kann man doch auch
anders regeln. Was haben Sie denn befürchtet?" Ein Paar hatte wie
ich alles mitbekommen. Sie sprach den Inhaber ruhig an, ohne Vor-
wurf, aber deutlich in ihrer Position. Der Mann unterstütze sie. Der
Inhaber zog sich nach hinten ins Geschäft zurück, sagte nichts. Ich
war - ja was? Verblüfft, überrascht. Ein gutes und warmes Gefühl
stieg in mir auf, ein Stück Himmel über der Hölle. Die beiden zeigten
mir einen Weg. Einen gangbaren Weg. Sie machten Frieden, hier
und jetzt, ohne zu bösisieren. "Der Weg zum Frieden kann nur der
Friede selber sein." (Gandhi). Sie brachten Wärme in die Kälte. Fand
ich echt vorbildlich.
Gestern habe ich mich dann getraut. Ich will ein Paket beim Hermes-
dienst zurückgeben. Im Spielwarengeschäft, die Welt der Kinder, ich
freue mich. Doch beim Betreten des kindzentrierten Geschäfts beginnen
Trump und das Chaos in mir zu rumoren: Babys und Kinder, wegreißen.
Dann: Eine junge Frau mit Kind sind im Laden. Als ich reinkomme,
ist ein unguter Kriegston im Raum. Sie beschuldigt den Inhaber laut-
stark, er hätte ihr Paket verlegt oder sonstwas. "Ich rufe jetzt die
Polizei!" "Dann tun Sie es doch!" Krieg im Alltag. Er geht nach hinten
ins Lager. Jetzt bin ich dran!
Ich bin davor, mich zu blamieren. Ich schäme mich schon mal bevor es
losgeht. Ich merke, dass mir warm wird und ich zu schwitzen anfange
und dass ich rotwerde. Ich mache - egal - den Mund auf: "Ist ja alles
nicht so einfach!" Ich sprech sie an und seh sie an. Volles Risiko. Dass
sie mich anfaucht. Dass ich mir Ihre Wut rüberziehe. Dass ich als unver-
schämter Einmischer/Grenzüberschreiter/Anmaßer gleich beim YouTube-
Pranger aller Welt vorgeführt werde. Außerdem als Mann einer fremden
Frau auf die Pelle rücke, nogo in Meetoozeiten. Also: echt anstrengend!
Sie dreht sich zu mir rum. Ein temperamentvolles Rumdrehen, blitzende
Augen. "Ja, ich rege mich schrecklich auf. Wie kann er das nur machen?
Er hat ..." Redeschwall. Freundlich!!! Ihre Anspannung kommt rüber, aber
auch ihre Entspannung. Ich sage etwas. Sie sagt etwas. Blumen, Friedens-
lächeln. Ich fühle mich beschenkt. Von meinem Mut, dem Leben, und,
natürlich, von der Frau vor mir.
So soll es sein. Mein Beitrag. Mal sehen, wie das weitergeht. Und ich
bin ja auch nicht allein, Dein Engagement steckt an, Christa.