Freitag, 6. Januar 2017

"Da bist Du ja!"


Wir spielen Verstecken. Die 5 Kinder sind zwischen 7 und 16, eins ist 35, und ich. Es ist spät, Mitternacht vorbei, gestern war Silvester. Wir sind bei einem Freund zu Besuch, in einem großen alten Haus mit Keller und Geheimgang. Alle Lichter sind aus, ich bin dran mit Suchen. Ich suche im Dunkeln, die Taschenlampe will ich nicht. Es soll richtig spannend sein. Für mich und die Kinder. Also taste ich mich im Dunkeln durch die Räume, vorsichtig.

Die lang zurückliegenden Erwartungs-Schreck-Gefühle machen sich in mir breit: wenn es passiert, wenn ich jemanden anfasse, wenn ich mich erschrecke, wenn ich mich stoße, wenn ich stolpere. Als ich dann tatsächlich im finstersten Keller an jemanden stoße - echt jetzt, das Gefühl! Dann muß ich ihn auch noch im Dunkeln erkennen, nur fühlen, sehen und reden ist nicht. Geschafft: "Du bist es!" Und dann geht es weiter auf die Jagd. In der Flurgaderobe taste ich herum, da ist nichts, will aufgeben - buaaa!!! vor Schreck fahre ich hoch. Die Versteckte fühlt sich entdeckt und ruft drauflos. O Mann! Worauf hab ich mich eingelassen? Herrliche Gefühle, Grusel-Schreck-Lust. Wir lachen lauthals.

Dann find ich niemanden mehr, dann mach ich die Taschenlampe doch an und finde immer noch niemanden. Schöne Pleite. Aber auch wieder so gut: "Du hast mich nicht gemerkt, ich lag genau da, wo Du das Kissen weggezogen hast. War das spannend!" "Und ich war in der Kiste, Du hast am Deckel rumgemacht, aber nicht reingesehen. Ich bin fast gestorben!" "Stimmt, für die Kiste warst Du doch viel zu groß." "War ich aber nicht." Wir lachen.

Als ich mich dann selbst verstecke. Und unter der Bettdecke sofort entdeckt werde. Wie blöd, kein gutes Versteck. Als ich bei nächsten mal im Stockdunkeln hinter einer Tür regunglos aushalte. Als dann niemand kommt. Als ich dann Piep mache wie das Mäuschen. Als sie dann näher und näher kommt. Und ich die Luft anhalte. Als sie vorbei geht. Ha, nichts gemerkt! "Da bist Du ja!" Heiliger Schreck! Sie hat mich! "Ich seh Dich durch den Türspalt." Als das dann alles so passiert - da wird mir das ganze Szenario gegenwärtig, so, wie es damals war. Und ich merke, dass die Kinder genau dort unterwegs sind. Ich bekomme es mit, ich bin dafür bereit, es schwingt in mir. Ich sag dazu nichts, hör mir ihre Geschichten und Abenteuer an, bin Gast in ihrem Land, bin mit ihnen, bei ihnen, fliege über die Jahre weg in ihr Spiel, fühl mich willkommen, bin da, angekommen und glücklich.