Montag, 30. September 2019

Kinder? Gibts nicht!

 




Bei der Scheunengeschichte vorige Woche (Post vom 23.9.) bin ich über "Kinder" gestolpert. Wieso eigentlich "Kinder"? Jeder weiß, was Kinder sind, wohin er sich mit seinem Nachdenken, Assoziieren, Erinnern begibt, wenn es um Kinder geht. Ja eben: Wir bewegen uns in der imaginierten Kinderwelt, wenn wir Erwachsene die Kinder in den Blick nehmen. In der ganzen Ideen- und Assoziationswelt, die beim Wort/Begriff/Bezeichnung "Kinder" auftaucht.

"Was soll das?" höre ich den jungen Menschen neben mir/in mir fragen. "Ich will nicht aus fremder Sicht gesehen werden. Ich bin eine Einzigartigkeit, die sich nur aus ihrer eigenen Sicht/Welt dem anderen - Dir - erschließt. Wenn Du, Hubertus, mittelalter/älterer/alter Mensch mit mir in Beziehung treten willst, dann geh einen Weg zu mir, der mich erreicht. Das ist nicht 'Kind'. So etwas - der Kinderweg, mich als Kind zu sehen und zu benennen - ist fehl am Platz, ist chauvinistisch, kulturimperialistisch, adultistisch. Lass den Quatsch. Ich bin kein 'Kind', das Fass machst Du bitte nicht auf. Ich bin ein Mensch. Ich bin jung, sehr jung oder mitteljung. Finde einen neuen Namen für mich oder lass es bei 'junger Mensch'. 'Kind' ist so daneben wie 'Neger' für einen Afrikaner."

Ich löse mich mit anstrengendem Nachdenken vom "Kind"-Wort. "Kind" fängt diese ganze Welt ein, die die Amication verlassen hat. Wiewohl ich diesen Begriff ja auch verwende, aber wiewohl er eben auf unpassende und verfehlende Pfade führt. Ich habe "Kind" in mir längst umgedeutet. Aber es ist an der Zeit, passend, im Diversitätswesen, das einfach mal durchzuspielen: Diese Herrschaften mit ihren jungen Jahren sind Menschen, keine "Kinder". Klar sind sie jung (sehr jung, mitteljung, altjung), unerfahren, brauchen alles Mögliche. Und klar gebe ich ihnen, was ich geben kann und was ich denke, das sie haben möchten und haben sollten. Nicht das Thema. Das Thema ist der Zungenschlag, die Denkwelt, die innere Aufenthaltswelt, wenn das Wort "Kind" fällt. Das läßt sich ändern.

"Ich bin kein Kind." - Pause, Innenhalten, Nachdenken. - "Wer bist Du dann?" - "Ich bin ein Mensch". Mit seinen Besonderheiten. Den Besonderheiten eines Neugeborenen, Einjährigen, Zweijährigen, Dreijährigen ... Sechzehnjährigen ... Vierzigjährigen ... Hundertjährigen. Es ist gänzlich irreführend, diesen jungen Menschen dieses Kinderschild auf die Stirn zu heften. Sie haben kein Kinderschild auf der Stirn. Sie haben die Menschenkrone auf dem Kopf.

Im letzten Post schrieb ich von der Volljährigkeit eines Sechsjährigen. So ist es. Alle sind volljährig. Bezogen nämlich auf ihren Status als Mensch. Schon klar, Volljährigkeit bindet sich an das Alter 18 Jahre, aber das ist ja die Irreführung.

Erwachsener. "Erwachsener"? Das geht dann natürlich auch nicht. Das fängt auch die irreführende Sicht ein, macht den kulturimperialistischen Abstand aus. Herrschaft. So was zu erkennen ist alles ungewohnt, klingt gaga. Aber es öffnet den Zugang zu dem, was sich Adultismus nennt. Jedenfalls mein Weg.

Wie stellt es sich darauf ein, auf junge Menschen? Da gibt es das gesamte traditionelle Wissen und Verhalten - was aber durchzogen ist vom Nichterkennen, Nichtanerkennen, Vorbeirennen. Soll das Rad neu erfunden werden? Ja, vielleicht ist es so etwas. Die Kleinlinge sind ja da, wuseln um uns rum. Was soll ich davon halten, wie damit umgehen? Also erst mal: das haben die Menschen seit Millionen Jahren hingekriegt, nur nicht so bange. Und das ganze gelehrte Zeug, die pädagogische und psychologische Wissenschaft? Tja: Von Grund auf korrupt würde ich sagen. Nicht aus böser Absicht, aber eben im Ansatz schon daneben. Aus der Tradition des Maschinenzeitalters, machen, formen. Und sich die Erde untertan machen. Da ist Rehumanisierung dieser Wissenschaften angesagt.

Ich stelle mir Frauenwissenschaft vor. Von Männern erdacht. Da gibt es renommierte Frauenwissenschaftller. Zigtausende von Büchern zu Theorie und Praxis. Unzählige Kurse und Seminare für den Umgang mit den Frauen.

Ich stelle mir Negerwissenschaft vor. Von Weißen erdacht. Da gibt es renommierte Negerwissenschaftler. Zigtausende von Büchern zu Theorie und Praxis. Unzählige Kurse und Seminare für den Umgang mit den Negern.

"Was soll das?" höre ich den jungen Menschen neben mir/in mir fragen. "Ich will nicht aus fremder Sicht gesehen werden. Ich bin eine Einzigartigkeit, die sich nur aus ihrer eigenen Sicht/Welt dem anderen - Dir - erschließt ...".

Es geht den Bedeutungswandel, der im Benennungswandel liegt: "Behinderte" wird zu "Menschen mit Behinderungen". Das wird heute akzeptiert und praktiziert. Also: "Kinder" wird zu "Menschen jungen Alters". Durchaus zu schaffen.