Montag, 28. Januar 2019

Gut fürs Kind und schlecht für mich




 



"Mein Sohn ist 18 Monate alt. Neulich kletterte er auf gestapelte Kisten. Als er auf der dritten stand und zu hüpfen anfing...  Als ich ihn runterholte, was verbaue ich ihm da? Aber wenn er fällt ... Ich bin in einem Dilemma. Was ist richtig? Was soll ich tun? Wann soll ich eingreifen?"

Was ist richtig, was ist falsch? Man hört sich dies und das an. Hat da einer wirklich recht? Letzlich entscheiden wir selbst, verantworten das Eingreifen vor uns, folgen unserer Erkenntnis oder der anderer. Und folgen unserem Gefühl.

Parallel zum Eingreifen rumort aber das Nachsinnen darüber, was denn nun das Beste für das Kind sei. Hätte die Mutter ihren Sohn nicht doch noch klettern lassen sollen? Wie war das mit dem Raum geben im  letzten Post vom 21.1.? Die Welterkundung des Kindes der eigenen Sorge unterordnen? Schlechtes Gefühl zum Kind, gutes Gefühl zu sich. Oder andersrum: Die eigene Sorge dem Welterkunden des Kindes unterordnen? Schlechtes Gefühl zu sich, gutes Gefühl zum Kind.

Wir wollen den Kindern helfen und sie fördern. Und wenn wir uns ihnen in den Weg stellen, dann kommt das nicht so gut. Nicht fürs Kind, nicht für uns - weil wir dann Wegversteller sind. Wir verursachen Leid. Das Kind vom Stapel runterholen ist leidbehaftet.

Geht das anders? "Nein", sage ich, "Wir fügen anderen immer wieder Leid zu. Den Kindern, dem Partner, Fremden. Aus zig Gründen und in zig Situationen. Das lässt sich immer wieder mal nicht vermeiden. Dass wir Leidverursacher sind, gehört zu uns." Wir töten, um zu essen. Wir bekommen den Job, den ein anderer gern hätte. Wir haben beim Abbiegen Vorfahrt. Wir holen das Kind vom Stapel. Ich ja - Du nein. So einfach ist das. Tatsache des Lebens.

Fragt sich nur, wie man damit umgeht. Ich sage der Mutter so etwas Grundsätzliches. Und dann will ich ihr das Herz leichter machen: "Wir sind ja auch immer wieder Freudebringer, nicht vergessen." Und ich erzähle von Jesus, DEM Liebesboten schlechthin, dass auch er Leid verursacht hat. Als er die Geldwechsler aus dem Tempel warf und sie auspeitschte. Sie wollten Geld für ihre Familien verdienen, und er wütete sie an. Leid. Er holte sie vom Stapel. "Und wenn Jesus das passiert, dann kann Ihnen das auch passieren. Entspannen Sie sich, Sie können runterkommen, das schlechte Gewissen ihrem Kind gegenüber ins Museum bringen."

"Machen Sie einfach das, was Sie grad angemessen/richtig/gut finden. Und schieben Sie dabei die Frage, was das Beste für Ihr Kind sei, freundlich zur Seite. Ihr Kind ist jetzt grade nicht dran. Jetzt sind Sie dran, jetzt haben Sie Vorfahrt. Der Kleine kommt dann schon wieder an die Reihe. Aber jetzt nicht. Also seien Sie nicht zimperlich: Runter vom Stapel!"

Das hat die Mutter vor mir erleichtert. Sie hat aufgeatmet. Eigentlich bin ich nicht so direktiv oder anleiterisch. Aber ich hab es weggeschoben, freundlich, dieses wohlüberlegte Nachsinnen "Was ist das Beste für die Mutter?". Ich hab sie einfach vom Stapel geholt. Fröhlich hatte sie da nämlich nicht gehüpft, eher dilemmasiert. Bin ich übergriffig mit meiner Aktion? Ja mei, ab ins Museum mit solchem Denkkram. Ich bin nicht die Marionette des Beste-Finde-Fadens. Und die Mutter ist das auch nicht. Was ich ihr gezeigt habe. Und was sie gut fand.