Montag, 14. Januar 2019

Halt mal eben








Kleiner Alltag. Zu Besuch bei Freunden. Ich bin in der Küche beschäftigt und wasche ab. Beim Abtrocknen ist aller Abstellplatz belegt, ich muss eine neue Abstellfläche schaffen und dafür erst mal bereits abgetrocknetes Geschirr wegräumen. Einen Teller habe ich aber noch in der Hand. Wohin damit? Zurück ins Spülbecken? Und nochmal abtrocknen? Neben mir steht mein Freund, auch küchenmäßig unterwegs, räumt auf. Könnte er nicht mal eben ... Ich denke gar nicht so weit, ob er mal eben den Teller halten könnte, bis ich schnell Platz geschaffen habe. Ich sage automatisch, ohne nachzudenken und halte ihm bereits den Teller hin: "Halt mal eben."

Halt mal eben: Unendlich viele kleine Alltagssituationen, in denen wir den anderen einspannen. Ohne nachzudenken, automatisch. Der steht doch neben mir. Es ist unvorstellbar, dass er das nicht machen würde. Es ist noch unvorstellbarer, dass er nein sagen kömnte. Oder "Halt selber." Sowas Unhöfliches kommt nicht vor.

Tja ... und das geht mir doch sehr durch den Kopf. Weil ich mich neulich als Dackel gefühlt habe. Als Nigger, der mal eben. War echt komisch und kam bei mir nicht gut an. Ein "Eh, wer bin ich denn?" schoss mir durchs Gemüt." Gesagt hab ich nichts, war verdattert, fand es eine Zumutung, und hab gemacht, was ich machen sollte. Diesmal gings um eine Kerze, die ich anzünden sollte. Klar, das war ja nicht so gemeint (Fragezeichen), aber es kam so bei mir an. Ich fühlte mich zum Kerzendackel degradiert.

Wie subtil schleicht sich solche Dackel/Nigger/Handlangergeschichte in vertraute Beziehungen ein? Wenn man auswärts zu Besuch ist, macht man das nicht, dieses "Halt mal eben". Aber in der Familie schon. Mit dem Partner, den Kindern, den Geschwistern, den guten Freunden. Was soll das?

Wenn es alles liebevoll daherkommt, ist es ja gut. Da halt ich auch, ohne drüber nachzudenken. Ich erlebe mich und den anderen dann als Einheit, als Team. Wo einer dem anderen aushilft. Aber da muss der Ton stimmen. Und neulich stimmte er eben nicht, der Ton. Da kam das unwürdig daher. So unwürdig, dass ich hinhörte und ins Nachdenken kam.

Wie selbstverständlich wir unsere Vertrauten in Anspruch nehmen! Und dabei leicht die Sensibilität verlieren, unachtsam werden ihnen, ihrer Würde gegenüber. Etwas selbstverständlich einfordern, was eben nicht selbstverständlich ist. Mit offenen Augen durch die Welt gehen ist sowieso ein gutes Motto. Ich merke, dass ich es auch in meinen nahen Beziehungen beherzigen könntesolltewill. Muss ich nicht, will ich aber. Die Hilfsbereitschaft, das Zur-Seite-Stehen, die Verläßlichkeit der anderen ist keine Selbstverständlichkeit. Wiewohl ich damit rechne und per "Halt mal eben" auch einfordere. Aber da ist der Unachtsamkeits-Einschleiche-Wurm drin. Und den habe ich am Wickel und schick ihn fort.

Ich will das ja auch nicht übertreiben und partnerschaftlich-hyperkorrekt sein. Aber so ein bisschen Staunen vor der Wertschätzung, die die anderen mir gegenüber haben, ist angesagt. Und die ich den anderen gegenüber habe. Nichts ist selbstverständlich. "Klar halt ich" ist ein Geschenk - von Dir und von mir - das nicht vom Himmel fällt, sondern aus unserer Liebe kommt. So einfach ist das.