Freitag, 5. Januar 2018

Hubertus' Schatzkisten





Ich krame in meinen Texten herum und finde
die "Schatzkisten". Geschrieben vor 35 Jahren.
Was ist davon heute noch wahr? Na ja, ich denke,
dass die Kinder heute vieles von ihren Schätzen
offen zeigen können - aber längst nicht alles.

Eine ungute Bemerkung der Großen reicht, und
ein grauer Schleier legt sich über so einen Schatz.
Die zweite ähnliche Bemerkung macht es dann
unmöglich, freude- und friedvoll das zu zeigen,
was einem Kind wichtig und heilig ist. Als Vater
frag ich mich da schon, welche Schätze meiner
Kinder ich nicht gesehen habe - und wo sie wohl
geblieben sind...




        Hubertus, vier Jahre alt.
        Was geht in mir vor? 
        Schatzkisten...

                                                                   ***


]eder von uns trägt viele Schätze in sich. Unsere Kreativität,
unsere Lernfähigkeit, unser soziales Engagement, unsere Fä-
higkeit, nah und hilfreich zu sein, unsere Gestaltungskraft
usw. Die bestehende Kultur lässt jedoch die Katastrophe über
uns hereinbrechen, dass wir unsere Schätze als junge Men-
schen nicht so leben dürfen, wie es uns zukommt. Eine
schier unendliche Angst der Erwachsenen dämmt uns ein,
deckt uns zu, verstümmelt uns und lässt uns schließlich selbst
annehmen, dass wir leer und dumm seien, dass in uns gefüllt
werden müsse, was die Großen dort sehen möchten.

Wenn wir uns im Laufe unseres Lebens als junge Menschen
auch mehr oder weniger damit abfinden, dass wir "in Wirk-
lichkeit" nicht unsere Schätze leben können, dass wir nicht
auf dem Marktplatz inmitten unserer Schatzkisten stehen
und den anderen davon zeigen und sie daran teilhaben
lassen dürfen. Wenn wir "in Wirklichkei" im Zusammen-
sein mit anderen grau und schatzlos, ordentlich und norm-
gerecht sein müssen, so gibt es dennoch ein tief in uns
glühendes Wissen darum, wie wir sein könnten.

Der Kontakt zu unseren Schätzen reißt nie ab, und in sel-
tenen Ausnahmesituationen fühlen wir uns uns selbst ganz
nah: Wenn wir in den Armen unseres Partners glücklich sind,
wenn wir die Ruhe unseres schlafenden Kindes aufnehmen,
wenn wir in der dichten und geheimnisvollen Sommernacht
mit der aufblitzenden Sternschnuppe in den Kosmos fliegen.
Selten, so selten geschieht dies, doch die Sehnsucht nach uns
selbst ist da und sie lebt in uns.

Wir wissen sehr wohl um unsere Schätze, und wir wissen
auch darum, dass wir unsere Schätze als Kinder verstecken,
tief vergraben oder weit hinter den sieben Bergen in dunkle
Urwälder bergen mussten. Wir taten dies, um einerseits in der
von den Großen propagierten und mit Unterdrückung durch-
gesetzten Welt weiter leben zu können, um nicht misshandelt,
für einen bunten Hund, für anormal gehalten zu werden -
um nicht die Liebe dieser Menschen zu verlieren. Und ande-
rerseits starteten wir dieses Bergemanöver, um dennoch uns
selbst nicht ganz preiszugeben, um dennoch der Wahrheit, mit
der wir geboren wurden - nämlich Abgesandte des Lebens
zu sein -, treu bleiben zu können.

Als Erwachsene können wir heute den Mut und die Kraft und
die Energie finden, unsere Schatzkisten zurückzubringen. Wir
müssen nichts mehr verbergen und wir entdecken die wiedergefun-
dene Realität, die wir sind, befreiende und friedenstiftende
Kraft für alle. Dies geht langsam, aber wir sind auf dem Weg
und werden uns nie mehr verstecken müssen.