Partner-Seminar. Eine Frau hat sich von
ihrem Mann getrennt. Sie sagt, dass sie jetzt viel mutiger sei als
früher und gelernt habe, ihrem Expartner entschiedener
gegenüberzutreten. Klar, denke ich, sie hat sich zu viel bieten
lassen, dann ging nichts mehr, und nach dem Auseinandergehen kommt
sie mehr und mehr zu sich.
Aber ich übersehe dabei nicht ihren
Unfrieden. Sie geht zu sich, sie steht zu sich. Sie sorgt für das
Bewahren ihrer Grenze. Da wird sie stärker und mutiger. Sie geht
mehr und mehr von ihm weg und zu sich hin. Die Bewegung von ihm fort
lässt aber eben auch ein unfriedliches Land zurück. Er ist ihr
nicht mehr willkommen - aus gutem Grund. Aber sie hat einen Teil von
sich selbst ihm übergeben, etwas von ihr trägt Unfrieden: der Teil,
der sie ist, wenn er in ihr präsent wird, wenn sie an ihn denkt,
wenn sie ihn trifft und wenn sie ihn ablehnt.
Mut spüren, Nein sagen, Grenze ziehen,
Würde wiederfinden – Kraft für die verletzte Seele. Aber all das
befriedet diesen anderen Teil ihrer Seele nicht. Den Teil von ihr, in
dem er ist. Doch auch das geht. Wir können auch in das eigene Land,
das von uns selbst mit dem anderen gefüllt wird, Kraft, Wärme,
Frieden fließen lassen. Wir können auch dort wieder Liebe einziehen
lassen. Es geht dabei nicht um den anderen, sondern um uns selbst. Um
das von uns, was den anderen in uns weiterleben lässt. Dieser Teil
lässt sich auch nicht heraustrennen – da er unser eigener Teil
ist.
„Was kannst Du ihm nachsehen?“
frage ich. „Was soll ich?“ Nein, das ist etwas ohne Sollen. Es
ist eine Bewegung, eine Auch-Möglichkeit. Wenn wir dem anderen etwas
nachsehen, bringen wir Frieden in unseren Teil, der der andere ist.
Es mildert die Dramatik, das Ungeheuerliche, das Leid, etwas von den
Dingen, die zum Ärger und zum Aus geführt haben. Die Wellen im
eigenen Land werden ruhiger. Jemandem etwas nachsehen – wieso
eigentlich nicht?
Keine Nachsicht: Dafür gibt es tausend
Gründe. Aber der tausendundeinste Grund ist das Tor zur Selbstliebe:
Wenn ich Dir etwas nachsehe, bringt mir das Frieden.
Wenn die Kinder dauernd mit meinem neuen Handy spielen – ich sehe
es ihnen nach. Muss ich nicht machen. Kann ich aber machen. Und ich
mache es. Und wenn ich es mache, kehrt Ruhe, Frieden ein in mein
Aufgebrachtsein. Wenn ihr Ex so ein Wildschwein ist und sie ihm da
etwas nachsieht, von seinem wilden Benehmen: ?!. Möglich ist das,
nicht verboten. Klar ist es auch irgendwie großzügig ihm gegenüber,
aber klarer ist, dass es ihr den Frieden bringt.
„Was kannst Du ihm nachsehen?“
„Dann müsste ich ja irgendwie Frieden mit ihm schließen.“ „Du
musst ihm ja nicht um den Hals fallen. Aber es wird viel Frieden für
Dich dabei abfallen.“ Die Nachsichtkarte kann immer gespielt
werden. Was nicht heißt, sich etwas gefallen zu lassen, wo man das
nicht will. „Her mit dem Handy“ und „dieses Schwein“ ist
immer möglich. Nur: Nachsicht ist von leichterer Art, aus Liebe
gewirkt. Voll Souveränität und Harmonie. Gespielt, wie das Leben.