Samstag, 25. März 2017
Braunrot und Fuchs Schneeflocke
Heute war ich an Jans Grab in Kiel und habe dort für ihn eine kleine Blume
eingepflanzt. Dann bin ich an Meer gefahren, um einen Stein aus den Wellen
aufzulesen. Der kommt auf meinen Schreibtisch, der Jansstein. Es ist ein braun-
roter. Als wir vorzeiten darüber nachdachten, welche Farbe unser Emblem haben
sollte, fand Jans genau dieses irdene Braunrot gut: "So aus dem Urstoff ." Jetzt
beginnt es zu dunkeln, die Sonne ist vorhin untergegangen, und ich sitze auf der
Friedhofsbank und lese ihm aus meinen Gute-Nacht-Geschichten vor.
*
Die kleine Schneeflocke sah sich vorsichtig urn. Am liebsten wäre sie in der
Wolke geblieben, aber jetzt saß sie hier unten. Auf der großen Astgabel. Es
war schon sehr schwierig, sich zurechtzufinden. Ein bisschen mehr nach
links, und sie würde herunterfallen. Ein bisschen mehr nach rechts, und sie
würde auch herunterfallen. Und wenn sie nun geradeaus ging? Vorsichtig
schob sie sich nach vorn. Tatsächlich: dort, wo kein Ast mehr war - der Ast
teilte sich nach links und rechts -, dort, wo gar nichts mehr war, außer Luft
und Abgrund, da konnte sie weitergehen.
Sie schwebte; Sie sank tiefer und landete auf der Nase von Kramondu, dem
lila Fuchs mit den fünf Pfoten. Ich schmelze, dachte sie. Eine Fuchsnase ist
doch viel zu warm für mich. "Du brauchst keine Angst zu haben", sagte
Kramondu. "Ich bin ein kalter Fuchs." "Wirklich?" flüsterte die Schneeflocke.
"Ja doch, das liegt an meiner fünften Pfote", lächelte der Fuchs."Alle Füchse,
die fünf Pfoten haben, sind ziemlich kalt, und keine Schneeflocke muss
schmelzen, wenn sie auf unserer Nase landet". Die Schneeflocke atmete
erleichtert auf.
Der Fuchs wirbelte durch den Schnee, er raste den dunklen Pfad lang und
stoppte vor seiner Burg."Willst du mit reinkommen?" fragte er. Die Schnee-
flocke nickte. Die Burg des Fuchses war lila - so wie er. Alles war lila. Die
Schneeflocke merkte, dass sie auch lila wurde."Du kannst die Wassersprache",
sagte der Fuchs. "Erzähl mir, was Wasser ist". Die Schneelocke dachte nach.
Dann sagte sie dem Fuchs, dass Wasser ein Wunder sei, das man nicht erklären
könne. "Das habe ich mir schon gedacht", antwortete der Fuchs. Er nahm sich
die fünfte Pfote ab und legte sie in eine kleine Schüssel."Was machst du?"
fragte die Schneeflocke erschrocken. "Ich werde jetzt ein Möhrengespenst",
sagte der Fuchs.
Und er wurde langsam zu einer großen lila Möhre. Die Schneeflocke
merkte, dass sie nun der Fuchs war, und sie zählte ihre Pfoten. Es waren vier.
"Also bin ich jetzt ein richtiger Fuchs", dachte sie stolz. Sie biss ein bißchen
von der Möhre ab. Dann lief sie nach draußen und tollte im Schnee herum.
Als Fuchs Schneeflocke zum Eichenplatz kam, warteten die anderen Füchse
auf ihn. "Gut, daß du endlich da bist", begrüßte ihn der älteste Fuchs. Sie
begannen das Fuchslied zu singen. Fuchs Schneeflocke merkte, dass er
schwebte. Er wurde leichter und leichter; und er landete auf der Astgabel.
"He, hallo", freute, sich die Astgabel, "Ich dachte schon, du kämst überhaupt
nicht mehr". "Ich bin ein lila Fuchs", sagte die Schneeflocke. "Weiss ich",
sagte die Astgabel. "Weil du geradeaus gegangen bist." Fuchs Schneeflocke
zählte seine Pfoten, es waren immer noch vier. "Ich muss wieder nach unten",
sagte er. "Ich weiß", sagte die Astgabel. "Wenn du bleibst, wirst du wieder
eine Schneeflocke sein". Da warf die Schneeflocke den Fuchs nach unten,
und sie wirbelte mit dem nächsten Windstoß hoch zu den Wolken.