Frage beim Vortrag: „Ich bin mit meinem Mann in der Pizzeria, am Nachbartisch sind Kinder. Sie sind laut, rennen rum, gucken auf die Teller. Es ist ungemütlich. Was soll ich machen? Ich will ja nicht kinderfeindlich sein.“
Können Kinder ungemütlich sein? Sind nicht viel zu wenig Kinder in der Öffentlichkeit? Gibt es da einen kinderfeindlichen Anspruch auf kinderlärmfreie Zonen? Kuschkinder in der Pizzeria ja, Lautkinder nein?
Ich kenne das natürlich auch. Und ich bin not amused, wenn diese Eltern ihre Kinder im Lokal von der Leine lassen. Und wenn sie das mit so einem superavantgardistischerm Blick tun: nervt extra. Diese Eltern ansprechen bringt gar nichts. Macht nur noch mehr ungute Stimmung. Den Wirt um Ruhe bitten, absurd. Nur: ich will mich entspannen und bin auf dem Spielplatz gelandet. Nichts gegen Spielplätze, passt nur grade nicht zusammen.
Tja. Die Kinder sind am falschen Ort, wenn sie hier spielen wollen. Gibt es falsche Orte für Kinder? Für Menschen? Na ja: Im OP-Saal wird außer dem Arzt auch niemand sonst akzeptiert, im Cockpit nicht. Im Konzert tollen Kinder nicht herum, beim Fußballderby nicht auf dem Rasen, bei einer Beerdigung nicht hopphopp über den Sarg, und aufs Klo geh ich auch alleine. Es gibt sie schon, die kinderfreien Räume.
Aber die Pizzeria? Italien scheint auf, die Kinder dort in ihrer beiläufigen Öffentlichkeit. Hier ist aber nicht Italien. Wie kinderfeindlich ist das denn, die Kinder hier bei uns in der Pizzeria ruhigzustellen? Vitalität her! Aber im Museum? Auf dem Friedhof? Und und und.
Ich überlege, was ich der Mutter sagen soll. Dann blätter ich das ganze Szenario auf. Irgendwie haben die Eltern auch recht, ihre Kinder in der Pizzeria loszulassen, und solange sie nicht die Salami von der Pizza klauen...Und irgendwie ist es einfach nur rücksichtslos. Da sehe ich beides.
„Wenn Sie einen gemütlichen Pizzaabend mit Ihrem Mann machen wollen, dann sollten sie aufstehen und in einen andere Pizzeria gehen. Ohne Kommentar, so was bringt nur noch mehr Ungemütlichkeit, die Antworten der Eltern können Sie sich sparen.“ „Und wenn ich schon bestellt habe?“ „Einpacken lassen und morgen essen. Erst mal gehen und gemütlich woanders essen. Es geht um Achtsamkeit für sich selbst: Diese Pizzeria tut ihnen nicht gut, also weg hier. Gelassen."
"Wenn man in Hundescheiße tritt, kann man gelassen bleiben. Und den Schuh sauber machen. Man kann sich auch aufregen über seine Mißgeschicke. Diese lauten Kinder in der Pizzeria sind ein Mißgeschick. Sie müssen sich nicht aufregen. Sie können gehen und fertig.“
„Die Alternative ist natürlich, diese Lautkinder ins eigene Pizzerialeben einzubeziehen. Sie ansprechen. Ins Gespräch kommen. Sie zeigen den Kindern, was Sie bestellt haben. Wollt ihr nachher ein Eis? So etwas geht auch. Schauen Sie, wie Sie drauf sind. Aber nicht als Pflicht kindernett sein. Andere Menschen, auch Kinder, können stinken oder duften. Trauen Sie Ihrer Nase und folgen Sie ihr.“