"Es ist doch gut, wenn man alles erklärt. Immer wieder. Das hab ich von Anfang an gemacht. Aber jetzt sind die Zwillinge in der Schule und wollen endlos diskutieren. Ich bin oft an meiner Grenze. Manchmal schaue ich nachdenklich zu anderen Eltern und werde neidisch. Die ordnen einfach an: Ab in die Wanne! Das klappt dann auch. Bei mir gibts da endlose Diskussionen. Aber das ist doch richtig. Was meinen Sie?"
Mit diesem ausuferndem Eingehen auf die Kinder habe ich nichts im Sinn. Mit Diskussionen schon. Aber im Rahmen. Den setze ich. Die Wanne muss eben sein. Wie zig andere Sachen auch. Sie muss sein, weil ich das so will. Weil ich das richtig finde. Weil ich nicht der Dackel meiner Kinder bin.
Die Kinder sind schon die Gelackmeierten. Klarer Fall. Sie wollen keine Wanne, aber ich. Ich versuche, sie mitzunehmen, achtsam mit ihren Wünschen umzugehen, wie das heute so schön heißt. Aber eben im Rahmen, in meinem Rahmen. Und ich habe die Macht: die Wanne gehört mir, und die Kinder - auch. Nicht wirklich, schon klar. "Also rein mit Euch!" Pronto!
Diese ganze Verschleierungssalbaderei der modernen Pädagogik und der sensiblen neuen Eltern: Das rauscht doch gnadenlos an der Realität vorbei. Und das ist auch einfach extrem anstrengend. Die Mutter wird neidisch. Welcher Lehre ist sie da aufgesessen? So einer Mischung aus achtsam, antiautoritär, seelenheilkundig. Na ja, solche Eltern gibt es zuhauf. Aber diese Mutter fragt mich ja, sie ist am Limit, sie sucht Hilfe. Was kann ich ihr geben?
Ich halte ihr nicht meine Position unter die Nase. Das ist ja Feindbild und geht nicht für sie. Ein "Ab in die Wanne!" ist nicht ihre Welt. Ich versuche lieber, ihr einen versöhnlichen Gedanken zu zeigen, einen, der sie mit sich selbst in Frieden bringt.
Ich sage zu ihr: Sie sind halt eine Erklärerin. Solche Eltern gibt es. Bei jeder Elternart gibt es Leichtes und Schweres. Es gibt nicht eine Art, die immer nur Lächeln und Folgsamkeit erreicht. Es gibt die Gegensätze - Wanne ja / Wanne nein - , und es gibt verschiedene Arten, damit umzugehen. Man kann im Elternklub der Diskutierer sein ("Schau mal ..."), oder der Anordner ("Rein da!"), oder der Nachgeber ("Ok, heute keine Wanne"), oder der Schlaumeier (So wie die heute drauf sind, wird geduscht), oder der Abgeber ("Mach Du das mit den Kindern"). Und so weiter.
Sie wissen ja, wo Sie da unterwegs sind. Also. Dann diskutieren Sie. Auch endlos. Und stopfen die Kinder schließlich auch gegen deren Willen ins Wasser. Und jetzt kommt das, was ich Ihnen sagen will: Dabei müssen Sie absolut kein schlechtes Gewissen haben. Sie tun doch, was Sie können. Sie erhalten aber keine Zustimmung zu Ihren Argumenten. So ist es. Aber: Sie wollen doch den eigenen Kopf Ihrer Kinder. Den haben Sie bekommen. Der sagt zwar Nein zu Ihrem Begehren. Aber: Er ist da. Ihre Kinder steigen mit ihrem eigenen Kopf ins Wasser. Unzufrieden, gezwungen, wütend - aber mit ihrem eigenen Kopf.
Sie wünschen sich das Zaubermittel, dass die Kinder tun, was Sie gern hätten. Das gibt es, das gibt es nicht. Wie es kommt. Und wenn Sie kein "Ja Mama" bekommen, dann leiden die Kinder. Das lässt sich nicht verhindern.
Ich sage es ihr noch einmal. Eindringlich: "Das lässt sich nicht verhindern". Ich weiß, dass Eltern wie sie genau das aber als inneren Auftrag mit sich rumschleppen: Dass kein Leid/Ärger/Wut/Ungemach bis hin zum Trauma bei den Kindern entsteht, wenn man dies und das an sie ranträgt. Quadratur des Kreises. "Stehen Sie einfach zu dem Leid, das Sie verursachen." Darüber kommen wir dann länger ins Gespräch. Jesus und sein wütendes Durchsetzen im Tempel mit dem Leid der Geldwechsler ist auch dabei. Zum Schluss bekomme ich mit, dass so drüber nachzudenekn für sie neu ist - und irgendwie verboten. Aber süße Frucht. Dass es sie entlastet. Wenn sie für die Kinder eine "Fiese Alte" ist.
Sich einbringen und sich durchsetezn: ein Alltagskram. Überall. Einkaufen, Arzt, Kollegen, Behörde, Autofahren, Partnerschaft. Man steht immer vor der Wahl: Dackel oder Fiesling. Und irgendwann ist man immer mal wieder der Fiesling. Wenn man das schlecht sein kann - dann kann man es eben schlecht. Dann kann man ja nachgeben und Dackel sein und sich dann blöd fühlen. Keine Ahnung, wie man da rauskommt. Ich kenn da meinen Weg, banal für mich: Ich liebe mich halt, so wie ich grad drauf bin, und dann gebe ich nach ("Keine Wanne") oder bin Brutalo ("Schluß jetzt, rein ins Wasser!"). Irgendwie habe ich es da doch leicht und mach mir keinen Kopf. Und von dieser Leichtigkeit erzähle ich der Mutter. Sie nimmt mir das ab - ob sie auch was davon mitnimmt?