Ich war in den Ferien in Wien. Es gibt im Zentrum am Stephansdom Kutschen. Mit Pferden davor, natürlich. Ich lese: Die Pferde sind von 9 bis 23 Uhr vor Ort, von 10 bis 22 Uhr können sie vor die Kutschen gespannt werden und die Touristen durch den Ort ziehen. Neuerdings mit Ohrstöpseln, mit Scheuklappen sowieso.
Ich lese die Flyer der Tierschützer, sehe das Vergnügen der Fahrgäste, sehe den Profit der Kutscher, sehe das Image für Wien. Fiaker (so heißt das Gefährt dort) gehören zur Stadt, seit mehreren hundert Jahren. Was sagen die Pferde, zu mir? Es ist eindeutig: "Hol uns hier raus!"
Bin ich überkandidelt? Stürze ich mich auf die nächste Unterdrückung, die mir über den Weg läuft? Kann ich den Leuten nicht ihren Spaß, Verdienst, Imagepflege lassen? Außerdem bin ich kein Vegetarier, ich sollte schon die Kirche im Dorf lassen.
Das Leid der Tiere rührt mich an. Hier, jetzt. Ich sehe die Pferde ja. Und ich will sie am liebsten sofort da rausholen, aus ihrem Geschirr, und sie in die grünen Hügel beamen. "Wo kann ich unterschreiben?" Kann ich nicht, weil ich kein Wiener bin. Also zieh ich weiter, lass die Hilflosen zurück, im Stich. Fühl mich ohne wirkliche Chance, bin David, lass mal gut sein Alter. Schön ist das nicht, aber so ist es.
Ich engagiere mich ja im Unterdrückungsland, im Herrschaftsland, im Unrechtsland. An meinem Platz, den ich mir zugeteilt habe. Ich kämpfe, kämpfe? Gegen die Unterdrückung junger Menschen, gegen die strukturelle adultistische Grundordnung. Gegen das, was Erziehung genannt wird. Ich beruhige mich: Ich tu ja was! Jetzt nicht auch noch Pferde befreien.
Es gibt so viel Ungutes, so viel "Hilf mir", endlos. Wo kann ich etwas tun, einen Schritt, eine Hand reichen? Ich gebe dem Bettler am Stephansdom einen Euro.Wars das? Ich schreibe einen neuen Post in meinem Blog. Wars das? Tja. Ich pendle mich da ein, rede mich raus und lass mich groß und gütig sein. Man kann nicht alles schaffen. Aber den Pferden am Stephansdom hätt ich eben so gern geholfen. Jammerei. Jammerei?