Neben mir im Kino unterhalten sich zwei Leute. Die Trailer laufen, sie quatschen. Der Film fängt an, sie quatschen. Vor ihnen dreht sich jemand um und bittet um Ruhe. Sie quatschen weiter. Langsam werde ich unruhig und meine Aufmerksamkeit geht vom Film weg zu den beiden hin.
Ich kann sie ignorieren. Dann ist es heute eben ein Film mit Quasseln nebenan. Aber ich muss sie ja auch nicht ignorieren. Dabei verstehe ich sie schon. Sie sind aus anderen Gründen im Kino als ich. Sie treffen sich hier, reden miteinander, der Film ist Kulisse, den kriegen sie nicht mit. Und: sie fühlen sich wohl.
Aber ich mich nicht. Wenn ich sie bitte, mit dem Reden aufzuhören, wird ihr schönes Kino-Rede-Erlebnis in etwas Unangenehmes umschlagen. Wer hat das schon gerne, beim Reden gestört zu werden, erst recht beim trauten Reden im dunklen Kino.
Ich merke, dass ich mich immer mehr gestört fühle. Es wird darauf hinauslaufen: sie oder ich, ich oder sie. Einer von uns wird sich gestört fühlen. Ich mich, wenn sie weiterquatschen. Sie sich, wenn ich sie drauf anspreche.
Ich sitze in der letzten Reihe, wie immer. Sie auch. Umsetzen weiter nach vorne mach ich nur ungern, außerdem ist da viel besetzt. Ich will also hier bleiben, mich nicht umsetzen, und sie sollen die Klappe halten. Ich verderbe nicht gerne jemandem sein Wohlfühlen. Das lässt mich zögern. Aber dann reicht es mir: es ist mein Kinoabend, und mein Wohlfühlen hat jetzt nach 15 Minuten Film mit Gequatsche Vorrang. Also stehe ich auf, gehe die drei leeren Plätze neben mir zu ihnen hin und sage, dass mich ihr Reden stört.
Es kommt eine abmeiernde Bemerkung, Richtung: Ich soll mich nicht so haben. Hab mich aber. Ich reagiere: Dann hole ich die Security. No reaction.
Soll ich wirklich den Dienst holen? Und ob der es schafft, dass nebenan Ruhe einkehrt? Ok, ich mach es. Raus aus dem Film, aus dem Saal. Unten ist nur die Reinigungsfrau. „Ist keiner vom Security mehr da?“
Ich merke, wie mühsam es ist, mir mein Wohlfühlen zu beschaffen. Soll ich es bleiben lassen? Nach Hause gehen? Das Gequassel doch aushalten? Ich spiel das jetzt ganz hoch: Wer ist für mein Wohlfühlen zuständig? Hier im Kino, und überhaupt im Leben? Schon klar, meine Verantwortung. Ich kanns ja auch bleiben lassen, mich jetzt zu kümmern. Ich kann mich aber auch kümmern. Hier im Kino und überhaupt im Leben.
Hier jetzt will ich es durchziehen. „Kein Security mehr da? Das gibt’s doch nicht!“. Doch, sagt sie, er ist hinten. Sie will ihm Bescheid sagen. Sie macht einen verlässlichen Eindruck. Und ich habe mich bemüht, wenigstens, wenn es nicht klappen sollte. „Saal 9“, sage ich, „letzte Reihe“. „Er wird kommen“, sagt sie.
Zurück im Kino, Treppen rauf im Dunkeln, hinsetzen, auf die Leinwand sehen, nichts mitkriegen vor Angespanntsein von der Aktion grade. Nebenan Gequatsche. Na ja, ich beginne, mich dreinzufügen. „Hab mich ja bemüht.“ Finde in den Film zurück. Mit Quatschen nebenan. Es bleibt mühsam.
Dann kommt er, der Security-Mann. Stattliche Erscheinung, Marke Rauswerfer. Ich steh auf uns sag ihm mein Beschwer. „Geht in Ordnung!“, sagt er. Ich fühl mich verstanden und geachtet. Heilung meiner wunden Kinoseele. Ob er was erreicht?
Er redet zwei Minuten mit dem Pärchen nebenan. „Sie können jetzt in Ruhe den Film sehen“, sagt er zu mir. „Sie werden nicht mehr gestört.“ Er geht, ich sitze und lausche, ob sich nebenan was tut. Nein, tut sich nichts. Ich komm runter und fang an, den Film zu genießen. Na also!
Ich weiß schon, dass ich den beiden anderen den Abend versaut habe. Das ist ein echt blödes Gefühl. Aber anders gings nicht, heute nicht. Echt nicht? Hätt nicht gewusst wie anders. Im Film werden grad auch die Bösen ausgeschaltet, das Gute siegt.
Ich bin der Gute. So soll es sein. Und so ist es ja auch. Aber trotzdem hätt ich es gern anders gehabt. So, dass der Filmgauner seine Beute behält und niemand zu Schaden kommt. So, dass die beiden Kinogauner neben mir ihr Wohlfühlgequassel ausleben können und ich mich nicht gestört gefühlt hätte. Ja: im nächsten Leben...Ich fahr dann zufrieden nach Hause. Der Film war gut, und ich war es auch.