Neulich war eine Katze bei
mir. Mein Besuch hatte sie mitgebracht, inclusive Katzenleine. Dann
wollten wir mit den Kindern in den Wald. „Die Katze soll mit!“
Wie bitte? Eine Katze im Wald? Die Katze bekam ein Geschirr
umgebunden, daran die Leine. Tja, es war dann einfach wunderschön!
Unser Kätzchen war auf Du und Du mit der Natur, hüpfte hierhin und
dorthin, spielte mit den Ästen und dem Sand, sauste den Baumstamm
hoch, soweit es mit der Leine ging.
„Aber man kann doch eine
Katze nicht an die Leine nehmen“, geisterte irgendwie bei mir rum.
Doch, man kann. Die Katze im Wald frei laufen lassen - kann man auch
machen. Wenn man sich traut. Mit dem Risiko, dass die Katze dann weg
ist, zu ihrem und unserem Unglück. Das war die Grenze, mehr sollte
es nicht sein.
Wie viel Grenze setzen wir den unseren? Wie
viel Leine habe ich für die Kinder und den Partner parat? Bei
wieviel Freiheit wird mir unwohl? Und wie geht es den Kindern und dem
Partner mit meinen Grenzen und Leinen? Gibt es da einen
Leinenunterschied zwischen meiner Leine für die Katze und meiner
Leine für einen Menschen? Klar doch! Ich lege doch keinen Menschen
an die Leine! Ach wirklich? Es gibt sie nicht zu sehen, wer erlebt
schon, dass ein Mann seine Frau an einer Leine durch die Gegend
führt. Oder eine Frau ihren Mann. Oder ein Vater sein Kind.
Aber
es gibt sie eben, diese Leinen, nicht sichtbar, gewoben aus allem
Möglichen: Angst, Vorsicht, Sorge, Macht, „Liebe“ und so weiter.
Und wie viele Leinen sind an mich angelegt, lasse ich mir anlegen?
Konventionsleinen, Beziehungsleinen, Angstleinen. Von keine Jeans im
Theater bis ehelicher Treue. Also, diese Leinenthematik ist Alltag
und wirkt im Hinter- und Untergrund. Bis es dann mal einen Aufstand
gibt oder ein gutes Gespräch über die Einschränkungen in der
Beziehung, und sich dann die eine oder andere Leine auflöst.
Die
Katze nahm die Leine so selbstverständlich hin. Sie hätte ja auch
einen Anfall bekommen können. Tat sie aber nicht. Brave Katze!
Braves Kind! Braver Mann! Brave Frau! Der Umgang mit der Leine und
der Freiheit des anderen ist ein sehr sehr weites Feld...