Montag, 19. November 2018

Durchsetzen und Gleichwertigkeit








"Durchsetzen" ist ein weites Feld. Wie ich mich denn durchsetze, wenn die Kinder nicht erzogen werden. Wenn sie sich selbst gehören, dann geht das mit dem Durchsetzen doch gar nicht. Folge: die Kinder können tun, was sie wollen. Bedeutet: Ganz und gar unrealistisch. Dass ich Unsinn erzähle, liegt dann im Raum.

Wenn ich mich durchsetze, bin ich oben und der andere ist unten. Nun spreche ich aber die ganze Zeit von der Gleichwertigkeit. Der generellen Gleichwertigkeit, als Paradigma der Postmoderne. Wie geht das zusammen, Durchsetzen und Gleichwertigkeit?

Menschen sind in zwei Dimensionen zu Hause: In der Welt der Dinge und in der Welt der Gefühle, im Außen und im Innen. In der Welt der Dinge wird das Oben-Unten nicht beendet/aufgegeben/schlecht geredet/verworfen. In der äußeren Welt bin ich immer wieder oben, der andere ist unten. Ich nehme Medizin, um Bakterien zu töten. Ich halte mein Kind von der Steckdose fern, um sein Leben zu wahren. Ich gewinne den 100-Meter-Lauf, die anderen verlieren. Amication verlässt in der Welt der Dinge nicht das Oben-Unten. Und in dieser Welt gibt es mit dem Oben halt das Durchsetzen.
                  
Ich setze mich also durch. Wann? Große Vielfalt! Und ich kann mein Durchsetzen auch abbrechen oder es gleich ganz bleiben lassen. Wie es kommt. Wenn ich mich nicht durchsetze, werde ich durchgesetzt. Dann bin ich unten und der andere ist oben. Das lässt sich oft nicht vermeiden, es gehört dazu. Genauso, wie es dazu gehört, dass ich mich durchsetze. Von Gleichwertigkeit ist da keine Rede. Dennoch: Die Gleichwertigkeit zählt. Aber nur da, wo es passt und nicht aus dem Leben herausfällt. In der Welt der Dinge ist Gleichwertigkeit als etwas, das uneingschränkt gelten soll, Nonsens. In der Welt der Dinge kommt selbstverständlich die Gleichwertigkeit vor. Aber nicht als Nur, sondern als Auch. Die Waage im Gleichgewicht ist ein gutes Bild dafür. Oder das Unentschieden im Sport. Oder derselbe Preis beim Einkaufen. Whatever.

Die Gleichwertigkeit zählt für mich uneingeschränkt, als Basiswert, als Paradigma in der Welt der Gefühle/Einstellungen/Werte, in der unsichtbaren Welt, im Innen. Muss nicht sein: Du Schwein, Neger, Unkraut, Spinner, Affe... Da lässt sich genug Oben-Unten finden. Auslachen, Demütigen, Beleidigen, Häme, Verachten, Hassen: Gibts genug von. Muss aber für mich nicht sein, und ist für mich nicht. Ich erkenne in der psychischen Dimension des Menschen die Gleichwertigkeit. Das sehe ich so, das denke ich so, das will ich so. Das ist meine Position.

Diese Innen-Gleichwertigkeit verliere ich nicht bei der Außen-Ungleichwertigkeit. Ich setze mich durch und setze den anderen dabei nicht herab. Durchsetzen ja, Herabsetzen nein. Eigentlich einfach. Eigentlich ganz einfach.

Ja, eigentlich. Wenn man denn diese innere Gleichwertigkeitsidee gut findet und ihr folgen will. Aber. Aber heißt: wir sind in einer Kultur des Oben-Unten auch im Innen groß geworden, mit den Leitgrößen Gut und Böse. Das lässt sich nicht so ohne weiteres ins Museum bringen. Diese Ungleichwertigkeit hat ihr Eigenleben in uns. Macht aber nichts! Soll sie! Ich nehm es mir nicht übel, wenn das erlernte innere/psychische/wertige Oben-Unten irgendwie in mir rumspukt, immer mal
wieder zum Vorschein kommt. Wobei ich ja von mir sage, dass mir das nicht mehr passiert, ein stolzes Wort.

Dass ich also niemanden herabsetze, auslache, demütige, beleidige, häme, verachte, hasse und Co. So bin ich halt unterwegs, und von diesem Unterwegssein in der Gleichwertigkeit erzähle ich auf den Vorträgen. Von den Ebenbildern Gottes, die wir alle sind, die wir aber unterschiedliche Wege gehen. Und wenn mir so ein Weg eines anderen nicht passt, dann stoppe ich ihn klipp und klar in der äußeren Welt. Halte einen Mörder fest, bis die Polizei kommt. Aber ich verachte ihn nicht. Da finde ich meine Position der uneingeschränkten Gleichwertigkeit in der inneren Welt doch sehr friedensmächtig und mach das einfach mal.