Dienstag, 28. November 2017
Man kann keine Fehler machen
"Sie sagen, man kann keine Fehler machen. Was meinen Sie damit?"
Frage auf dem Vortrag. Ich erkläre, aber ich weiß auch, dass meine
Erklärung zum "Keine Fehler machen" nicht jeden erreicht. "Man
macht aber doch Fehler. Und man kommt nur weiter, wenn man
seine Fehler erkennt und daran arbeitet."
Klar mache ich oft etwas anders als eben. Weil das Eben nicht so
war, wie ich es gern gehabt hätte. Ich schlage mir nicht zum zweiten
Mal mit dem Hammer auf den Finger, ich parke diesmal vorsichtiger
ein, ich ziehe mich wärmer an. Der falsche Schlag, das falsche
Parken, die falsche Kleidung: wieviel Fehler steckt da drin? Und
passt "falsch" eigentlich?
Ich bin da schon hellhörig. Um das Wort "Fehler" herum gibt es eine
Ausstrahlung, eine verborgene Botschaft, eine Hintergrundmusik,
die ich nicht mag. Herabsetzung, Besserwisserei, Demütigung,
Schlechtsein. Die ungute Bösewelt taucht auf, wenn von einem
Fehler die Rede ist. Und da jeder Mensch für mich sinnvoll und
Ebenbild Gottes ist, passt das nicht zusammen.
Beim Rechnen kann ich den "Fehler" leichter akzeptieren. 3 plus
3 gleich 7 ist falsch. Ein Fehler? Ein Rechenfehler ja, aber
ein Fehler? Wer drei und drei addiert zu sieben, der fällt aus dem
Sinn, dem universellen kosmischen Sinn ja nicht heraus. Er ist un-
konzentriert in Sachen Algebra, will den Lehrer ärgern, seinen
Protest gegen die Mathematik, die die Atombombe hervorgebracht
hat, demonstrieren oder sonstwas. Er kommt nicht zur mathema-
tisch! richtigen Lösung. Aber seine Lösung "Sieben"" ist nicht in
einem höheren Sinn ein Fehler. "Sieben" ist Ausdruck seines
Insgesamts, seines Sinns, seiner Liebe und Schönheit. "Fehler"
passt nicht, "Rechenfehler" schon.
Bin ich da überdreht? Ist sowas alltagstauglich? Tja, ich verhandle
beim "Fehler" eben etwas Grundsätzliches. Das Fundament der
Amication ist gebaut ohne den Fehler. Ohne die ungute Welt, die
den Fehler umgibt.
Ungute Welten gibt es bei vielen Wörtern, die wir dann ver-
meiden. Sie drücken Zusammenhänge aus, die nicht mehr
passen und ersetzt werden. So eine politische Korrektheit lässt
sich auch übertreiben, aber oft ist es eben stimmig. Statt
"Neger" gilt heute "Schwarze". Und oft fehlt auch ein neues
Wort. "Unkraut" für die Distel und die Brennessel? Sie sind
die Heimat von Schmetterlingen und habe ihren Platz im
Ökosystem. Ein neues Wort für "Unkraut" fehlt. Wie beim
"Fehler". Distel und Brennessel existieren, aber die Unkraut-
wolke hüllt sie nicht mehr ein. Mein Tun und seine Folgen
(Toter Hund, Blechschaden, Erkältung) gibt es, aber ohne
Fehlerwolke.
Ich kann also keine Fehler machen, selbst wenn ich es wollte.
Weil ich die kosmische Konstruktivität, die mich existieren lässt,
nicht verlassen kann. Ich bin aus Konstrutkivität entstanden und
gewoben, jenseits aller Fehlerei.
"Sie können es jederzeit anders machen als eben", sage ich. "Aber
Sie müssen über das Eben nicht schlecht denken. Das Eben war
ja grad eine gültige Gegenwart. Warum wollen Sie ihre Vergangen-
heit schlecht dastehen lassen und ihr - also sich - Vorhaltungen
machen? Kann man tun, mus man aber nicht tun. Man muss nichts
an sich fehlerhaft finden, auch nicht das, was grad schiefgegangen
ist."
Danach kommt dann gleich das Gespräch über das Leid, dass
durch Fehler entsteht. Fußgänger angefahren, Kind angebrüllt,
Partner verlassen. Ja, durch unser Tun entsteht immer wieder auch
Leid, und das ist ein großes anderes Thema. Fehler aber? Passt
auch bei der Leidthematik nicht. Ich tue immer Sinnvolles, Fehler-
loses, und dabei kann es durchaus immer wieder zu Leid kommen.
Fehlerlos sein öffnet nicht das Tor zu leidfrei sein und führt auch
nicht in die Lieblosigkeit. Ohne Fehler zu leben schließt kein Tor
sondern lässt ein Tor offen. Das Tor, hinter dem ich in Harmonie
mit der Welt und mir lebe.