Mein Freund Bogdan, Pädagogik-Professor an der Universität Lodz in Polen, wird zu seinem 70. Geburtstag mit einer Festschrift geehrt. Ich kann mit einen Beitrag mitmachen. In meinen Texten finde ich etwas, das ich dem Fachpublikum gern vorstellen möchte.
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Nicht erziehen - was soll das?
Die Kinder sind da, die Erwachsenen sind da, die Gesellschaft ist da, voller Werte, Orientierungen, Grenzen, Herausforderungen. Es ist alles bereitet und bereit, wenn ein Kind geboren wird. Das Abenteuer Leben kann beginnen. Eltern lieben ihre Kinder, sind Ressource und Trost, Unterstützung und Stützpunkt, wozu um alles in der Welt braucht es da noch Erziehung?
Nun, Erziehung ist eben mehr als das Selbstverständliche. Erziehung ist etwas Besonderes. Erziehung ist die Aufgabe und der Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Kinder gelingen. Dass sie richtige, vollwertige Menschen werden. Erziehung ist Sendung, eine kulturelle und zivilisatorische Mission: aus Kindern Menschen zu machen; sie zu bilden, formen, lenken, ihnen die richtigen Werte mitzugeben und sie an ein Verhalten zu gewöhnen, das sie überlebenstüchtig macht.
Erziehung ist unverzichtbar, ohne Erziehung gibt es Chaos und Unglück. Es braucht heutzutage mehr und vor allem bessere Erziehung, bessere Methoden, bessere Bücher, bessere Seminare. Sind daran Zweifel erlaubt? Jeder weiß, was passiert, wenn zu wenig erzogen wird ... wenn überhaupt nicht mehr erzogen wird – so etwas ist außerhalb des Vorstellbaren.
Wer sollte auch ernsthaft auf die Idee kommen, mit der Erziehung aufzuhören? Dieser Gedanke ist abwegig und ein schlechter Witz. Gegen diesen Gedanken stehen nicht nur die pädagogische Wissenschaft, die zigtausend Erziehungsbücher, das Engagement der unzähligen pädagogischen Professionellen, sondern auch die Lebenserfahrung und der Blick in die Geschichte.
Aber genau dieser Gedanke soll hier gedacht werden.
Nein, nicht der Gedanke vom Ende der Erziehung, der ins Chaos führt. Sondern ein anderer Gedanke vom Ende der Erziehung: ein Gedanke, der einen neuartigen und konstruktiven Weg für Erwachsene und Kinder öffnet.
Es beginnt mit einem Nachsinnen über das Bild vom Kind. Woher wissen Erwachsene, was Kinder sind und wie sie mit ihnen umgehen sollen? Wer kennt sich aus und wen kann man fragen?
Als die Erwachsenen selbst Kinder waren, haben sie von ihren Eltern gelernt, was es für ein Bild vom Kind gibt: das Bild von einem jungen Menschen, der Erziehung braucht, um ein richtiger Mensch zu werden.
Aber – und hier setzt das Nachsinnen ein – dies ist nur ein Bild, eine Vorstellung, eine Vermutung, eine Hypothese. Gewiss, diese Hypothese hat sich bewährt, alles läuft darauf hinaus, dass Kinder Erziehungsmenschen sind und Erziehung brauchen, und jeder verhält sich so. Aber Kinder tragen kein Schild auf der Stirn mit der Aufschrift »Ich brauche Erziehung«. Erwachsene sehen diese Aufschrift, aber sie ist nicht real da, sondern nur im gewohnten Blick, in der gewohnten Interpretation vom Kind.
Und Interpretationen, Bilder vom Menschen, können sich als überholt erweisen.
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Fortsetzung des Texts im
nächsten Post.