In den beiden letzten Posts habe ich über das Selbst-Verantwortungs-Training geschrieben. Das Selbst-Verantwortungs-Training ist eine amicative Gruppendynamik, die in Gruppensitzungen durchgeführt wird, es ist auf meiner Website „amication.de“ ausführlich und im Detail beschrieben. Es ging in den beiden Posts um die Figur des "Garanten". Heute stelle ich ein charakteristisches Element dieser amicativen Gruppendnamik vor: das Bemühen darum, moralisierungsfrei miteinander umzugehen.
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Moralisierungsfrei sein
Das objektiv gefärbte Urteil über den anderen enthält ein destruktives Element: es setzt den objektiven Urteiler über den Beurteilten. Der Beurteilte fühlt sich unten, klein gemacht, demoralisiert.
Wenn in der Gruppensitzung Urteilen mit objektivem Anspruch stattfindet, wird eine Erlebniswelt gestützt, die es aber gerade zu überwinden gilt. Nämlich das besserwisserische „Ich bin für Dich verantwortlich“ und „Ich weiß besser als Du, was für Dich gut ist“.
Solche objektiven Aussagen über den anderen enthalten ein deutliches Element des Moralisierens: den erhobenen Zeigefinger, den Ton des Besseren, die Missachtung des Nicht-so-Guten, die überlegene Art des Aufgeklärten, Informierten,Toleranten, psychologisch Geschulten, des Klügeren, der nachgibt. Immer ein Element, das dem anderen die schlechtere Position zuschiebt.
Stets, wenn solches Moralisieren stattfindet, lässt sich eine spezifische Blockierung in der Gruppe wahrnehmen. Die tief eingeprägten, in der Kindheit erlernten Erstarrungen und Ohnmachtsgefühle schwappen heran, ungute Gefühle breiten sich in der Gruppe aus.
Wenn andere Teilnehmende dann noch in das objektivierende Urteilen einfallen („das hast Du aber wirklich gesagt“), anderen jedoch die selbstverantwortliche, vom Moralisieren freie Art des Umgangs bewusst und wichtig ist, kommt es zur Polarisierung beider Systeme.
Das wird vor allem zu Beginn nicht immer offen ausgetragen. Es schwelt und kommt erst später zum Ausbruch. Es kann dann bei kleinstem Anlass ein wütendes Sich-Wehren gegen ein objektivierendes Urteilen erfolgen, das alle zunächst verwirrt und völlig überzogen erscheint.
Danach ist die Problematik des Moralisierens jedoch endgültig offengelegt, und die Teilnehmenden gehen sensibler mit dem Phänomen um. Sie bemühen sich, Moralisieren zu unterlassen beziehungsweise es sofort zurückzuweisen. Das Moralisieren ist dabei nicht an Formulierungen gebunden. Die können sich sehr freundlich geben. Moralisieren ist eine Sache der psychischen Begegnung, eine Sache des Tons, des Gefühls und der Einstellung.
Es kann auch geschehen, dass der eine oder andere am Moralisieren bewusst festhält, da er vom Urteilen über Menschen mit objektivem Anspruch nicht abrücken will. Im Unterschied zu denen, die unbeabsichtigt immer wieder in das erlernte Moralisieren zurückfallen und die sich Schritt für Schritt davon zu befreien beginnen.
Es wird dann klar, dass so jemand das Selbstverantwortungsprinzip nicht übernehmen kann und will. Entweder beendet er seine Teilnahme vorzeitig – bereichert um diese Erkenntnis – , oder er erlebt gemeinsam mit den anderen die Konfrontation oder auch Koexistenz beider Systeme.
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Das diesjährige Selbst-Verantwortungs-Taining findet vom15. bis 17. November 2024 in Sprockhövel bei Wuppertal statt. Ich werde dabei der Garant sein. Anmeldungen können über meine Website "amication.de" unter "Seminare" vorgenommen werden.