Montag, 29. Januar 2024

Lass mir mein Bild

 


Vorgestern habe ich Amication in einer kleinen Eltern- und Studentengruppe im privaten Kreis vorgestellt. Zum Schluss sagte eine Teilnehmerin, Kerstin, sie habe ein Gedicht geschrieben, es passe gut zum dem, was ich grade erzählt hätte. Wir wollten es alle hören, und Kerstin trug es vor. Ich habe sie gefragt, ob ich ihr Gedicht in meinen Blog stellen könne. Kerstin war einverstanden und hat es mir zugeschickt. 

*

 

Lass mir mein Bild

 

Ich will, dass du mich hältst.

Und dass du sagst:
"ich tröst dich, wenn du fällst"
und "ich bin für dich da,
wenn du mich brauchst". 
Aber ich will auch,
dass du mich respektierst.
Und dein Vertrauen nie verlierst
darin, dass ich es schaffe.
Und dass ich, was ich tu,
am Ende richtig mache.
 
Ich will, dass du mich gehen lässt.
Mich ziehen und verstehen lässt,
wie dieses Leben funktioniert.
Das geht, indem man ausprobiert
und läuft - nicht nur geradeaus.
Mach ich nen Fehler
dann mach du
dir nichts daraus.

Und glaub nicht,

dass du wüsstest
was du an meiner Stelle
machen müsstest.
Lass mir den Pinsel in der Hand,
mal nicht das Bild für mich.
Klar, sind die Farben und die Linien
da nicht einheitlich,
aber ich muss es selber malen,
ganz allein.

Sag nichts dazu,

misch dich nicht ein,
ich muss all das bestreiten.
Also: ich bitte dich, versuch's,
sie nicht zu überschreiten:
die Linie des Respektes zwischen uns.
Die sagt "es ist dein Leben,
und ob ich's möchte oder nicht,
muss ich dir Freiraum geben".

Also versuch es zu versteh'n:

lass mich los und lass mich geh'n,
ich kann's allein.
Willst du behilflich sein,
dann tröst' mich, falls ich falle.
Denn letzten Endes tun das alle
ab und zu.
Doch sei dir sicher und bewusst
dass ich das, was ich tu,
zu guter Letzt
und jedes Mal
auf meine Weise löse.

Zieh ich das Bild aus deiner Hand,
sei mir dafür nicht böse.


Kerstin Mühlhäuser