»Räum Dein Zimmer auf.« Aber das Kind will nicht aufräumen. Ich könnte meinem Kind »seinen Willen lassen«, wie das so schön heißt. Gemeint ist damit die Handlungsebene: Ich könnte es in Ruhe lassen, und es räumt eben nicht auf. Könnte! Will ich? Nein, will ich nicht. Einsehen muss mein Kind ja nichts, klar. Aber tun muss es schon, was ich will.
Tut es aber nicht. Gute Worte verpuffen, ich setze meine Mächte ein: Zwei Euro fürs Aufräumen – und ernte einen schrägen Blick. »Dann kein Zoo morgen«, der Blick wird schräger. Das wird nichts, merke ich. Gefühlsmacht subtil bis zum Anschreien lasse ich lieber. Körpermacht? Wie soll das denn gehen? Mit meiner Hand seine nehmen und per Doppelhand die Sachen ins Regal stellen? Da kann ich ja auch gleich selbst aufräumen.
Ich merke, dass mein Kind heute kein Aufräum-Kind ist. In der inneren Welt. Und dass ich es heute auch in der äußeren Welt nicht zum Aufräumen bringe. Möglich und bekannt wäre jetzt noch: »Bevor Du nicht aufräumst, darfst Du nicht raus!« Das ist zwar fiese Erpressung, aber man weiß halt nichts anderes. Und dann?
»Bin fertig!« Man schaut nach einer Viertelstunde ins Kinderzimmer. »Das nennst Du aufräumen? Ich komme gleich nochmal!« 10 Minuten später: »Bin fertig!« »Wie sieht es denn unterm Bett aus?!« 10 Minuten später: »Bin fertig!« »Wie sieht es denn im Schrank aus?!« 10 Minuten später – usw.
Ich will, dass aufgeräumt wird. Zauberseifenblasen Marke »Aufräumen ist mein Schönstes« habe ich nicht. Ich kann Petrus anrufen und die Beschwerde loslassen: »Ich habe kein Kind bestellt, das nicht aufräumt!« Der knallt den Hörer auf: »Habe ich aber geliefert!«
Wie kriege ich jetzt die Sachen in Regal, Schrank und Schublade? Wer will denn eigentlich, dass aufgeräumt wird? Mein Kind nicht, aber ich. Also! Also: Wer räumt auf? Ich räume auf! »Du räumst für Dein Kind die Sachen weg, ja spinnst Du! Wo soll das hinführen! Die machen doch mit Dir, was sie wollen!«
Ich habe da ganz andere Bezüge. Was will ich denn? Das Gezeter und Theater, 10 Minuten um 10 Minuten, bis die Kinder endlich fertig sind und rauskönnen? Nicht mein Ding. Das ist es mir nicht wert. »Räum Dein Zimmer auf.« »Nein. Will nicht.« Na gut – dann räume ich eben auf. Wo ist das Problem?
Schon klar, das Nachgeben, Kind oben, Vater unten. Das stimmt zwar auf der Handlungsebene, aber nur dort und nicht auf der psychischen Ebene, jedenfalls nicht auf meiner. Ich habe beim Aufräumen kein Unterlegenheitsgefühl. Wenn ich aufräume und die Kinder in Ruhe lasse, gibt es keinen Krach. Sondern Frieden eben, und den zettele ich an. Ich erlebe mich als Friedensstifter im Kinderzimmer, und es geht mir gut dabei. Was habe ich mir für eine viertel oder halbe Stunde Selbstaufräumen nicht alles erspart! Das ganze Machttheater und 10-Minuten-Gruseldrama.
Ich räume mit guter Stimmung auf, das Zimmer ist wirklich okay, und ich habe dabei mitbekommen, welche Spielsachen repariert werden müssen. Und sauber ist es auch. Die Kinder? Hören CD, spielen, helfen ein bisschen. Ich habe eine schöne Stunde, wir haben eine schöne Stunde. Ein guter Tausch: gute Stimmung gegen Ätze. Das mache ich nicht immer, aber durchaus. Ich bestimme über Krieg und Frieden im Kinderzimmer.
Außerdem: Unterordnen ist ja nicht das Problem. Das können wir oft genug problemlos, beiläufig. »Geh tanken« zum Auto? Da muss ich schon selbst ran und ordne mich dem Auto und seinem Spritdurst unter. Nur fühlt sich diese Unterordnung nicht nach Herabsetzung an. Ein Auto tankt nicht selbst, es ist kein Tanke-Auto. Es setzt mich nicht herab, und ich fühle mich nicht herabgesetzt, wenn ich selbst tanke. Mein Kind räumt nicht auf. Es ist kein Aufräum-Kind. Es setzt mich nicht herab, und ich fühle mich nicht herabgesetzt, wenn ich selbst aufräume. Ist es so einfach? Für mich schon.