Montag, 30. Januar 2023

"Verantwortung ist Vorherrschaft"




Neulich hörte oder las ich eine interessante Kombination. Es ging um subtile Gewalt und verborgene Unterdrückung, um Macht und Herrschaft. Wie versteckt kommen diese Dinge daher, auch daher, neben offenkundigem Haudrauf? Welche Schleichwege können sie nehmen? Es ging da hin und her, und dann kam etwas, das mich die Ohren spitzen lies: "Verantwortung ist Vorherrschaft".

Ein Credo meiner Weltsicht ist das "Ich bin nicht für Dich verantwortlich." Nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus Respekt, dass dies ein jeder selbst ist. Dass auch Neugeborene dies sind: für sich selbst verantwortlich. Menschen sind von Anfang bis zum Ende selbstverantwortlich.

Dieses Statement ist eine grandiose Einladung zu Missverständnissen aller Art. Obwohl es auch immer wieder ein klares "So ist es" hervorlocken kann. Die vielen Tore, die das Wort "Verantwortung" zeigt, die vielen bunten Assoziationsfelder und grünen Denkwiesen: da muss Klarheit sein, wo ich bin und wo der Gesprächspartner ist, sonst wird das kaum etwas, so ein Gespräch.

Ich bringe da viele Beispiele, um klarzumachen, was ich meine und wo ich unterwegs bin. Aber die ganzen Beispiele bringen nichts, wenn mein Gegenüber in einem anderen Gebiet unterwegs ist. Wenn er im Land des Sorgens unterwegs ist: "Ich wickle und fütter mein Kind aus Verantwortung". Oder im Land der Anteilnahme: "Es ist meine Verantwortung, meinem Partner in seinem Leid beizustehen." Oder im Land des großen Bogens: "Ich bin für die Umwelt verantwortlich." Oder im Land des Guten: "Ich bin für den Frieden verantwortlich." Zig Länder.

Das Wort "Verantwortung" passt mir da nicht. Es passt mir überhaupt nicht. Denn in meinen Ohren schwingt da etwas sehr Unangenehmes mit, etwas Ungutes, Unzulässiges, Übergriffiges, Anmaßendes, Entmündigendes: Herrschaft. Ich über Dir.

"Ich bin für Dich verantwortlich (Kind, Mensch, Umwelt, Frieden)" setzt mich über jemanden, der nicht aus sich selbst bestehen kann. Weil - weil er es eben nicht kann. Kein Kind kann ohne die Hilfe der Erwachsenen überleben. Kein Friede kann ohne das Engagement von Bürgern bestehen. Und deswegen sind wir alle hier oder dort verantwortlich, jeder an seinem Platz.

Da hau ich dann dazwischen: "Verantwortung ist Vorherrschaft!" Ist das so? Kommt auf den Atem an, auf den Hauch, der diese Einsätze umweht. Welche Umhüllung umgibt den, der sich da verantwortlich fühlt? Die Umhüllung/Botschaft des Missionars, Bevormunders, Herrschers? Wenn es das ist, was ihn trägt und ausmacht: Ist mit mir nicht zu machen. So jemand ist ein unguter Zauberer, der verhext, lähmt, krank macht. So jemand halte ich die magische Blume "Jeder ist für sich selbst verantwortlich" entgegen. Und wer dies versteht, da mitschwingt, die Ohren aufmacht, zu blinzeln beginnt, innehält - mit dem kann mein Gespräch fruchtbar werden.

Waren die Großen meiner Kindheit für mich verantwortlich? Ja, waren sie: In einer guten Art des Kümmerns, der Sorge und der Anteilnahme. Ja, waren sie: in einer unguten Art des Entmündigens, Nichtbemerkens meiner Harmonie/Kraft/Souveränität, in einer gruseligen Vorherrschaft. "Ich helfe Dir, dass Du gelingst und ein richtiger, vollwertiger, für sich selbst verantwortlicher Mensch wirst, der Du jetzt noch nicht bist." Der ich jetzt noch nicht bin? Wie bitte? Ja geht's noch!

Und dann noch alles gleichzeitig und durcheinander und subtil verknüpft. Was einen irre machte. Und was jetzt erst mühsam entdeckt und entwirrt sein will. Amication setzt hier an. Verwirrt die einen - entwirrt die anderen. Entwirrt? Ja, und das ist gut so!


Montag, 23. Januar 2023

Aufräum-Kind

 

 

»Räum Dein Zimmer auf.« Aber das Kind will nicht aufräumen. Ich könnte meinem Kind »seinen Willen lassen«, wie das so schön heißt. Gemeint ist damit die Handlungsebene: Ich könnte es in Ruhe lassen, und es räumt eben nicht auf. Könnte! Will ich? Nein, will ich nicht. Einsehen muss mein Kind ja nichts, klar. Aber tun muss es schon, was ich will. 

Tut es aber nicht. Gute Worte verpuffen, ich setze meine Mächte ein: Zwei Euro fürs Aufräumen – und ernte einen schrägen Blick. »Dann kein Zoo morgen«, der Blick wird schräger. Das wird nichts, merke ich. Gefühlsmacht subtil bis zum Anschreien lasse ich lieber. Körpermacht? Wie soll das denn gehen? Mit meiner Hand seine nehmen und per Doppelhand die Sachen ins Regal stellen? Da kann ich ja auch gleich selbst aufräumen. 

Ich merke, dass mein Kind heute kein Aufräum-Kind ist. In der inneren Welt. Und dass ich es heute auch in der äußeren Welt nicht zum Aufräumen bringe. Möglich und bekannt wäre jetzt noch: »Bevor Du nicht aufräumst, darfst Du nicht raus!« Das ist zwar fiese Erpressung, aber man weiß halt nichts anderes. Und dann? 

»Bin fertig!« Man schaut nach einer Viertelstunde ins Kinderzimmer. »Das nennst Du aufräumen? Ich komme gleich nochmal!« 10 Minuten später: »Bin fertig!« »Wie sieht es denn unterm Bett aus?!« 10 Minuten später: »Bin fertig!« »Wie sieht es denn im Schrank aus?!« 10 Minuten später – usw. 

Ich will, dass aufgeräumt wird. Zauberseifenblasen Marke »Aufräumen ist mein Schönstes« habe ich nicht. Ich kann Petrus anrufen und die Beschwerde loslassen: »Ich habe kein Kind bestellt, das nicht aufräumt!« Der knallt den Hörer auf: »Habe ich aber geliefert!«

Wie kriege ich jetzt die Sachen in Regal, Schrank und Schublade? Wer will denn eigentlich, dass aufgeräumt wird? Mein Kind nicht, aber ich. Also! Also: Wer räumt auf? Ich räume auf! »Du räumst für Dein Kind die Sachen weg, ja spinnst Du! Wo soll das hinführen! Die machen doch mit Dir, was sie wollen!« 

Ich habe da ganz andere Bezüge. Was will ich denn? Das Gezeter und Theater, 10 Minuten um 10 Minuten, bis die Kinder endlich fertig sind und rauskönnen? Nicht mein Ding. Das ist es mir nicht wert. »Räum Dein Zimmer auf.« »Nein. Will nicht.« Na gut – dann räume ich eben auf. Wo ist das Problem? 

Schon klar, das Nachgeben, Kind oben, Vater unten. Das stimmt zwar auf der Handlungsebene, aber nur dort und nicht auf der psychischen Ebene, jedenfalls nicht auf meiner. Ich habe beim Aufräumen kein Unterlegenheitsgefühl. Wenn ich aufräume und die Kinder in Ruhe lasse, gibt es keinen Krach. Sondern Frieden eben, und den zettele ich an. Ich erlebe mich als Friedensstifter im Kinderzimmer, und es geht mir gut dabei. Was habe ich mir für eine viertel oder halbe Stunde Selbstaufräumen nicht alles erspart! Das ganze Machttheater und 10-Minuten-Gruseldrama. 

Ich räume mit guter Stimmung auf, das Zimmer ist wirklich okay, und ich habe dabei mitbekommen, welche Spielsachen repariert werden müssen. Und sauber ist es auch. Die Kinder? Hören CD, spielen, helfen ein bisschen. Ich habe eine schöne Stunde, wir haben eine schöne Stunde. Ein guter Tausch: gute Stimmung gegen Ätze. Das mache ich nicht immer, aber durchaus. Ich bestimme über Krieg und Frieden im Kinderzimmer. 

Außerdem: Unterordnen ist ja nicht das Problem. Das können wir oft genug problemlos, beiläufig. »Geh tanken« zum Auto? Da muss ich schon selbst ran und ordne mich dem Auto und seinem Spritdurst unter. Nur fühlt sich diese Unterordnung nicht nach Herabsetzung an. Ein Auto tankt nicht selbst, es ist kein Tanke-Auto. Es setzt mich nicht herab, und ich fühle mich nicht herabgesetzt, wenn ich selbst tanke. Mein Kind räumt nicht auf. Es ist kein Aufräum-Kind. Es setzt mich nicht herab, und ich fühle mich nicht herabgesetzt, wenn ich selbst aufräume. Ist es so einfach? Für mich schon. 

 



Montag, 16. Januar 2023

Eine pädagogische Erzählung in die amicative Welt

 


Demnächst wird mein neues Buch fertig. Titel: "Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen", so wie meine Vorträge heißen. Im ersten Teil erzähle ich meinen Vortrag, mit vielen Sprachbildern und persönlichen Überlegungen. Dadurch ist es kein reines Sachbuch geworden, das mit einem Sachbuch-Leseblick gelesen werden will. Was ja eine gewisse Mühe bedeutet und, sachbuchgemäß, in rein intellektuellen Gefilden verortet wird. Will sagen: Die Leserin und der Leser eines Sachbuchs wissen, was sie von Anspruch und Leseerleben her erwartet. Was hier aber nicht passt.

Mein Buch ist etwas anderes als ein "reines" Sachbuch. Es hat viele fantasievolle, auch surreale Szenen, ich schreibe persönlich, es ist oft überraschend bis frappierend, und immer wieder anrührend. Also: Sachbuch? Passt nicht wirklich.

Wer das Buch nicht kennt und es zum ersten Mal in der Hand hat, beim Stöbern im Regal der Buchhandlung oder auf dem Wohnzimmertisch bei Freunden, der sieht natürlich zuallererst auf die Titelseite. Und da will ich gleich den richtigen Stups geben: Du hast kein reines Sachbuch in der Hand - viel mehr wird Dir hier geboten. Wie kann ich das rüberbringen? Wie das bewerkstelligen? Da habe ich mir überlegt: ich schreibe gleich vorn auf die Titelseite den richtigen Nachsinne-Öffner drauf. Ein Sachbuch ist es nicht, ein Roman auch nicht. Ein Märchen? Nein, es ist mehr als Fantasy. Aber eine Erzählung? Ja, das kommt hin. Also schreibe ich zu "Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen" dazu, darunter: "Eine Erzählung".

Das ist mit aber zu unspezifisch, zu mark- und farblos. Da muss mehr her. Also: "Eine pädagogische Erzählung". Das soll dem Titelbildleser den richtigen Impuls geben! Es geht nicht um irgendeine Erzählung, sondern um eine, die mit Eltern und Kindern zu tun hat. Und die das darüberstehende "Unterstützen statt erziehen" auffängt, irgendwie in geordnete Bahnen lenkt und nicht in unrealistisches erziehungsloses Chaos. "Pädagogische Erzählung" - klingt ordentlich, gewohnt. Trotzdem interessant: Was soll denn das "Unterstützen statt erziehen"? "Statt"?

Aber "pädagogisch"? In meiner amicativen Welt? Nur keine Berührungsängste! Ich will die Menschen ja dort abholen, wo sie unterwegs sind. Die allermeisten sind vor dem Bücherregal und dem Wohnzimmertisch pädagogisch unterwegs. Dass sie im Buch mitgenommen werden zu anderen Ufern - das werden sie dann schon merken ... Bei "pädagogisch" auf dem Titelbild vergebe ich mir nichts, sondern ich öffne ein Tor. In die amicative Welt.

 *

Aber wie das so ist. Den Text habe ich vor zwei Tagen geschrieben. Drüber nachgedacht. Alles ist gut überlegt, aber. Der Zusatz "Eine pädagogische Erzählung" nimmt die ganze Wucht und das Geheimnis von der Titelseite weg. Erklärt zuviel. Ich lass es also bei dem, wie es die ganze Schreibezeit um mich war, ohne den Zusatz, klar und prägnant:

Kinder sind wunderbar! Unterstützen statt erziehen

Montag, 9. Januar 2023

Wie kommen unsere Kinder mit der pädagogischen Welt zurecht?

 


Wie kommen unsere Kinder mit der pädagogischen Welt zurecht? Nun, sie werden in unserem Haushalt groß. Hier, auf der Insel der Seligen, existiert die erziehungsfreie Welt von Mama und Papa. Aber kaum machen die Kinder die Wohnungstür auf, schon schallt es durch das Treppenhaus anders.

Die Mutter der Familie von nebenan ist erzieherisch unterwegs. Ihre Emotionen und Schwingungen sind gänzlich verschieden von dem, was unsere Kinder aus ihrem Nest kennen. So ist es! Drinnen ist es so, draußen ist es anders.

Die Kinder werden in zwei Welten groß. Und da sie das von Anfang an mitbekommen, verwirrt sie das nicht, sondern es ist ihre Realität. Zu Hause so, woanders anders. Sie können das handhaben. Eins aber ist klar: Von den Herabsetzungstönen, Schimpfkaskaden, Schuldzuweisungen der pädagogischen Welt draußen stecken sie sich nichts an.

Sie wissen, dass die anderen so drauf sind. Dass sie meinen, recht zu haben und Kinder belehren und herabsetzen zu können. Aber das ist deren Ding, unsere Kinder können ihnen das lassen. Es trifft sie nicht. Ihr Schutzmantel ist gewirkt aus dem verlässlichen Achtungskontinuum ihres Zuhauses.

»Wieso habt Ihr Euch die Hände noch nicht gewaschen?!« Tante Meier schimpft. Unsere Kinder sehen sich an. »Was hat sie denn nur? Wieder Rückenschmerzen?« Sie sind nicht gekränkt und fühlen sich nicht herabgesetzt. Sie sind offen für das, was bei Tante Meier dahintersteckt, wenn sie sich ärgert.

Sie sind voller Empathie. Empathie, die in ihnen lebt, weil sie von den wichtigen Personen ihres Lebens – ihren Eltern und deren Freunden – nicht in ihrem Wertgefühl, ihrer Selbstliebe und Selbstkraft gestört werden. »Ist schon gut, wir waschen uns die Hände«, eine leichte Antwort. Und Tante Meier ist zufrieden.

Unsere Kinder kommen in den beiden Welten gut zurecht. Und da sie einfühlsam und freundlich sind, werden sie auch von den erzieherischen Erwachsenen gemocht. Sie sind gerne gesehen in den Familien ihrer Freunde, im Kindergarten, der Schule, der Verwandtschaft.

Von ihren Alterskameraden ganz zu schweigen. Da ist es so, dass die anderen Kinder, denen der Erziehungsgewittersturm täglich um die Ohren braust, erstaunt und begeistert sind, dass sie auf Kinder treffen, die so ganz andere Eltern haben. Und sie kommen gerne zu uns zu Besuch.

»Keine Hausaufgaben gemacht? Wie wollt Ihr denn versetzt werden?!« Der Lehrer brüllt die Klasse an. Alle Kinder ducken sich. Sie kennen das, Alltag rauf und runter: Schimpfe, nichts Neues. Die Kinder sehen vor sich hin, sind gebannt. Sie warten, dass er mit seiner Strafpredigt aufhört.

Mein Sohn richtet sich auf, ist erstaunt, sieht nach vorn, auf den Lehrer. »Was hat er denn nur? Schlecht geschlafen? Krach mit seiner Frau?« Die Schimpfe des Lehrers prallt an seiner Selbstkraft ab, er ist nicht getroffen und gebannt. Seine Selbstachtung erreicht der Lehrer nicht mit der Schimpfe.

Mein Kind weiß, dass es jetzt nichts tun kann, der Lehrer ist viel zu sehr in Rage. Aber nach dem Unterricht, als die Pause beginnt und der Lehrer noch am Lehrertisch sitzt, geht mein Sohn nach vorn und legt ihm freundlich die Hand auf den Arm: »Herr Müller, das schaffen wir schon mit der Versetzung.«

Auf dem Elternabend erzählt mir Herr Müller davon. »Was haben Sie für ein nettes und gut erzogenes Kind.« Ich sage dann nichts dazu. Die Kinder sind ja gerade so, weil sie nicht erzogen werden, nicht durch Erziehung gestört werden und sich ihre Empathie ungehindert entfalten kann. Es bringt aber nichts, einem Menschen, diesem Lehrer, der erzieherisch unterwegs ist, davon etwas zu erzählen. Es sei denn, er ist offen für erziehungsfreie Ideen. Das muss man jeweils sehen.


Montag, 2. Januar 2023

Experten und Emanzipieren

 

 
 

Wer will denn überhaupt wissen, was richtig und falsch ist im Umgang mit Kindern? Die Experten? Die über uns thronen und sagen, wo es lang geht? In unseren Gedanken leben sie schon, diese Schriftgelehrten der Pädagogik und Psychologie. Und haben uns im Griff. Was nicht sein muss.

Ich nenne diesen gelehrten Herrschaften, die gerne so genau Bescheid wissen, freundlich beim Spitznamen. Und hole sie damit vom Sockel. Es kann ja ganz interessant sein, sich mit ihren Ansichten und Expertisen zu befassen. Wem das Spaß macht. Aber es ist nicht die Wahrheit, es ist die Sicht von diesen Menschen auf die Dinge. Und ich entscheide, was ich davon halten soll.

Da läuft mir vor hundert Jahren Sigi über den Weg. »Hubi«, sagt er zu mir, »ich habe da was entdeckt.« »Und was bitte?« »Das Ich, das Es und das Über-Ich. Strukturmodell«, sagt er stolz. »Was soll das«, sage ich, »das gibt es doch gar nicht. Wieder eine Deiner seltsamen Ideen.« »Doch doch«, sagt Sigmund Freud, und fängt an zu erklären.

»Lass den Stuss, Sigi«, sage ich. »Das ist doch Unsinn.« »Nein«, beharrt er, »die machen da eine Wissenschaft draus.« »Wie bitte?« »Ja, das packe ich alles zur Psychoanalyse.« »Jetzt bist Du völlig durchgeknallt, Sigi. Die Sache mit der Psychoanalyse ist doch schon seltsam genug.« Ich bin genervt. »Nein, lass mal«, sagt er überzeugt, »das wird eine große Sache in der Zukunft.« »Echt jetzt? Dann erklär doch noch mal.«

Mary ist am Telefon. »Du hast angerufen?« »Ja«, sage ich, »Mary, was soll das mit Deiner ›vorbereiteten Umgebung‹? Mach doch einfach mal spontan. Die Kinder finden schon ihren Weg.« »Nein«, sagt sie, »die vorbereitete Umgebung ist wichtig.« Und Maria Montessori fängt an zu erklären. »Außerdem«, sagt sie, »ist es wichtig, dem Leben zu helfen. Ein fundamentales Prinzip, verstehst Du?« »Seh ich andersrum, Mary«, antworte ich, »das Leben hilft uns.« Es gibt ein langes Gespräch.

In einer Kongresspause spreche ich Rudi an. »Rudi«, sage ich, »was hast Du denn bloß gegen Plastik? Das ist doch ganz nützlich. Holz geht nicht immer.« »Nein«, Rudolf Steiner besteht darauf, dass Plastik für die Kinder nicht gut sei. »Plastikfreie Zone.« Und Rudi erklärt mir auch seine Bewegungskunst. »Nenne ich Eurythmie.« Und er sagt, dass man damit seinen eigenen Namen tanzen kann. »Ja«, antworte ich, »interessante Idee, wenn man das denn mag.«

Die Menschheit gibt es seit sechs Millionen Jahren, sagt die Wissenschaft. Leute, die so beschaffen sind und die so aussehen wie wir, die »vernünftigen« Menschen – Homo sapiens – gibt es seit 300.000 Jahren. Bücher, die gelesen werden, nicht nur von Experten, sondern von vielen Eltern, und Kurse, die von vielen besucht werden: die gibt es noch keine hundert Jahre.

All die Eltern vorher, seit Millionen von Jahren, haben ihre Kinder großgezogen ohne Bücher und Seminare! Wozu ist denn so etwas wichtig? Wir alle können unsere Kinder großziehen, ohne diese ganzen – Lieblichkeiten. Sonst wäre die Menschheit längst zugrunde gegangen.

Es spricht aber auch nichts dagegen, mal ein Buch in die Hand zu nehmen oder einen Vortrag oder ein Seminar zu besuchen. Den Horizont erweitern. Theorien wälzen und sehen, wie andere das mit den Kindern so hinkriegen. Ich habe ja auch solche Bücher gelesen und welche geschrieben. Und wenn so etwas auch nicht wirklich nötig ist, so ist es doch schön, macht Spaß und kann hilfreich sein.