Es ist alles nicht so einfach … das trügerische Eis der zeitgemäßen achtsamen Pädagogik in all seiner Brüchigkeit und verletzenden Wucht zu erkennen. Auf dem letzten Vortrag wurde ich wieder einmal damit konfrontiert. Hier Grundsätzliches dazu, angereichert mit einem Zitat von Rousseau.
In der modernen Pädagogik wird auf sanfte Durchsetzungstechniken Wert gelegt, um dem Kind die „Einsicht“ in die "Notwendigkeiten“ – das heißt allemal Erwachsenenvorstellungen – zu „erleichtern“. Wie „freundlich“, „demokratisch“, „partnerschaftlich“ es dann in „Augenhöhe“ mit „Ich-Botschaften“ in „Kreisgespräch“ und „Rollenspiel“ und in der „Familienkonferenz“ und der „Lehrer-Schüler-Konferenz“ „menschenkundlich“ und in „vorbereiteter Umgebung“ auch zugehen mag:
Die verheerende psychische Herabsetzung des Kindes bleibt, da der pädagogische Erwachsene nach wie vor – aus seinem Selbstverständnis heraus – die innere Führung beansprucht. Und dabei dem Kind die Fähigkeit, das eigene Beste selbst wahrzunehmen, abspricht. Die heutigen „Freundlichkeiten“ und „Achtsamkeiten“ kaschieren lediglich die bestehende grundlegende Oben-Unten-Struktur, die Angriffe auf das Selbst des Kindes und die psychische Missions-Aggression des Erwachsenen. Und entziehen sie effektvoll der Thematisierung und Diskussion.
Diese „sanfte“ Pädagogik hat lange Tradition. Schon der französische Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau forderte 1760 in seinem Buch „Emile oder Über die Erziehung“ *:
„Lasst ihn (den Zögling, H.v.S.) immer im Glauben, er sei der Meister, seid es in Wirklichkeit aber selbst. Es gibt keine vollkommenere Unterwerfung als die, der man den Schein der Freiheit zugesteht. So bezwingt man sogar seinen Willen … Zweifellos darf es (das Kind, H.v.S.) tun, was es will, aber es darf nur das wollen, von dem ihr wünscht, dass es es tut.“
* Reclam UB 901, 1963/2001, S. 265f.