Ich bin mit Yann (4) auf
dem Spielplatz. Vor uns spielen vier Kinder (8-10) ein Ballspiel: Sie
schlagen sich den Ball über eine fest installierte Tischtennisplatte
zu und laufen dabei um die Platte herum. Viel Dynamik, viel Emotion,
mit Gewinnen und Verlieren. Yann schaut und schaut. Eine halbe Stunde
lang. Dann locke ich mit „Nach Hause?“ und unseren Spielplänen
dort. Wir ziehen los.
Schauen und schauen und
schauen... Wirklich, ein Geschenk des Lebens! Einfach nur schauen,
vergessen der Rest. Klar, kenne ich. Aber es hat schon lang nicht
mehr angeklopft. Es fliegt alles so dahin. Oder fließt, wenn es sich
ruhiger anlässt. Aber Anhalten, Innehalten, Aus- und Abschalten und
Schauen: das ist doch eher selten.
Ich habe es erst nicht
wahrgenommen, dass Yann da so verlängerte und verlängerte. Ja klar,
er sieht sich das mal an, was die großen Kinder da so machen. Aber
es verwandelte sich und veränderte die Dimension. Aus dem Hinsehen
wurde das Schauen.
So ein Schauen zieht mich
aus der normalen Geschäftigkeit, aus der Normalität eben. Es ist
eine Zauberei, eine Verzauberung des Alltäglichen. Ein Mitsein,
Mitschwingen. Anhalten der Seele.
Ich habe gewartet, dass
Yann das Signal zum Aufbruch gibt. Er saß ja schon im Buggy,
startbereit wir beide. Aus meinem Warten wurde ein Hinsehen zum Spiel
der Kinder. Erst sah ich sie nur um die Platte laufen und mit dem
Ball hantieren, dann verstand ich die Spielregeln. Und verfolgte ihr
Spiel und die Varianten, die ihnen einfielen. Ich bekam zu jedem der
vier Kinder eine immer deutlichere Wahrnehmung, erlebte ihre
Individualität, ihre Stimmen, ihr Aussehen, ihre Aktionen. Aus
meinem Warten wurde ein Schauen: das Fenster öffnete sich, ich sah
in das Leben.
Wir zottelten dann weiter.
An der Straßenbaustelle arbeiteten und lärmten der große Bagger
und der kleinen Kipper. Der Bagger rumorte, kratzte den Sand
zusammen, packte ihn und übergab ihn dem Kipper. Der fuhr nach sechs Einladungen zum Sandhaufen einige Ellen weiter hinten und kippte ab.
Rückwärts weg vom Bagger, umdrehen, vorwärts zum Sandhaufen und
zurück. Wir haben zig mal dieses Ritual der beiden erlebt. Schauen
eben.
Auf dem Weg nach Hause war
ich im Schaumodus. Ich schaute in die Welt und sog alles rechts und
links auf. Zum Schauen muss ich nicht stehen bleiben, Schauen geht
auch dann, wenn ich mich bewege. Es ist die Bewusstheit, die große
Aufmerksamkeit. Die Achtsamkeit.
Überall möglich. Das
Schauen wartet. Einen Tag später setze ich mich auf eine Bank in den
Feldern, die ich beim Joggen entdeckt habe. Ich sitze dort so
für mich hin und schaue. In die Abendwolken. Geschenk des Lebens.