Im Rückblick auf zwei Monate Sommerzeit habe ich zig große und kleine Begebenheiten vor Augen. Es ist ein feines Gewebe voller Bilder. Dies alles fließt in der Rückschau dahin wie ein großer Strom. Ich kann überall anhalten und mich an dies und das ranzoomen, an alles, was da in meiner gelebten Zeit so kreuchte und fleuchte. Die Vergangenheit ist ein weites Land hinter einem großen Tor, dem Jetzt-Tor.
Gehört das alles mir? Gehört das alles zu mir? Macht mich meine Vergangenheit aus? In wie viel Resonanz bin ich mit meiner Vergangenheit? Wer bestimmt hier die Auswahl und das Maß der Erinnerung? Bin ich das selbst oder gibt es da etwas, das mir die Bilder und Szenen vorlegt? Wie viel Selbstbestimmung habe ich im Umgang mit der Vergangenheit?
Na ja, ich muss mir solche Fragen nicht stellen. Ich kann all das, was geschehen ist, auch einfach geschehen sein lassen, sich in mir ausbreiten oder wegbreiten lassen, mal hier etwas merken, mal dort etwas nicht merken. Einfach fließen lassen, so wie es kommt. "Passt schon" sagen zum Vergangenheitswirbel in mir.
Beim Schreiben eines Posts, also jetzt, suche ich mir aus der riesigen Vielfalt meiner Erlebnisse irgendetwas heraus, über das ich schreiben will. Ich konzentriere mich und habe dann dieses oder jenes im Blick, hole es heran, drehe und wende es, und lass meine Gedanken drumrumlaufen. Und das, was dann da so läuft, tippe ich in die Tastatur und es wird der neue Post.
Die Geschehnisse des heutigen Tages: viel, sehr viel. Wie immer, jeder Tag hat ja seine 24 Stunden, zwei Drittel davon bin ich wach und ströme wach so in der Zeit dahin. Wo will ich anhalten – was spricht mich in der Rückschau an? So an, dass ich es als Einstieg für meine Zeilen nehmen kann? So dass sich daraus ein Thema ergibt, irgendwie mit Amicationsgedanken verspinnbar?
Von den Tausend Heutebildern will ich aber keins für ein Nachsinnen nehmen. Ich sinne ja gern nach und ich sinne gut nach. Aber heute: da lasse ich die Zeitbilder nur kommen und bespinne sie nicht. Aber ich will bei einigen anhalten, sie zeigen, mitteilen, was mir meine Lebenszeit heute so geboten hat:
Die Zweijährige, die von ihrer Mutter an die Hand genommen wurde, als ich langsam mit dem Auto vorbeifuhr.
Der Waldboden voller Blaubeerbüsche, als ich nach Pilzen Ausschau hielt.
Der Briefkasten, zu dem ich mit dem Rad gefahren bin.
Das Knäckebrot, herrlich mit Käse bedeckt, zwischendurch verspeist.
Der kalte Wind am Badesee, der ein "lieber heute nicht" entschieden hat.
Die junge Reiterin im Wald und unser freundlicher kurzer Gruß und unser Lächeln.
Der Schwarzspecht, wie er vor mir herfliegt und am Kiefernstamm landet.
Das Kartoffelfeld, an dem ich auf meiner Radrunde vorbeifahre, erntefertig, Kraut und Blätter sind dahin, es geht um die goldenen Erdfrüchte.
Das neue Familien-Baugebiet in meinem Dorf, das auch an meiner Radrunde liegt: was macht das mit den Menschen, die bisher an dem freien Feld wohnen?
Der Tankdeckel von meinem Auto, als ich tanke: Kleines Teil, das ich immer wieder in der Hand habe.
Das Dynamo von meinem Fahrrad: ausprobiert, ob das Licht geht, ja es geht, vorn und hinten, und wieder abgeschaltet, weil es sich so schöner fährt.
Eine Mücke an der Wand, aber ich bin gut drauf und bringe sie mit Glas und Postkarte aus dem Fenster.
Endlos, diese Bilder des Tages. Sie lassen sich ja nicht vermeiden, wir leben in der Dimension der Zeit. Aber all diese Dinge da draußen vor mir sind ja auch in mir entstanden. Und in Resonanz zu all dem, was sich in mir im Laufe der vielen Jahre meines Lebens verdichtet hat. Dank und Willkommen Euch allen!