Montag, 24. November 2025

Kann nur etwas Gutes werden, wenn


 

 

Elternabend

 

 Dr. Hubertus von Schoenebeck

Kinder und Grenzen

Durchsetzen ja – Herabsetzen nein

Vortrag mit Gespräch



Mir ist schnell klar geworden, dass Kinder Personen mit ihrer eigenen Sicht der Dinge sind. Das ist sehr herausfordernd – und kann nur etwas Gutes werden, wenn ich meine Grenzen klar mache. Unmissverständlich klar mache: ein Nein ist ein Nein.

Der Widerstand kommt prompt. Was dann? Ich lasse mir von den Kindern nichts gefallen und setze mich durch. Wie? Kommt drauf an, das besprechen wir. Wut und Tränen? Sind dabei. ABER: Ich bedränge die Kinder nicht noch obendrein mit dem ewigen „Sieh das ein, ich habe recht!“.

Die missionarische Besserwisserei, die zum Durchsetzen immer dazukommt: Nicht mein Ding! Denn so etwas erleben alle Kinder als seelischen Übergriff und als Anmaßung. Und darauf reagieren sie erst recht mit Trotz und Wut: „Ich muss gar nichts!“ Nein, ich setze mich zwar äußerlich klar durch, aber ihre Würde taste ich nicht an. Durchsetzen ja – herabsetzen nein. Der Abend lädt Sie herzlich ein, in der schwierigen Grenzthematik einmal auf neue Gedanken zu kommen und durchzuatmen.

Dr. phil. Hubertus von Schoenebeck. Ich habe als Lehrer gearbeitet, bin Sachbuchautor zu Erziehungsfragen und seit über 30 Jahren in der Familienbildung tätig. Ich habe erwachsene Kinder und Enkelkinder. Ich halte einen kurzweiligen Vortrag und freue mich auf Ihre Fragen.

 

Montag, 17. November 2025

Wie oft lügst Du am Tag?

 

 

„Wie oft lügst Du am Tag?“ Mich hat die Frage überrascht. Nicht wegen des Fragers, sondern wegen der Frage. Man lügt doch überhaupt nicht oft. Und schon gar nicht mehrmals am Tag – was so eine Frage ja impliziert. Jedenfalls dachte ich das. Dass nur selten gelogen wird. Aber der Frager hat ja wohl was anderes vor Augen.

„Überhaupt nicht“, sage ich. „Vielleicht einmal in 10 Jahren“. Oder auch öfter? Ich denke nach, finde aber nichts. Na ja, vielleicht blende ich da ja auch was aus. Egal. Aber ich nehme die Frage auf und sinne darüber nach. Wie ist das mit der Lügerei? 

Wer das tut, tun will, tun muss – sein Ding. Sogar sein gutes Recht. Gehört jemand die Wahrheit? Wir gehören uns selbst, und damit ist es auch unser Ding, wie wir mit der Wahrheit umgehen wollen. Und da gibt es eben Kleinlüger, Großlüger, Seltenlüger, Viellüger, Lügenbolde. Da ist nichts zu verurteilen. So etwas findet statt. Es will natürlich damit umgegangen sein.

Wie geht der Lügende damit um? Schlechtes Gewissen? Gutes Gewissen? Aus der Not heraus. Aus der Bestimmerei heraus. Wegen des Vorteils. Wegen der Beschämung. Wegen der Angst. Wegen der Verachtung. Wegen des Schmerzes. Wegen der Sehnsucht. Wegen der Liebe. Wegen viel. Die Wegens können edel, weniger edel oder gar nicht edel sein.

Ich mag hier im Nachdenken das Wort Lügner nicht, es ist so ungut besetzt, und ich bin nicht im Unguten, wenn ich über jemanden nachdenke, der lügt. Deswegen sage ich „Lügender“. Ich schwinge nicht ins Verurteilen, ich schwinge ins Verständnishaben. Nicht, weil ich viel lüge, tu ich nicht. Sondern weil ich das für angemessen halte. Wer lügt, zettelt etwas Gutes an – klar, für sich. Die Lüge ist ein Geschöpf des Guten, der Liebe. Die man sich selbst gibt. Die einem zusteht.

Dass dies Leid und Ungutes bewirken kann, eher: wird, bleibt mir ja dabei nicht verborgen. Ich vergesse aber nicht die Quelle der Lüge. So wie mir auch das Leid der Kuh nicht verborgen bleibt, die ich töte, um zu essen. Ich töte wegen meines Vorteils, ich lüge wegen meines Vorteils. Durchs Leben gehen und meine Vorteile realisieren, finde ich richtig, und anders geht es nicht. Geht es doch? Ohne Töten kein Leben. Ohne Lügen kein – ja was? Ohne Lügen kein Leben. Lässt sich das vergleichen, übertragen?

Mit Lügen kein Leid – auf meiner Seite. Wohl Leid auf Deiner Seite. Ist das einfach nur dem Egoismus das Wort geredet? Egoismus passt beim Töten der Kuh nicht, da gilt so etwas wie unabdingbar, nötig, wenn ich nicht esse, sterbe ich. Beim Lügen gilt anderes? Sehe ich nicht so. Wenn die Lüge nicht unabdingbar, nötig wäre, würde sie ja nicht kommen. Dann wird die Wahrheit gesagt. So einfach ist das!

Und wie geht es mir, wenn ich herausfinde, dass ich angelogen wurde? Ganz klar: Ich gehe nicht durch das Verurteilungs-Tor und tummele mich nicht auf dem dunklen Feld dahinter mit all den zugehörigen Seltsamkeiten: Schuldzuweisung, Empörung, Beleidigtsein, Runterputzen, Enttäuschung, Ärger, Groll, Wut, Hass, ach was weiß ich. Tore, die ins Dunkle führen, mag ich sowieso nicht, und sie liegen mir nicht.

Also: was ist, wenn ich angelogen wurde? Da bleib ich cool. Erst mal „nehm ich zur Kenntnis“ (wie das so schön neutral heißt), dass es anders ist als bis grad noch gedacht. Ich korrigiere meine Wirklichkeit, sortiere das um. Mir ist sofort klar, dass die Lügerei nicht grundlos stattgefunden hat, dazu fließt ein Nachsehen (sehe Dir das nach). Und eine Freundlichkeit, weil ich denke, dass es dem Lügenden nicht gut geht. Wenn es ihm bei seiner Lügerei gut geht: auch gut. Mich regt das alles jedenfalls nicht auf. Ich frage mich zügig, wie es weitergeht. Mit der neuen Information, die jetzt als neue Wahrheit neben die alte Wahrheit tritt, die ja eine Nicht-Wahrheit sein soll, Lüge eben.

Will ich weiter mit dem Menschen zu tun haben, der mich angelogen hat? Das will gut bedacht sein. Ich mache ja keinen Vorwurf, nur die Verlässlichkeit ist angekratzt oder weg. Mein Vertrauen, von Dir die Wahrheit zu bekommen, ist beschädigt. Es kommt ganz darauf an, wie meine Beziehung zu Dir überhaupt ist. Wie viel mich Deine Unwahrheit nervt, Du mich nervst. Vielleicht instrumentalisiere ich Deine Lüge (nicht bewusst, aber passiert): sie kommt mir recht, weil ich meine Beziehung zu Dir eh runterfahren will. Da ist dann kein Ärger, sondern Abwendung, keine Lust auf so etwas, keine Lust auf Lügenmärchen.

Ja, oder es macht mir eben nichts aus, ich sehe Deine Not oder Unverfrorenheit, Deine Sorge, dass ich Dir es übelnehme und weggehe. Wenn ich Dich genug mag, lasse ich mich von Deinen Lügenmärchen nicht wegspülen. So bist Du halt. Jetzt grad mal. Oder auch öfter. Es ist schon mein Job, auf Deine Lüge zu reagieren, den mache ich dann auch. Ich freue mich über Dich, auch über Deine Lügenmärchen: so kann es schon kommen. Wenn es nicht überhand nimmt und die Frage hervorbringt: „Wie oft am Tag...“


 

 

Montag, 10. November 2025

Dass es nach der Nagelprobe einen erleichterten Umschwung gibt



Amicative Menschen machen sich selbstverständlich auch Gedanken über das Verhalten und die Entwicklung ihrer Kinder. Diese Gedanken, diese Sorge, dieses Kümmern kommen von innen. Sie kommen nicht aus einem Sollen, einer Norm (was man als gute Eltern tun sollte). Sie kommen nicht aus Verantwortung für das Kind, sondern aus Verantwortung für sich selbst. Diese Gedanken sind Ausdruck des Kümmerns um sich selbst. „Meine Liebe zu mir umfasst auch Dich, Kind. Und deswegen mache ich mir meine Gedanken, auch um Dich.“

Die Verantwortung für Kinder wird nicht deswegen aufgegeben, weil das gut für die Kinder ist. Dann wäre man letztlich doch für die Kinder verantwortlich und landete bei der skurrilen Position, dass man aus Verantwortung für Kinder diese Verantwortung aufgibt. Nein: Man gibt die Verantwortung für Kinder deswegen auf, weil das gut für einen selbst ist.

Ich kann meine Einstellung – in Kindern selbstverantwortliche Wesen zu sehen – nicht rückgängig machen und will dies nicht. Ich kann und will nicht mehr jemand sein, der sich für andere verantwortlich fühlt - weil dies ein jeder Mensch selbst ist, auch ein Kind! Mich für einen anderen verantwortlich zu fühlen würde bedeuten, ihn psychisch zu überfallen und damit zu entmündigen. In bester Absicht. Aber Kinder haben wie alle Menschen eine eigene, souveräne innere Welt. Dies erkenne ich. Und dieser meiner Erkenntnis und Wahrheit, dieser meiner Wirklichkeit begegne ich mit Achtung. Dies bin ich mir schuldig.

Damit hört ein Kümmern und Sorgen und Nahsein und Dasein nicht auf. Wer sich nicht für Kinder verantwortlich fühlt – weil sie das selbst sind – , der mutiert nicht zum Monster. Ich kümmere und sorge mich, bin nah und da nur eben nicht aus Verantwortung für Kinder – weil sie das selbst sind – sondern aus Verantwortung mir gegenüber, aus Verantwortung für mich.

Das Kümmern und Sorgen kommt gern mit der „Verantwortung“ daher: Kümmer-Verantwortung. Die ich übernehme, um anderen beizustehen und zu helfen. Die Kümmer-Verantwortung ist Alltag und banal. Hier geht es aber nicht um die Kümmer-Verantwortung, sondern das übergriffige, missionarische, adultistische, pädagogische „Ich bin für Dich verantwortlich, weil Du das nicht selbst bist.“

Wie verhalten sich die Kinder, wenn man aufhört, sich für sie (missionarisch, pädagogisch) verantwortlich zu fühlen? Meine Erfahrung ist, dass es nach einiger Zeit des erstaunten Aufmerkens und der Nagelprobe einen erleichterten Umschwung gibt. „Endlich verstehst Du! Endlich hörst Du auf, meine Innere Welt nach Deinem Bild zu formen.“


 

Montag, 3. November 2025

Und so wird es ja auch kommen

 


Eine gute Freundin von mir verschwand von jetzt auf gleich im Krankenhaus. Nach schneller Diagnose wurde sie sofort operiert, es war knapp. Also: Sie ist noch da, aber beinah wäre sie weg gewesen, fort aus ihrem und aus meinem Leben. „Und plötzlich bin ich weg“, sagt sie humorvoll zu ihrem Beinahe-Weg. Soweit kam es nicht. Aber sie hat doch irgendwie recht, so kann es ja kommen, und so wird es ja auch kommen. Wann weiß keiner so genau. Aber es ist schon ein Thema.

Was bleibt eigentlich, wenn unsereins plötzlich weg ist? Ich versuch das mal aus dem Futurum 3 anzusehen. Wie es denn sein gewesen hat sollen passiert sein. Aus der Überposition (ich bin weg und sehe zurück) auf das schauen, was dazu jetzt zu sagen ist. Erst mal stellt sich da bei mir der Humor ein. Grad noch da – dann plötzlich weg. Ist schon irgendwie komisch. Es macht einem dann ja gar nichts mehr irgendwas aus: man ist ja weg.

Irgendwie ein beruhigender Gedanke. Für nichts mehr zuständig, kein Knöllchen mehr, kein Ärger mit diesem und jenem. Klar, auch die schönen Dinge des Lebens sind dann weg, so eine rote Rose wie die oben gibts dann nicht mehr. Aber was soll der Trübsinn. Weg ist weg.

Den Dableibenden, den „Hinterbliebenen“ wie es so schön heißt, kann ich da nur zuzwinkern: freut Euch über die Rose, solange Ihr sie seht. Ja, seht all das Schöne um Euch herum, es ist da, der Sonnenaufgang, der Sonnenuntergang, all das Unendliche dazwischen, und der Sternennachthimmel. Ach tausenderlei. Das schelmische „Plötzlich bin ich weg“ meiner Freundin birgt ja eine tiefe Wahrheit und wichtige Botschaft: Sieh Dich um, sieh, wo Du bist: Blauer Planet Erde, ein wunderschöner Edelstein im Universum, und Du bist darauf unterwegs. Einfach grandios vor dieser monumentalen Kulisse des Kosmos, ein aus vollem Herzen kommendes „Ja“ ist hier angesagt.