In der Postmoderne, dem philosophischen Großraum der
Amication, gilt als Grundlage die Gleichwertigkeit aller Phänomene.
Wenn aber alles den gleichen Rang hat - was ist dann richtig und was
ist falsch? Was ist die Orientierung? Nun, jeder einzelne Mensch ist
Orientierungspunkt. Was sind meine eigenen, subjektiven und privaten
Werte? Ich entscheide mich in der großen Vielfalt der unendlichen
Möglichkeiten. Ich bin der Mittelpunkt der Welt und des Universums.
Ich sehe ringsum und beziehe meine Position. Ich wähle. Ich
verantworte vor mir.
Meine Wahl und meine Werte stehen dabei
nicht über der Wahl und den Werten anderer. Ich bin jedoch meinen
Werten verpflichtet und setze mich für sie ein.
„Wenn
alles gleichen Rang hat, dann kann doch jeder tun, was er will. Das
gibt nur Mord und Totschlag und ist gewaltiger Nonsens und
rechtfertigt allen Unsinn!“ Kann tun, was er will? Tun? Der, den
ein Kritiker da im Sinn hat (den durchgeknallten Bösewicht nämlich),
ist nicht allein auf diesem Planeten. Milliarden andere Einzelne sind
um ihn herum. Mit ihren Werten. Und wenn der angeführte Bösewicht
anfängt, sein Ding zu TUN, dann sind die anderen drumherum und
lassen es sich bieten - oder eben nicht. Und wenn sie es sich nicht
bieten lassen, dann ist es aus mit dem „Der kann tun, was er will“.
Ein jeder könnte tun, was er will. Könnte! Wenn die anderen
ihn lassen. Mord und Totschlag? Ich bin einer der Milliarden
Einzelnen, und in meiner Gegenwart gibt es weder Mord noch Totschlag
(sofern ich die Gelegenheit und die Mittel habe, das zu verhindern).
Amication ist keine offenes Tor fürs Drauflos des Einzelnen.
Amication nimmt aus den Möglichkeiten die Oben-Unten-Position heraus
und legt die Gleichwertigkeit zugrunde. Amication ist keine
Betriebsanleitung für die Praxis ("Mach, was Du willst!").
Amication zeigt eine Verortungswelt auf, ist Hintergrundmusik für
unser Handeln, Sinfonie der Gleichwertigkeit.
Ich
bin nicht zimperlich. Wenn jemand in meiner Gegenwart seine
Vorstellungen (die meinen gleichwertig sind) realisieren will und mir
nicht passt, was er vorhat, dann unterbinde ich das. Mit den Mitteln,
die ich habe und in der Hoffnung, dass sie ausreichen. Ich gewinne ja
auch nicht immer, aber oft. In meiner Gegenwart schlägt kein
verzweifelter Vater sein Kind, kein Dieb kommt mit der Handtasche
einer alten Frau davon, kein Terrorist erschießt die Leute, kein
Diktator zettelt einen Weltkrieg an.
Wenn ich interveniere,
dann energisch, so dass das passiert, was ich will. Wenn ich einen
Kindsmörder zur Strecke bringen kann, bevor er mein Kind
abschlachtet und ich ihm zum Schluss in die Augen sehe, dann sage ich
ohne Worte: „Du bist ein Ebenbild Gottes wie ich, kein Schwein.
Aber Du willst einen Weg gehen, den ich nicht mitgehen kann.“ Ich
töte ihn, aber ich nehme ihm nicht die Würde. Ich stehe nicht über
ihm. Wie der Indigene den Büffel tötet, ohne über ihm zu stehen.
Wenn jeder aus seiner Sicht das für ihn Sinnvolle tut, tun
will, dann folgt er einem universellen Sinn: Der Konstruktivität,
die ihn leitet. Diese Konstruktivität gibt es im Universum seit dem
Urknall, sie existiert in jedem Atom, Galaxie, Stern, Planeten,
Stein, Pflanze, Tier, Mensch. Überall eben. Da bewegt sich nichts
gegen sich. Und auch kein Mensch handelt gegen sich, und falls es
doch so aussieht (sich jemand die Arme aufschlitzt, Heroin nimmt, von
der Brücke springt), so geschieht es immer noch aus seinem Sinn, aus
seiner Konstruktivität heraus.
Ein überhöhter Begriff für
die universelle Konstruktivität mit Verortungen in vielen
religiösen, spirituellen, philosophischen Bereichen ist Liebe. Alles
geschieht aus diesem Ur. Ur was? Urplasma? Urstoff? Urphänomen?
Urprinzip? Aus diesem Ur eben. Jeder einzelne ist in diesem Ur
eingebettet, ist daraus gemacht und bewegt sich darin. Wie jedes
einzelne Wassermolekül im Ozean, den Wolken, dem Regen. Es gibt kein
Gegen-Ur. Keinen Gegensatz. Weder gut noch böse, richtig noch
falsch. Einheitlich: Liebe.
Das aufs reale Leben
runterzubrechen ist schwer. Der Kindsmörder ist Liebe und handelt
aus Liebe? Adolf? Stalin? Mao? Putin? Tja. Aber so ist es.
Wenn
man die Dinge so sieht, bekommt alles eine besondere Bedeutung. Alles
wird handfest leichter, kraftvoll entspannter. Alles gibt, nichts
nimmt. Die Würde bleibt. Nichts davon macht meine Entschlossenheit
kleiner, diese Herrschaften zu stoppen in ihrem Tun. Meine
Entschlossenheit ist ein scharfes Schwert. Und oft schaffe ich das ja
auch. Kein verzweifelter Vater schlägt in meiner Gegenwart sein
Kind...
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