Aus meinem Forschungsprojekt*
Kirmes. Petra (12) ist mit mir im Raketenkarussell. Vor einer Stunde
habe ich sie mit den anderen aus der Gruppe getroffen. Ich spüre, wie
sehr ich noch ein »richtiger Erwachsener« bin. Ich merke, dass ich mich
so benehme, wie es sich eben gehört, wenn man mit Kindern zur Kirmes
geht. Als das Karussell abhebt und wir langsam aufsteigen, dann
schneller werden – da sehe ich zu ihr und sie sieht zu mir: und es ist,
als löse ich mich mit ihrem Lachen vom Erwachsenenstern, um mit ihr
dorthin zu gleiten, wo sie und ihresgleichen leben – in ihre souveräne
und fantastische Welt.
Eine Schaukel im Hinterhof. Ich bin mit
Melanie (3) nach draußen gegangen. Sie will auf dem Sitz der Schaukel
stehen. Ich rücke mir eine Kiste zurecht, dass ich nah sitze und
zugreifen kann, wenn sie fallen sollte. Ich soll sie höher schaukeln.
Ich bin sehr aufmerksam und konzentriert wegen der »Gefahr«. Für Melanie
muss es sehr schön sein. Als sie sich wieder setzt und sich weiter
schaukeln lässt, sieht sie mich an – und sie lacht und ist glücklich.
Wir sehen uns durch und durch an: sie ist befreit, seit einer Stunde
sind wir zusammen, und ich habe sie noch nicht gestoppt. Ich spüre, wie
sie hier – beim Schaukeln, wie sie es will – zu sich kommt, wie sie mir
ihr Innen zuwendet: »Ich kann die sein, die ich sein will. Du lässt mich
Ich sein.« Sie lässt den Kopf nach hinten fallen und macht die Augen
zu. Sie setzt sich wieder hin und sieht mich an und lacht. Ich bin
glücklich, dass ich mich durch die Ängste der »Gefahr« durchgetraut
habe. Ich kann ihr dort begegnen, wo sie jetzt gerade ist.
Es hat
geregnet, die Wiesen und der Wald sind feucht. »Wer kommt mit
spazieren?« Moni (11) hat Lust. Wir ziehen durch den Wald. Ich lasse mir
von ihr zeigen, wie sie dies alles erlebt. Sie führt mich durch den
Wald und zu den Blumen. Und sie führt mich zu einer Art des Erlebens
zurück, die bei mir in Vergessenheit geriet. Wir überqueren einen Bach,
und es ist, als betrete ich verlorenes Land. Die Blume, die wir von dort
mitbringen, wächst wieder in mir.
* H.v.S., Kinder sind wunderbar! Münster 2023, S. 168 f. u. 173