Ich wurde gefragt, wie das damals mit meiner Forschung war. Es war so:
Ich nahm mir zweieinhalb
Jahre Zeit und führte eine Feldstudie über nichtpädagogische
Beziehungen durch. Also eine praktische Arbeit mit Kindern. Die
Forschungskinder waren drei bis 18 Jahre alt. In kleinen Gruppen,
jeweils im gleichen Alter. Also zwei Dreijährige, drei Vier- bis
Sechsjährige, dann Sieben- bis Neunjährige und so weiter. Wir
trafen uns nachmittags, an Wochenenden und in den Ferien in meinem
Ferienhaus.
Wie ging das ab? Nach dem Prinzip des
„Einfach-So“, wie ich das nannte. Ich kam mit meinem Käfer zur
festgesetzten Zeit zu den Treffpunkten. „Was machen wir heute?“
Sie hatten Vorschläge. Wenn nichts kam, hatte ich welche.
Irgendetwas passierte dann. Ab in den Wald, Baggerloch, alter
Steinbruch, Felsenklettern, Abenteuerböschung, Kanal, Fluss,
Geländespiel, Bumerangwerfen, meine Wohnung, Monopoly,
Jugendzentrum, Rudern, Bäumeklettern, Zoo, Pferde, Disco, sonst was.
Rumfahren im Auto und dabei Quatschen war sehr beliebt, ich
chauffierte und hörte zu. Und immer wieder einfach Abhängen, passte
immer. Mit was zu Futtern aus meinem Picknickkorb. Oder aus der
Pommesbude. Von nachmittags um drei bis abends um sechs, sieben, acht
oder neun, das Ende setzten sie selbst fest.
Die Kinder
machten ihr Ding, ich war dabei, als „Gast im Kinderland“, machte
mit oder auch nicht. Ich war akzeptiert und gemocht und störte sie
nicht. Vor allem: Ich war nicht distanziert, ich beobachtete sie
nicht mit weißem Forscherkittel. Ich war eingebunden, ich erlebte
mit. Ich war ganz da, die Person, die ich bin. Ich dirigierte sie
nicht, ich nahm mich aber auch nicht zurück. Und wenn mir etwas
nicht passte, dann sagte ich das auch. Kurzum, ich ging mit ihnen so
um, wie ich mit meinen erwachsenen Freunden auch umgehe: auf gleicher
Augenhöhe. Es war ein großes Abenteuer in einem fremden und
zugleich vertrautem Land.
Ich nahm das alles in mich auf. Und nach und nach
wurde es klarer und dichter: So – so sind sie, die Kinder. Und so –
so komme ich mit ihnen zurecht, wenn ich sie nicht pädagogisch sehe
und angehe, sondern authentisch mit ihnen unterwegs bin. Was das „so“
bedeutet? Tja! Was bedeutete das „so“ im gleichwertigen Umgang
mit Afrikanern? Mit Frauen? Mit einer anderen Religion? Mit der
Natur? Das lässt sich nicht in drei Worte fassen. Ich notierte dazu
782 „Determinanten“, Orientierungen für unser gleichwertiges
Miteinander. Das „so“ ist eine besondere Qualität des
Miteinanders.
Ich lernte also von der Pike auf, worauf man
achten muss, wenn man mit Kindern gleichwertige Beziehungen
realisieren will. Wo sind die Ecken und Kanten? Ich fand es heraus.
Und schrieb einen Bericht darüber, eine Doktorarbeit, gab ordentlich
alle Zitate an. Sie wurde anerkannt mit „magna cum laude“, „sehr
gut“. Ich war Doktor der Philosophie.