Ich besuche meinen Sohn Felix, meine Schwiegertochter Katharina und die Enkelkinder Klara (10) und Kolja (8). Es gibt Tee, Kaffee und Kuchen, Kerze auf dem Tisch. Kolja spukt um uns herum, hat seine drei Kuchenstücke aufgegessen, kramt in seinen Spielsachen. Er kommt zurück zu uns Erwachsenen am Tisch. Katharina hat noch ein neues Stück Kuchen auf ihrem Teller. Kolja nimmt seinen Löffel, klettert auf ihren Schoß und will die Kuchenspitze futtern. Was passiert jetzt? Ich bin aufmerksam, konzentriert auf Kind, Mutter, Kuchenspitze.
Wir unterhalten uns ja, das Kind ist nicht dran und nicht gefragt. Es war dran und ist jetzt gut versorgt im Spielmodus nebenan. Wenn Kinder an Bord sind, ziehen sie die Konzentration auf sich, und das passt grade nicht. Aber: es ist anders. Schon die Kletterei auf Katharinas Schoß brachte keine Ablenkung von der Konzentration auf unser Gespräch. Beiläufig lässt Katharina ihn klettern. Und beiläufig sieht sie zur Kuchenspitze, die frisch gelöffelt in Kolja verschwindet. Kolja hat genug Kuchen gegessen, aber diese Spitze musste es noch sein. Zufrieden zieht er von dannen.
Ich bin beeindruckt von der Gelassenheit, mit der Katharina das geschehen lässt. Und von der Gelassenheit von Felix, der daneben sitzt. Sie lassen ihr Kind Kind sein und fertig. Und fertig? Lässt man zu, dass ein Kind die Gespräche der Erwachsenen stört? "Lass uns jetzt mal in Ruhe" ist Programm. "Runter" auch. "Was soll das? Spinnst du? Verschwinde!" auch. Es gab genug Kuchen, und Kuchen sind nun mal keine ablöffelbaren Spielsachen.
Ach ja? Diese sahnebehäufte Spitze sieht so lecker aus. Wie sie Kolja anstrahlt und wie er sie anstrahlt: Dann soll, dann muss das so sein wie grade passiert. Katharina und Felix wissen um diese Magie. Es ist einfach schön. Die Kerze leuchtet, und ich bin angerührt von soviel Wunder an diesem Nachmittag.